Ist die Durchsetzungsin­itia­ti­ve «unverzichtbar» oder «hartherzig»?

Der Landbote: Zur Durchsetzungsinitiative

Abstimmung am 28. Februar

Die SVP lancierte 2012 die Durchsetzungsin­itia­ti­ve «Endlich Sicherheit schaffen, Ausschaffung krimineller Ausländer», die dann mit 159 000 Unterschriften eingereicht wurde. Der Initiativtext versucht auf ganzen vier Seiten aufzuzeigen und zu erklären, welche Auswirkungen diese In­itia­ti­ve haben könnte. Dass alle Unterzeichneten den langen Text gelesen und die Konsequenzen erkannt hätten, ist kaum zu glauben.

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wurde auch von der Schweiz ratifiziert und, soweit die Menschenrechte betroffen sind, in Gesetze und deren Anwendung übernommen. Sie steht für ein gutes, gerechtes Zusammenleben in Europa und auch in der Schweiz und am Gerichtshof der EMRK in Strassburg wirken auch zwei schweizerische Richter mit.

Bei einer Annahme der In­itia­ti­ve würden die in der EMRK verankerten Menschenrechte stark beeinträchtigt. Das hätte in der Schweiz nicht nur eine grosse Rechtsunsicherheit bezüglich Menschenrechten zur Folge, auch die allgemeine Rechtssicherheit und die Glaubwürdigkeit der Schweiz in den internationalen Beziehungen erlitten enormen Schaden.

Die In­itia­ti­ve wäre auch ein destruktiver Schlag für alle Ausländer und Secondos. Sie könnten wegen zweier Bagatelldelikte innerhalb von zehn Jahren kriminalisiert, ihrem vertrauten Umfeld entrissen, ausgeschafft und damit entwurzelt werden, unbesehen ihrer Nationalität, ihrer Integration und Aufenthaltsdauer in der Schweiz.

Diese hartherzige und unmenschliche In­itia­ti­ve brüskiert und missachtet unser vom Volk gewähltes Parlament, verunsichert das schweizerische Rechtswesen und bringt mit der Bezeichnung «Ausländer» Unfrieden in unsere Bevölkerung. Sie stellt unser Land in einer herausfordernden Si­tua­tion vor viele neue zusätzliche Unsicherheiten und verfehlt damit das Ziel der Sicherheit vollständig.

Deshalb sind alle Schweizer und Schweizerinnen aufgerufen, die Durchsetzungsin­itia­ti­ve abzulehnen und zu unserer jetzigen Bundesverfassung zu stehen. Diese beginnt mit den Worten «Im Namen Gottes des Allmächtigen», sie misst die Stärke des Volkes am Wohl des Schwächsten und proklamiert den Schutz der Menschenwürde und die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Diese Werte sind der tragende Rahmen für unsere Freiheit und unsere Heimat.

Johannes Herter-Leu, Andelfingen

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Hektik kommt dann auf, wenn die Zeit schon abgelaufen ist für die Erledigung einer Pendenz. Die Ausschaffungsin­itia­ti­ve wurde im Jahre 2010 von Volk und Ständen angenommen, gleichzeitig wurde ein Gegenvorschlag mit Härtefallregelung verworfen. Unmittelbar nach der Abstimmung teilte die zuständige Bundesrätin Sommaruga mit, sie werde dafür sorgen, dass die Umsetzung rasch erfolge.

Was ist seit dem Versprechen der Umsetzung der In­itia­ti­ve passiert? Seit Frühjahr 2015 liegt eine Umsetzungsgesetzgebung vor, ein zahnloser Papiertiger, der dem seinerzeitigen abgelehnten Gegenentwurf entspricht. Die Härtefallklausel – und zwar auch bei den Schwerstdelikten – wurde wieder aufgenommen. An konkreter Umsetzung ist sonst gar nichts passiert und das ist himmeltraurig.

Täglich müssen wir von Gewalttaten krimineller Ausländer lesen und hören. Im Jahre 2014 hatten gemäss Kriminalstatistik 73 Prozent der Gefängnisinsassen keinen Schweizer Pass. Bei Einbrüchen beträgt der Ausländeranteil 73 Prozent, bei Vergewaltigungen 61 Prozent und bei Tötungsdelikten fast 58 Prozent.

Im Volk ist ein grosses Unbe- hagen über das lasche, ja schlampige Anpacken der zunehmend massiven Kriminalität durch unsere Behörden, Politiker und leider auch Richter festzustellen (richten milde und täterfreundlich im Namen des Volkes, alles dreht sich um Resozialisierung und Therapierung). Anstatt endlich landesweit und international klare Signale auszusenden, dass Verbrecher in unserem Land härter angepackt werden, nehmen Politiker ausländische Verbrecher indirekt in Schutz. So darf beispielsweise – nach einem Postulat von linken Gemeinderäten der Stadt Zürich – die Herkunft von Tätern bei Meldungen der Stadtpolizei keine Erwähnung mehr finden.

Wieder einmal – so zeigen erste Abstimmungsprognosen zur Durchsetzungsin­itia­ti­ve – zieht sich ein Graben zwischen der Mehrheit der Bevölkerung und dem Grossteil der Politiker inklusive Medien durch unser Land. Oder alle gegen die SVP.

Sommaruga sieht bei Annahme der In­itia­ti­ve den Rechtsstaat in Gefahr, in den Medien werden absurde Beispiele über Velos und Äpfel klauende Secondos angeführt, die nach der «Tat» sofort ausgewiesen werden. Secondos sind immer noch Ausländer, die übrigens auch schon heute nach schweren Delikten ausgewiesen werden (könnten).

Ich frage mich: Wer setzt sich in unserem Land noch für das eigene Volk und seine Sicherheit ein? Es ist legitim, wenn die Stimmbürger die Sicherheit der Schweizer höher gewichten als die Interessen der ausländischen Kriminellen und deshalb ein Ja zur Durchsetzungsin­itia­ti­ve in die Urne legen.

Karl Meier-Zoller, Effretikon

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Bereits im vergangenen Jahr äusserte sich unsere damalige Bundespräsidentin und Justizministerin zur anstehenden Initiative. Sie brachte ein Beispiel, in dem jemand, der einen Joint weitergebe, aufgrund der In­itia­ti­ve ausgeschafft werden müsse. Frau Sommaruga ist nicht Juristin, auch wenn sie diesem Departement vorsteht. Ein solches absolut unrealistisches Beispiel hätten ihre juristischen Berater abblocken sollen, da Übertretungen im strafrechtlichen Sinne keine kriminellen Handlungen sind und demzufolge auch keine Ausschaffung nach sich ziehen können.

Solche Beispiele bringen nun weitere Personen. Nationalrat Andrea Caroni (FDP) aus dem Appenzellischen hat vor kurzem ein ähnliches Beispiel gebracht. Er, der Jurist und Absolvent der Harvard-Universität ist, bringt ein ähnliches Beispiel. «Wer einem Nachbarn einen Apfel klaut, kann ausgeschafft werden, wenn er zuvor schon einmal wegen einer Geschwindigkeitsübertretung von wenigen km/h gebüsst worden ist.» Wenn ein hochstudierter Jurist ein solches falsches Beispiel öffentlich und am Fernsehen vorbringt, ist dies bewusste Irreführung der Bevölkerung und somit äusserst bedenklich.

Auch Gemeindepräsident und Volksschullehrer Thomas Ziegler (SP) aus Elgg bringt in einem Leserbrief vom 8. Januar ein ähnliches Beispiel. Er stellt infrage, weshalb ein Secondo wegen eines Kioskeinbruchs und einer weiteren Bagatelle aus dem Land verwiesen werden soll.

Bereits die frühere, angeblich harte Praxis des Landesverweises war ein Papiertiger. Ein früherer «Kunde» oder, wie es heute heisst, «Klient» von mir, der wegen wiederholter Delikte zu einer Gefängnisstrafe von mehreren Jahren mit anschliessendem Landesverweis von zehn Jahren verurteilt wurde, wurde nach Verbüssung von drei Viertel der Strafe bedingt, d. h. auf Bewährung, entlassen. Dabei wurde – ganz normal – auch die Nebenstrafe, d. h. die Landesverweisung, aufgeschoben. Ich erfuhr später, dass er nach Ablauf der Probezeit ein Einbürgerungsgesucht gestellt hatte, ohne je einen Fuss ins Ausland gesetzt zu haben.

Dies ist kein Einzelfall, sondern Praxis. Landesverweisungen als Nebenstrafe wurden praktisch nie vollzogen, weil auch ganz selten eine Strafe voll verbüsst werden musste. Aus diesem Grunde stehe ich mit einem Ja zur Durchsetzungsinitiative, um solche juristischen Tricks unmöglich zu machen.

Eugen Fritz, ehemaliger Leiter kantonales Strafregister Zürich, Winterthur

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Ende Februar haben wir die Wahl: Ein Ja zur Durchsetzungsin­itia­ti­ve steht für Ausschaffungen auch bei Härtefällen, ein Nein für Ausnahmen genau dafür. Nur: Eigentlich hat das Volk bereits dar­über entschieden. Nicht 2010, sondern schon 1999. Damals wurde nämlich unsere historisch gewachsene Rechtsordnung vom Volk deutlich bestätigt und damit auch die generelle Härtefallklausel. Diese Härtefallklausel ist «Jus Cogens», das heisst, sie steht über der restlichen Verfassung und dem Gesetz und kann selbst vom Souverän nicht wieder abgeschafft oder abgeschwächt werden. Die entsprechende Passage in der Durchsetzungsin­itia­ti­ve wurde dar­um für ungültig erklärt.

In Tat und Wahrheit macht es also fast keinen Unterschied, wie wir abstimmen. Die Zahlen, die herumgereicht werden, gehen davon aus, dass die Richter bei Annahme der In­itia­ti­ve die Härtefallklausel nicht anwenden werden, aber das ist weltfremd.

Recht wahrscheinlich ist hingegen, dass die Richter eine Präzisierung der In­itia­ti­ve verlangen werden, und in dem Fall geht der Umsetzungszirkus von vorne los. Bei einem Nein hingegen ist die Umsetzung definitiv abgeschlossen. Mir persönlich reichen fünf Jahre, und dar­um stimme ich mit Nein.

Falls Sie übrigens zustimmen wollen, um ein Zeichen gegen die Grapscher zu setzen, dann muss ich Sie enttäuschen: Das ist nach der Durchsetzungsin­itia­ti­ve kein Grund für eine Ausschaffung. Und sowieso: Jede Initiative, die nur angenommen wird, um ein Zeichen zu setzen, ist Wasser auf die Mühlen der Demokratiegegner. Und die werden immer lauter, gerade in der Schweiz.

Christof Bürgi, Winterthur

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Die erschreckenden Übergriffe von jungen Männern aus dem arabischen Raum auf Frauen in Köln, aber auch in Zürich, sind traurig und abscheulich.

Es zeigt sich, dass bei der Integration von jungen Männern aus patriarchalischen Kulturen auf zwei Gleisen gefahren werden sollte, so wie es Allan Guggenbühl beschreibt: einerseits Information und Aufklärung, andererseits aber auch konsequentes Ahnden von Delikten bis zur Ausschaffung ins Heimatland.

Was hat das mit der Durchset- zungsin­itia­ti­ve zu tun? Es zeigt sich, dass wir Schweizer mit der direkten Demokratie bis jetzt gut gefahren sind: Die Ausschaf- fungsin­itia­ti­ve der SVP hat die Leute aufgerüttelt – und es ist gut, dass eine Partei, die nicht rechtsextrem ist, immer wieder auf wunde Punkte hinweist, welche die Integration von Ausländern betreffen.

Andererseits überspannt die SVP mit der Durchsetzungsin­itia­ti­ve den Bogen – sie ist zu extrem und widerspricht einem gut ausgewogenen, vernünftigen Mittelweg zwischen freundlichem Wohlwollen und der klaren Setzung von Grenzen.

Auf diesem Weg sind wir bis jetzt gut gefahren, und die Schweiz kann stolz sein , wie sie die Multikulturalität lebte und umsetzt. Die Durchsetzungsin­itia­ti­ve ist ein Schritt zurück – die jetzigen Gesetze reichen bestens aus, Probleme sinnvoll zu lösen.

Heiner Blattmann, Winterthur