Die rechtslibertären Propagandamaschinen

bajour.

Rechte Politiker*innen tarnen sich im Kleid des Journalismus und machen anderen zum Vorwurf, was sie selbst sind: abhängig. Ein Kommentar.

Andrea Fopp

Handeln wir zuerst das berühmt-berüchtigte Video des Ringier-CEOs ab, das der «Nebelspalter» als Erstes publizierte. Ja, es ist hanebüchen, dass Geschäftsführer Marc Walder grundsätzlich Journalist*innen die Corona-Strategie seines Medienkonzerns erklärt. Walder habe allen Redaktionen die Anweisung gegeben, die Regierungen zu unterstützen: «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.›»

Ich interpretiere das so: Walder wollte Blick und Co. davon abhalten, Kleinigkeiten zu Skandalen aufzublasen, wie man das sonst gerne – gerade im Boulevard – tut. Ob der CEO die Chefredaktionen tatsächlich entsprechend ins Gebet genommen hat, ist unklar. Mit Sicherheit lässt sich sagen: Seine Worte waren schlicht dumm, ein CEO hat sich aus der Redaktion rauszuhalten. Alles andere ist unjournalistisch. Punkt.

Doch was jetzt einige «Journalist*innen» aus dem ein Jahr alten, geleakten Video machen, ist schlicht Propaganda. Und zwar gegen das Medienpaket, über das wir im Februar abstimmen. 

Es gibt legitime Gründe, das Mediengesetz abzulehnen. Dieses Video ist keiner. Es hat null Zusammenhang mit dem Gesetz, das übrigens keinen Spielraum für eine staatliche Beeinflussung der Redaktionen gibt, auch wenn das die Gegner*innen gern behaupten.

Jö, wie herzig

Sowieso ist es sehr herzig zu beobachten, welche Medien am lautesten die Unabhängigkeit der Medien infrage stellen und für sich reklamieren, sie seien die wahren Vertreter eines «staatskritischen» Journalismus.

Es gibt zwar im Nein-Komitee einzelne unabhängige, seriöse und zu respektierende journalistische Redaktionen wie Primenews. 

Mehrheitlich sind es aber Medien, die sich zwar Journalist*innen nennen, eigentlich aber a) eine politische Agenda und b) politisch motivierte Geldgeber*innen haben. Namentlich die Weltwoche und der Nebelspalter, sowie noch ein paar Verdruckte wie die Ostschweiz. Was alle vereint ist die – höchst unjournalistische – Intransparenz. Bei Ringier weiss man wenigstens, wem der Verlag gehört, und kann sich empören, falls jemand Einfluss nimmt. Beim Nebelspalter weiss man nicht mal das.

Guete Daag, Herr Blocher

Mit solchen «Medien» kennen wir uns in Basel bestens aus. Hier versuchte sich die rechtslibertäre Propaganda, getarnt im Kleid des Journalismus, ebenfalls zu etablieren.

Im Jahr 2010 wurde Markus Somm, ehemaliger Weltwoche-Vize und Blocher-Biograf, Chefredaktor der Basler Zeitung. Nein, nein, beteuerte Somm am Anfang, Christoph Blocher stehe er zwar nahe, aber der Zürcher SVP-Patron habe seine Finger nicht im Spiel.

Später – und nach einer kleinen Runde über den Basler Strohmann Moritz Suter – kam raus: Blocher hatte nicht nur seine Finger, sondern auch seine Tochter und sein Geld im Spiel. Rahel Blocher hatte in die Zeitung investiert. Später gab man Somm selbst einige Aktien. Und auch ein weiterer rechter neoliberaler Staatsfeind war wieder beteiligt: Tito Tettamanti. 

Das ist derselbe Tessiner Financier, der die Weltwoche an den jetzigen Besitzer Roger Köppel verkauft hat. Tettamantis Ziel: Mehr rechte Artikel. Er erklärte es Autor Daniel Ryser in dessen Köppel-Biografie so: «Man muss die Ideen säen. Säen, säen, säen. Mit der ‹Weltwoche› haben wir eine Lücke gestopft. Die Lücke der rechten Opposition.»

Das hat er erreicht. Was dabei aber völlig verloren ging, ist die von der Weltwoche viel besungene Unabhängigkeit. Roger Köppel ist SVP-Nationalrat. Und ist sich trotzdem nicht zu schade, Gefälligkeitsinterviews mit Parteikollege, Trychler-Shirt-Model und Bundesrat Ueli Maurer zu machen. 

Es ist also ein schlechter Witz, wenn die Weltwoche nun mit dem Argument von «Staatsmedien» gegen das Mediengesetz kämpft. (Übrigens bekommt die Weltwoche bereits heute indirekte Subventionen in Form von Posttaxenverbilligung und strich reichlich Kurzarbeitsgeld während Corona ein).

Basel ist Blocher bekanntlich wieder los geworden. Und Markus Somm ebenfalls. Er ist wieder in Zürich und dreht jetzt den Nebelspalter nach rechts, mit Hilfe von 70 anonymen Investor*innen und einem Verwaltungsrat, der Steuerhinterziehung öffentlich als «legitim» bezeichnet hat, Konrad Hummler.

Es stellt sich also die Frage: Wer ist hier unabhängig? Und wer ist hier noch Journalist, der sich an die entsprechenden Regeln hält?

Journalist*innen hätten Pflichten

Markus Somm, auf jeden Fall, hat kürzlich erneut und unwidersprochen im BaZ-Podcast gesagt, was er vom Presserat hält: nichts. Der Presserat ist das Kontrollorgan, das über die Einhaltung der journalistischen Rechte und Pflichten wacht. Es ist ein reines Branchenorgan und besteht aus Journalist*innen verschiedener Medien.

Es sind diese journalistischen Pflichten, welche den Unterschied machen, ob ein Bericht der Propaganda oder dem Journalismus zuzuordnen ist. Erstere will politische Ziele erreichen und ist daher einseitig. Zweiterer will die Wahrheit erzählen und ist deshalb den Fakten und der Ausgewogenheit verpflichtet.

Wenn nun mächtige Männer wie Somm, die ihre Medien mit intransparenten Geldern finanzieren, dem journalistischen Handwerk abschwören, lässt das tief blicken. 

Vielleicht ist es kein Zufall, dass sie um alles in der Welt verhindern wollen, dass unabhängige Medien in den nächsten sieben Jahren staatliche Überlebenshilfe bekommen sollen. Der Presserat, und damit das schmerzhafte Überwachungsorgan, würde ebenfalls deutlich gestärkt werden. 

Die Rechten brauchen keine Medienförderung. Sie haben die Reichen. Und für reiche Rechte ist es viel praktischer, wenn allerorten Medientitel eingehen. Dann können sie in die Lücke springen und Redaktionen nach ihrem Gusto aufbauen und ihre Stimme verstärken. Stellt sich nur die Frage: Ist das dann noch Journalismus? Oder nur noch Propaganda?

KASTEN 1:

Transparenzhinweis: Bajour würde profitieren

Bajour ist Teil des Verbands Medien mit Zukunft, der das Medienförderungsgesetz unterstützt. Chefredaktorin Andrea Fopp engagiert sich ausserdem im Komitee «Demokratie und Medienvielfalt». Bajour geht davon aus, dass wir uns mit Medienförderung etwa 1,5 Stellen mehr leisten könnten (die Subvention beträgt 60 Prozent der selbst generierten Membereinnahmen). Bajour finanziert sich heute einerseits über eine Finanzierung durch die Stiftung für Medienvielfalt, über Spenden, andere Stiftungsbeiträge und aktuell 3100 Unterstützer*innen.

KASTEN 2:

Medienförderung. Darüber stimmen wir ab

Der Nationalrat hat im Sommer 2021 ein Paket zur Medienförderung verabschiedet. Während sieben Jahren werden die Medien in der Schweiz direkt und indirekt mit 120 Millionen Franken mehr gefördert als bisher, beispielsweise durch Posttaxenverbilligung. Auch die Beiträge des Gebührensplittings von Radio und TV, also die nach Versorgungsgebieten aufgeschlüsselten Konzessions-Gelder, werden erhöht.

Neu am Gesetz: In Zukunft sollen auch Onlinemedien wie Bajour profitieren, für sie sind 30 Millionen Franken vorgesehen. Ebenso sollen auch Nachrichtenagenturen wie Keystone-SDA und die Medienausbildung gefördert werden.

Das Komitee «Staatsmedien Nein» hat dagegen das Referendum ergriffen, abgestimmt wird am 13. Februar 2022.