NDB-Bericht: Extremisten machen sich Protestpotenzial zunutze

Luzerner Zeitung.

Corona beeinflusst nachhaltig die sicherheitspolitische Lage der Schweiz. Als Gefahren listet der Nachrichtendienst in seinem Lagebericht Gewalt aus links- und rechtsextremen Kreisen, dschihadistischen Terror und die Zunahme von Cyberangriffen auf.

Die Coronapandemie wird die Sicherheitspolitik der Schweiz nachhaltig beeinflussen. Dies stellt der Nachrichtendienst des Bundes NDB in seinem am Donnerstag veröffentlichten Lagebericht 2021 fest. So hat der im Zuge der Pandemie verstärkte Digitalisierungsdruck die Angriffsfläche für Cyberangriffe vergrössert, insbesondere im Bereich der Lieferketten.

Viele hier ansässige Unternehmen bieten Zubehör und Dienstleistungen für die Betreiber von kritischen Infrastrukturen und seien daher «interessante Ziele» für staatliche Akteure. So sei auch die Spionage eine dauerpräsente Herausforderung für die Schweiz, wie der NDB festhält. Genf bleibe zudem ein «Brennpunkt» für Spionage, weil dort zahlreiche internationale Organisationen, diplomatische Vertretungen und Finanzinstitute ansässig sind.

Schweiz muss sich auf garstigeres Umfeld einstellen

Entsprechend erwartet der NDB, dass ausländische Nachrichtendienste verstärkt Unternehmen in den Bereichen Informationstechnologie, Chemie- und Pharmatechnologie, Mobilität, erneuerbare Energien und Rüstungstechnik ins Visier nehmen werden.

Allgemein sei die internationale Sicherheitslage «unberechenbarer» geworden, wie Verteidigungsministerin Viola Amherd im Vorwort des Lageberichts sagt. «Wir müssen uns noch stärker auf ein garstiger gewordenes Umfeld einstellen.»

Extremisten machen sich Protestpotenzial zu Nutze

2020 hat der Nachrichtendienst des Bundes 208 Ereignisse im Bereich Links- und 21 im Bereich Rechtsextremismus beobachtet. Während die Anzahl beim Rechtsextremismus sich weiter verringert habe, blieb sie beim Linksextremismus stabil. Das Gewaltpotenzial besteht weiter in beiden Szenen, heisst es.

Links- und Rechtsextreme versuchten demnach immer wieder, das Protestpotenzial in der Gesellschaft für sich zu nutzen. «Gerade in langwierigen oder sich gar verschärfenden Krisen wie der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie kann sich dieses Potenzial erhöhen», schreibt der NDB.

So versuchten Rechtsextreme etwa in einigen europäischen Staaten die strukturlose Koalition der Coronamassnahmen-Gegner für sich zu nutzen. «Sie könnten damit eine Radikalisierung hin zu Gewaltanwendung befördern», schlussfolgert der NDB.

Dschihadistische Propaganda als Gefahr für psychisch Labile

Mit Blick auf den dschihadistischen Terror stellt der NDB fest, dass die islamistische Szene in der Schweiz «heterogen und kaum organisiert» ist. Terrorakte in der Schweiz seien grösstenteils kein Ziel. Vielmehr äussere sich die Bedrohung in Aufrufen zu Gewalt gegen muslimische Minderheiten, die jüdische Gemeinschaft oder westliche Staaten, die in islamischen Staaten militärisch aktiv sind.

Eine «Minderheit von Personen» leistet jedoch möglicherweise finanzielle und logistische Unterstützung für gewalttätige islamistische Akteure im Ausland, wie der NDB im Lagebericht schreibt. Zudem gehe eine Gefahr durch die Verbreitung dschihadistischer Inhalte im Internet aus. Vor allem «sozial isolierte und psychisch instabile Personen» könnte dies veranlassen, Gewalt auszuüben.

Als Beispiel erwähnt der NDB zwei Ereignisse: im September 2020 erstach ein Mann in Morges einen anderen Mann und im November 2020 verletzte eine Frau in Lugano zwei Frauen mit einem Messer. Beide Täter seien psychisch instabil, aber auch dschihadistisch motiviert gewesen. Solche Personen werden oft spontan zu Tätern und es sei schwierig, ihren primären Antrieb festzustellen, heisst es.

Wie umgehen mit dschihadistischen Rückkehrern?

Gemäss Angaben des NDB befinden sich weiterhin dschihadistisch motivierte Reisende aus der Schweiz im Konfliktgebiet Syrien und Irak. Von den erfassten Reisenden kehrten bislang 16 in die Schweiz zurück, wobei die letzte Rückreise 2016 stattfand.

Trotz der verhältnismässig kleinen Anzahl von Rückkehrern werde der Umgang mit diesen Personen eine grosse Herausforderung für die Schweiz darstellen. «Sie zu deradikalisieren und wieder in die Gesellschaft zu integrieren, dürfte ein langwieriges Unterfangen mit ungewissen Erfolgsaussichten sein», schreibt der NDB dazu.