Nach den Taten kommen die Worte

BZ

19. März 2002Die Demo vom Samstag hat ein politisches Nachspiel: Die Rechte fordert eine Aufrüstung der Polizei. Die Linke verurteilt die Polizeigewalt. Und in der Reitschule will man weitermachen wie bisher. Astrid Tomczak-Plewka Für Kurt Wasserfallen war der Fall schnell klar: «Die Brut aus der Reitschule hat einmal mehr die Stadt terrorisiert», erklärte der freisinnige Polizeidirektor am Sonntag die Ausschreitungen vom Vorabend. Damit lieferte er den bürgerlichen Hardlinern das Stichwort und brachte die politische Linke in Fahrt. Denn so einfach wie für Wasserfallen präsentiert sich die Situation nach der Demo nicht für alle. Klar ist bei den Parteien nur eines: Das Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit. «Wir lehnen jegliche Gewalt ab und erwarten, dass dies auch die politische Linke tut – egal von welcher Seite die Gewalt kommt», sagt Stadtrat Ueli Haudenschild, Fraktionschef der FDP. Bei der SP rennt er mit diesem Aufruf laut Copräsidentin Margrith Beyeler offene Türen ein: «Wir haben schon oft gesagt, dass wir keine Gewalt dulden – weder von rechts noch von links», betont sie.«Gezielte Provokationen»Doch in der Beurteilung der Ereignisse vom Samstag scheiden sich die politischen Geister. Die Junge Alternative «empfindet den Polizeieinsatz als skandalös», wie es in einem Communiqué heisst. Auch die Juso «verurteilt den absolut unverhältnismässigen Polizeieinsatz. Auf den erwarteten und nicht erfolgten Gewaltausbruch seitens der Demonstranten reagierte die Polizei mit gezielten Provokationen und roher Gewalt», heisst es in einem Communiqué. Moderater sind die Töne da schon bei der Mutterpartei. «Die Rolle der Polizei ist sehr schwierig zu beurteilen», meint Beyeler. «Man musste die Demonstrierenden sicher stoppen, aber ob der Einsatz verhältnismässig war, vermag ich nicht zu beantworten.»Panzerfahrzeuge, KamerasDie Bürgerlichen rechtfertigen hingegen den Polizeieinsatz vollumfänglich. «Das Vorgehen der Polizeikräfte war richtig. Sie haben alles daran gesetzt, die Situation unter Kontrolle zu halten.» Für Simon Glauser, Präsident der Jungen SVP, hingegen hätte die Polizei schon früher einschreiten müssen.«Aber dazu fehlen ihr die Möglichkeiten.» Glauser fordert deshalb, die Polizei aufzurüsten und zwar sowohl materiell – «gepanzerte Fahrzeuge» – wie personell. Glauser denkt auch laut darüber nach, Videokameras einzusetzen und Leute zu fichieren, «damit wir wissen, mit wem wir es zu tun haben». Im Visier hat Glauser zudem den «rechtsfreien Raum» Reitschule. «Die Demoorganisatoren bereiten die Krawalle dort vor und ziehen sich dann wieder dorthin zurück.» Zwar hätte die Ikur (Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule) Kompromissbereitschaft gezeigt und mit der Stadt verhandelt. «Aber offenbar wird die Ikur von gewaltbereiten Linken missbraucht. Wenn das so weiter geht, muss man sich überlegen, das Gebäude unter eine andere Leitung zu stellen.» Diese Anliegen sollen laut Glauser auch im Parlament diskutiert werden.«Ein bisschen» rechtsfreiMit dem bürgerlichen Vorwurf ein Hort linker Gewalt zu sein, ist die Reitschule nicht zum ersten Mal konfrontiert. Doch sogar SP-Copräsidentin Beyeler findet «ein bisschen» treffe der Begriff des rechtsfreien Raums ja schon zu. Allerdings ist es für Beyeler klar, «dass die Gewalt dort nicht geduldet wird. Vielleicht müsste sich die Ikur nochmal ganz klar davon distanzieren».Bei der Ikur sieht man allerdings keinen Anlass dazu. «Es hat zwar Sprayereien gegeben. Aber es gab keine Krawalle und Randale. Und es ging nie gegen Menschen», sagt Agnes Hofmann von der Ikur. «Die einzige Gewalt kam von der Polizei.» Sie selber habe immer wieder mit dem Einsatzleiter von der Polizei gesprochen. «Wir waren uns einig, dass die Einkesselung nichts bringt», sagt sie. Doch der Einsatzleiter befolgte die Weisung des Polizeidirektors. Und die lautete: «Teilnehmer anhalten, kontrollieren und auf Landfriedensbruch verzeigen.» Reitschule bleibt auf KursDie Ikur will sich nicht von «rechtsbürgerlichen Politikern» den Kurs diktieren lassen. «Die Antifa ist Teil der Reitschule und das soll auch so bleiben. Wir sind nicht bereit, uns auf Grund des Drucks rechter Politiker von dieser Demo zu distanzieren», sagt David Böhner von der Ikur – und doppelt nach: «Die Reitschule wird weiterhin ein Raum für ausserparlamentarische linke Politik sein.»