Schaumschlägerei mit Neonazis

St. Galler Tagblatt: Leitartikel: Wie die Nazis Polizei und Geheimdienst vorführen, Ausgabe vom 22. Oktober

Da platzt doch selbst dem glühendsten Verfechter demokratischer Werte der Kragen: Was und vor allem wie Chefredaktor Stefan Schmid in seinem Leitartikel «Wie Nazis Polizei und Geheimdienst vorführen» schreibt, ist auf der untersten Stufe der Boulevardpresse anzusiedeln. Da überschlagen sich Begriffe und Konstrukte wie «…brauner Mob… Sieg-Heil-Party… frivoles Treiben… testosterongeschwängerte Partygäste… Schweiz als Partymeile…» und so weiter. Kurz, viel wohlfeile Schaumschlägerei und wenig sachliche Kommentierung einer ernsten Angelegenheit. Völlig ins Abseits manövriert sich Chefredaktor Schmid mit der Behauptung, dass die Herren Fredy Fässler und Bruno Zanga «kraftmeierisch» (!) ankündigten, solche Anlässe nicht mehr zu tolerieren, um dann unverfroren fortzufahren, «…nur glaubwürdig ist die Ankündigung nicht». Das konfuse Fazit hätte sich der Autor ganz sparen können, werden darin doch nichts als zur Genüge bekannte «Déjà-vus» wiedergekäut. Es überkommt einen schlicht das grosse Staunen, dass Derartiges auf der Titelseite dieses Blatts erscheint. Das ist eine journalistische und redaktionelle Blamage.

Das ganze Affentheater wegen des Rechtsrockkonzerts ist völlig lächerlich. Allerdings haben sich viele opportunistische Politiker entlarvt. Ihr Gelaber heisst im Klartext, sie wollen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit abschaffen und die Zensur einführen. Um den bürokratischen Aufwand dafür klein zu halten, sollte man die nötigen Kompetenzen dem Herrn Bernheim aus Zürich übergeben.

Mich wundert: Dass Neonazis in der Ostschweiz scheinbar auf grosse Toleranz stossen. Oder warum gab es kaum Aufschreie in der Region selbst? Dass das lokale Gewerbe gern an solchen Veranstaltungen Geschäfte macht (Hoteliers, Getränkehandel, Carunternehmen) – Geld stinkt bekanntlich nicht. Dass lokale Behördenmitglieder von «ein wenig naiv» sprechen und nicht von Unvermögen. Dass die Kantonspolizei bei einer Veranstaltung mit 6000 Leuten von einem «privaten Anlass» spricht. Zeigen wir Rückgrat und lassen nicht zu, dass sich der braune Sumpf in diesem Land ausbreitet!