Geheimdienstchef Markus Seiler zu Treffen der rechten Szene · «Die Schweiz ist kein Paradies für Rechtsextreme»

Blick.ch: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) habe in den vergangenen Jahren ein halbes Dutzend Nazi-Konzerte verhindert, sagt NDB-Direktor Markus Seiler.

Das Nazi-Konzert von Unterwasser SG mit rund 5000 Teilnehmern sorgte für Kritik am Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Auch NDB-Chef Markus Seiler (48) hatte an der Veranstaltung keine Freude. «Wie Bundesrat Parmelin haben auch wir uns geärgert», sagt er nun in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung».

Seiler macht klar: «Es darf nicht sein, dass 5000 Rechtsextremisten aus dem Ausland kommen und hier in der Schweiz eine solche Veranstaltung abhalten. Das ist unappetitlich.»

Veranstaltungsort zu spät erfahren

Doch was lief schief? Warum konnte der NDB das Konzert nicht verhindern? «Im Vorfeld haben wir korrekt gearbeitet», erklärt Seiler. Eine Woche vor der Veranstaltung habe man zum ersten Mal Kenntnis gehabt, dass mit grösster Wahrscheinlichkeit im süddeutschen Raum ein solches Konzert stattfinden soll.

«Da haben wir den Kantonen und dem Grenzwachtkorps mitgeteilt, es könnte etwas passieren. Ein paar Tage später hiess es, es finde im Elsass oder im Raum Zürich statt.»

Dass der genaue Ort nicht habe eruiert werden können, habe mit der Vorgehensweise der Organisatoren zu tun. «Sie geben den Teilnehmern die allgemeine Richtung an, und erst vier Stunden vor dem Konzert wird eine Telefonnummer aufgeschaltet, mit der man sich über den genauen Ort informieren kann.»

Deshalb habe der NDB erst im Verlauf des Samstags, zusammen mit ausländischen Partnern, definitiv in Erfahrung bringen können, wo das Konzert stattfindet. «Da war es für die zuständigen Behörden zu spät, den Anlass zu unterbinden.»

Ein halbes Dutzend Konzerte verhindert

Es sei der Anspruch des NDB, solche Ereignisse früher in Erfahrung zu bringen, betont Seiler. Das sei ihm in den vergangenen Jahren auch immer wieder gelungen. «Wir haben etwa ein halbes Dutzend Konzerte von eindeutig gewaltbereiten extremen Gruppierungen verhindert», so Seiler. «Es stimmt deshalb nicht, dass die Schweiz ein Paradies für Rechtsextreme sei, wie man jetzt verschiedentlich hört.»

So habe der NDB jeweils den Veranstaltungsort frühzeitig in Erfahrung gebracht und konnte so zum Beispiel mit den Vermietern der Lokalitäten dafür sorgen, dass der Saal besetzt ist. «Der Erfolg liegt in der Sensibilisierung: Dass zum Beispiel die Vermieter merken, wenn etwas nicht stimmt», sagt Seiler.

«Wenn jemand eine Lokalität mit 600 Plätzen mietet und im ganzen Tal hängt kein Plakat der Veranstaltung, dann sollte das misstrauisch machen.»

Beim Dschihadismus seien alle sensibilisiert, bei Gewaltextremen sei man es früher auch gewesen. «Das müssen wir wieder hinbringen. Das ist eine Verbundaufgabe zwischen Gemeinden, Kantonen und dem Bund.»

Neues Gesetz hilft nicht

Eine Hürde für den Geheimdienst ist auch, dass Handys oder Mails der Organisatoren nicht überwacht werden dürfen. Da hilft auch das neue Nachrichtendienstgesetz nichts, welches voraussichtlich am 1. September 2017 in Kraft tritt.

Die neuen Überwachungsinstrumente dürften nämlich nur bei Terror, Spionage, Proliferation und Angriffen auf die kritische Infrastruktur zum Einsatz kommen, nicht aber bei Gewaltextremismus, so Seiler.

Sein Fazit: «Einen Fall wie das Rechtsextremisten-Konzert in Unterwasser kann auch das neue Gesetz nicht verhindern.» (rus)

Publiziert am 07.11.2016 | Aktualisiert vor 1 Minuten