«Arische Kunst» im Palace-Gebäude: Stadt löst Mietverhältnis mit umstrittenem Künstler auf – jetzt schaltet sich auch die Justiz ein

St. Galler Tagblatt. Nach heftigen Protesten eines Mieterkollektivs kündigt die Stadt das Atelier für einen deutschen Künstler. Er habe die Mietersorgfaltspflichten verletzt, so der Stadtrat. Doch auch die Staatsanwaltschaft interessiert sich nun für die Machenschaften des 69-Jährigen.

Obwohl sich die Ereignisse in den vergangenen Tagen überschlagen haben, sind alle Involvierten plötzlich erstaunlich wortkarg. Im März hat das «Tagblatt» den Fall eines 69-jährigen deutschen Künstlers publik gemacht, der in einem von der Stadt St.Gallen vermieteten Atelier im Palace-Gebäude gemäss eigener Aussage «arische Kunst» produziert. In den sozialen Medien, vorwiegend Facebook, äusserte sich der 2002 in die Schweiz migrierte Mann zudem wiederholt rassistisch, volksverhetzend und antisemitisch.

Das Gebaren des Malers und Bildhauers schreckte die Mitmieter im Palace-Gebäude auf – darunter verschiedene Gewerkschaften, aber auch die SP und mehrere Kommunikationsagenturen. Elf Mietparteien, insgesamt 17 Personen, wandten sich im November mit einem Brief an die Stadt und forderten diese auf, den Mietvertrag mit dem Künstler sofort aufzulösen und rechtliche Schritte zu prüfen.

Markus Buschor, der das heisse Dossier im Januar von Neo-Stadtpräsidentin Maria Pappa erbte, entschied nach einer persönlichen Unterredung mit dem Künstler, dass dieser bleiben dürfe. Buschor sagt, er habe den Deutschen aber «unmissverständlich auf die Mietersorgfaltspflichten hingewiesen».

Grabenhalle solidarisiert sich mit Palace-Mieterkollektiv

Weil die Mieterinnen und Mieter mit dem laxen Vorgehen des Stadtrats nicht einverstanden waren, wandten sie sich daraufhin erneut an Baudirektor Buschor – und legten neue Postings des Künstlers vor, die er auf Telegram veröffentlicht hatte. Darin äussert sich der 69-Jährige erneut antisemitisch, bezeichnet etwa den deutschen Fussballbundestrainer Joachim Löw als Juden, der den Fussball zerstören wolle. Und Gott sei in Tat und Wahrheit der Satan.

Die Stadt gehe den neuen Vorkommnissen nach und prüfe eine Kündigung, sagte Stadtrat Buschor Ende Mai und stellte einen Entscheid Anfang Juni in Aussicht. Aufgrund der Berichterstattung meldete sich auch das Team der Grabenhalle zu Wort und solidarisierte sich mit den aufgebrachten Palace-Mieterinnen und -Mietern. Es dürfe keinen Platz für Rassismus, Antisemitismus und rechte Hetze geben.

Die Aussagen des Mieters des Palace-Ateliers hätten die Grenze freier Meinungsäusserung längst überschritten und seien «unverhohlen rassistisch und antisemitisch». Umso befremdlicher sei es, dass die Stadt so lange zögere und zaudere, schrieb das Team der Grabenhalle in ihrer Mitteilung. Insbesondere in einem Atelier, das durch günstige Mieten unterstützt werde. «Wir haben keinen Bock, rassistische und antisemitische Hetze mitzufinanzieren», so das Grabenhalle-Team.

Künstler brüskiert Stadtrat und Mietparteien

Vergangene Woche hat die Stadt dem unbequemen Mieter nun die Kündigung für das Atelier im Palace-Gebäude ausgesprochen. Baudirektor Markus Buschor sagt:

«Die Stadt hat ihm ordentlich gekündigt, da er die Mietersorgfaltspflichten verletzt hat.»

Zu den Details, was genau den Ausschlag für den Entscheid gegeben hat, will Buschor keine Auskunft geben. Er betont jedoch, dass die Kündigung nur mit mietrechtlichen Verfehlungen des 69-Jährigen in Verbindung stehe, nicht aber mit dessen umstrittenen Äusserungen.

Einen Hinweis, was zum Rauswurf des streitbaren Künstlers geführt haben könnte, liefert dieser gleich selbst. Er wittert Rufmord und schreibt auf Telegram: «Ein Konglomerat aus vermeintlich Linken, Deutschenhassern und Menschenhassern im Verbund mit der Stadtregierung und der einzigen Tageszeitung des Kantons versucht, einen deutschen Künstler in den Tod zu jagen, um sich anschliessend gegenseitig die blutigen Hände in vermeintlicher Unschuld zu waschen.» Er bezeichnet die im Fall Involvierten als «Schande für die Menschheit».

Die verbalen Ausfälligkeiten dürften für den Stadtrat Grund genug gewesen sein, das Mietverhältnis mit dem Künstler aufzulösen. Keinen Einfluss auf den stadträtlichen Kündigungsentscheid habe im Übrigen die Solidaritätsaktion der Grabenhalle gehabt. «Diese war mir bis dato gar nicht bekannt und hätte aber bei der Beurteilung des Sachverhalts auch keine Rolle gespielt», sagt Buschor am Telefon.

Staatsanwaltschaft: «Von Amtes wegen Verfahren eröffnet»

Von einer Strafanzeige will der Baudirektor aber nichts wissen. «Ich sehe keinen Anlass dazu.» Eine juristische Beurteilung sei nicht Aufgabe des Stadtrats, sondern der Staatsanwaltschaft. Diese hat in der Zwischenzeit auch reagiert, denn Verstösse gegen die Antirassismusstrafnorm sind ein Offizialdelikt, müssen also von den Strafbehörden in jedem Fall aufgegriffen werden.

Beatrice Giger, Mediensprecherin der St.Galler Staatsanwaltschaft, sagt:

«Die Staatsanwaltschaft hat aufgrund der erfolgten Berichterstattung von Amtes wegen ein Verfahren eröffnet, welches derzeit pendent ist. Ob sich der kritisierte Künstler strafbar gemacht hat, wird nun abgeklärt.»

Weitere Aussagen kann Giger aufgrund des laufenden Verfahrens aktuell nicht machen.

Die Kündigung des Mietvertrags nehmen die elf Mietparteien, die gegen den 69-Jährigen mobil gemacht hatten, erleichtert zur Kenntnis. Doch die Mieterinnen und Mieter legen die Hände nicht in den Schoss. Am Samstag hat ein Mieter eine Anzeige wegen Rassendiskriminierung bei der Stadtpolizei deponiert. Auf Anfrage heisst es, man habe sich von Beginn an eine juristisch saubere Abklärung über die Staatsanwaltschaft gewünscht.

«Weil diese von Seiten der Stadt bis heute nicht angestossen wurde, haben wir nun selbst Strafanzeige erstattet.»

Der Künstler war für eine Stellungnahme nicht verfügbar. Sein Telefonanschluss ist blockiert.