Ueli Maurer von Kollegen überstimmt

Basler Zeitung: Gesamtbundesrat ist der Meinung, dass Rechtsextremer eine Waffe erhalten soll

SP-Nationalrätin Chantal Galladé ist enttäuscht. Der Bundesrat stützt das Bundesverwaltungsgericht auf ganzer Linie. Dieses hat im Mai entschieden, dass ein junger Tessiner mit rechtsextremem Gedankengut eine Waffe erhalten darf – gegen den Willen der Armee. Prompt reichte Galladé einen Vorstoss ein, mit dem sie gerichtlich festschreiben will, dass gewaltverherrlichende Extremisten kein Sturmgewehr erhalten. Das Anliegen wird breit getragen – auch zahlreiche Bürgerliche unterstützen die Winterthurer Sicherheitspoli­tikerin. Über eine Änderung des Militärgesetzes will sie die «Inten­tion der Armee gerichtsfest festhalten».

Nun aber wehrt sich der Bundesrat gegen eine solche Änderung. Er verweist darauf, dass das Militärgesetz schon heute zum Ziel habe, Gewalt­delikte mit Armeewaffen zu verhindern. Nur Personen, die kein erhöhtes ­Gewaltpotenzial aufweisen, sollen eine persönliche Waffe erhalten. Bei der Personensicherheitsprüfung gehe es aber nicht darum, Personen mit extremen Ansichten eine Waffe zu verweigern und so aus der Armee auszu­schliessen. Nicht das Gedankengut, sondern das Risiko des Waffenmissbrauchs stehe im Fokus der Analyse. «Die Personen­sicherheitsprüfung ist keine Gesinnungsprüfung», betont der Bundesrat. «Jeder Person steht es frei zu denken, was sie will.» Sei das Gedankengut aber verknüpft mit Gewalt oder Drohungen, Diskriminierung oder Ausgrenzung, könne dies sicherheitsrelevant werden und zur Dienstuntauglichkeit führen.

«Gewaltverherrlichende Ideologie»

Mit dieser Antwort gibt sich Galladé nicht zufrieden: «Rechtsextremismus ist sehr wohl eine gewaltverherr­lichende Ideologie», sagt die Sozialdemokratin. Und das Militär müsse sicherstellen können, dass mögliche Risiken minimiert werden, wenn sie bekannt sind. «Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand links- oder rechtsextreme Ideologien vertritt», betont Galladé. Im Fall des Tessiners, dem die VBS-Fachstelle für Personensicherheitsprüfungen das Sturmgewehr verweigern wollte, zeige sich aber klar eine Rechtslücke. «Daher mache ich dem Gericht auch keinen Vorwurf», sagt sie. «Wenn aber ein Missstand besteht, ist es an der Politik, zu handeln.» Es dürfe nicht sein, dass Extremisten die Armee via Gericht zwingen können, ihnen ein Sturmgewehr in die Hände zu drücken.

Auch beim Militär ist man mit dem Urteil unzufrieden. Der Armeestab vertritt die Meinung, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung des Sicherheitsrisikos des Betroffenen nicht alle Umstände einbezogen hat. Der Armeestab zieht deshalb das Urteil mit Beschwerde ans Bundesgericht weiter. «Ich bin überrascht, dass sich der Bundesrat nun gegen Militär­minister Maurer stellt», kommentiert Galladé. Zumal vor der Abstimmung darüber, ob die Armeewaffe noch zu Hause aufbewahrt werden soll, angekündigt worden sei, bei der Abgabe von Armeewaffen künftig noch vorsichtiger vorgehen zu wollen.

Der Bundesrat aber bleibt bei seiner Haltung. Für ihn wäre es verfehlt, wegen eines Einzelfalls, der noch nicht rechtskräftig beurteilt ist, die Rechtsordnung zu ändern. Das Militärgesetz biete bereits ausreichend Sicherheit. Galladé sieht das anders: «Jeder Einzelfall kann zu viel sein», sagt die SP-Nationalrätin. «Warum sollten wir hier ein Risiko eingehen?» Sie rechnet sich im Parlament denn auch gute Chancen aus. Immerhin unterstützten auch Bürgerliche den Vorstoss. Und auch das Militärdepartement wolle diese Richtung einschlagen. «Wenige haben Verständnis dafür, dass solche Leute bewaffnet werden sollen», sagt Galladé.

623 Entwaffnungen

Bern. 2013 sind bei der Rekrutierung 1071 Risikoerklärungen für Stellungspflichtige abgegeben worden, was für die Betroffenen zur Dienstuntauglichkeit führte. Dazu kamen 117 Aus­­schlüs­­se aus der Armee wegen einer Risikoerklärung sowie 372 Nichtrekrutierungen und Ausschlüsse aus der Armee wegen eines Strafurteils ab 180 Tagessätzen. Wie der Bundesrat berichtet, wurde 623 Armeeangehörigen die persönliche Waffe abgenommen, weil Anzeichen auf einen drohenden Missbrauch bestanden.

dab