Kein Platz für einen ideologischen Redner

Bündner Tagblatt. An der Churer Dekanatsversammlung wird ein Redner ein- und wieder ausgeladen. Ihm wird antisemitische Gesinnung vorgeworfen.

Ein katholischer Priester aus Graubünden bekommt vergangene Woche eine Einladung und weiss beim Lesen nicht, ob er schreien oder weinen soll. In dieser schwierigen Entscheidungsfindung kommt er zum Schluss, sich bei den Medien zu melden. Die Öffentlichkeit müsse informiert werde, so der Herr Pfarrer. Denn «Politikerinnen und Politiker sind besorgt über rechtsextreme Strömungen, und Geistliche fördern diese durch Einladungen zu öffentlichen Vorträgen». Das dürfe nicht passieren.

Kommenden Mittwoch findet die Vollversammlung des Dekanats Chur statt. Mit dabei sind Priester, Diakone sowie Mitarbeitende in der Seelsorge des Bistums Chur. Helmut Gehrmann, Pfarrer von Trimmis und Dekan, lud als Gastredner Markus Krall ein. Dieser hätte über die «Fünf Säulen zum Erhalt einer freiheitlich-christlichen Gesellschaftsordnung» referieren sollen. Hätte, denn in der Zwischenzeit war die Einladung zur Herbstversammlung in der Theologischen Hochschule Chur (THC) eingetroffen. «Auch die Kolleginnen und Kollegen im Lehrkörper der THC sind Mitglied der Dekanatsversammlung Chur», sagte Christian Cebulj, Rektor der THC und Professor für Religionspädagogik und Katechetik, zum Onlineportal kath.ch. Der Name Markus Krall sei ihm aufgefallen.

Theologische Pflicht

Cebulj beliess es nicht dabei und grub sich tiefer hinein in das Leben des Markus Krall. Seine Recherchen deckten Kralls Hintergrund auf und dieser ist gelinde gesagt nicht ohne. Noch am Samstagvormittag habe Dekan Gehrmann den Referenten als unbescholtenen Mann und hingebungsvollen Familienvater verteidigt und an Kralls Einladung festhalten, so Cebulj. Dabei habe er den Trimmiser Pfarrer informiert, dass Krall laut «Zeit-Online» massgeblich an der Finanzierung der Partei AfD Deutschland beteiligt sei. Dass er mit Verschwörungstheorien sympathisiere. Dass er die Kirchensteuer ebenso wie die parlamentarische Demokratie abschaffen wolle. Und dass er sich auf Twitter als intellektuellen Krawallmacher bezeichne. «Ich hielt es für meine politische und theologische Pflicht, den Dekan darauf hinzuweisen, dass ein Redner mit solch reaktionären Positionen nichts auf einer Dekanatsversammlung verloren hat», so Cebulj. «Im Leitbild der Theologischen Hochschule steht, dass wir eine zeitsensible und lebensweltlich verankerte akademische Theologie betreiben. Dazu gehört eben auch unsere politische Pflicht, auf ideologische Tendenzen in Kirche und Gesellschaft hinzuweisen.»

Mittlerweile ist Krall wieder ausgeladen. Aber erst die Aufforderung von Jürg Stuker, Generalvikar des Bistums Graubünden, auf Druck von Cebulj hat Gehrmann dazu bewogen, den Vortrag abzusagen.

Unsoziale Vorstellungen

Die Ankündigung, dass Krall als Referent bei der Dekanatsvollversammlung im Bistum Chur auftreten sollte, schaffte es auch auf die internationale Onlineplattform «Dokumentationsarchiv dokamz – fascism is not an opinion, facism is a crime», übersetzt: Faschismus ist nicht eine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen. Tatsächlich gibt es zu Krall mehr zu sagen als nur die Nähe zur AfD. Auf Anfrage von «kath.ch» erklärte Michael Blume, Religions- und Politikwissenschaftler und Beauftragter gegen Antisemitismus der Landesregierung von Baden-Württemberg: «Markus Krall verbreitete Verschwörungsmythen über eine angebliche Kulturmarxismus-Weltverschwörung der deutsch-jüdischen Frankfurter Schule.» Auch für das jüdische Wochenmagazin «Tachles» war die Einladung Kralls einen Artikel wert. Der Rechtslibertäre Krall habe beispielsweise dezidierte unsoziale Vorstellungen. «Allen Menschen, die Geld vom Staat beziehen, möchte er das Wahlrecht entziehen», so «Tachles». Und auch von den Kirchen halte er wenig: Sie würden sich mit dem «Mainstream gemein» machen: Die Kirchenvertreter würden auf die angeblich feministische, aber in Wahrheit frauenverachtende Genderideologie hereinfallen.

Krall ist übrigens Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Er ist neben dem Malteserorden einer von zwei päpstlichen Ritterorden. Die Zeitung «Frankfurter Allgemeine» schrieb kürzlich: «konservativ, katholisch, elitär verbunden. Das sind die Ritter des Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Ihre Aufgabe: Sammeln und im Nahen Osten die Fahne der Christenheit hochhalten. Auch jetzt, auch im Krieg.»