«Wir sind auf dem rechten Auge doch nicht blind!»

BernerZeitung

Stimmt der Vorwurf, dass die Armee auf dem rechten Auge blind ist? «Auf keinen Fall», sagt der Thuner Waffenplatzkommandant Hugo Räz. Das Problem bestehe darin, dass Rechtsextreme nicht

immer erkannt würden.

Hugo Räz, heute beginnt in Thun die Winter-Rekrutenschule. Sie müssen damit rechnen, dass unter den 1150 jungen Männern auch solche sein werden, die ein rechtsextremistisches, rassistisches Gedankengut vertreten. Ist das für Sie und Ihre Offiziere ein Thema?

Hugo Räz: Sicher: Alle Kader sind in dieser Hinsicht sensibilisiert und wachsam. Wir gehen zudem davon aus, dass schon bei der Rekrutierung rechtsextreme Anschauungen erkannt werden. Die betreffenden Männer rücken zwar in die Rekrutenschule ein, kommen für eine Kaderausbildung aber nicht in Frage. Wir sind auf dem rechten Auge ja nicht blind!

Glauben Sie tatsächlich, dass bei der Rekrutierung alle Rechtsextremen erkannt werden?

Nein, sicher nicht. Erst kürzlich wurde ein Fall von einem Anwärter publik, der in diesen Kreisen aktiv ist. Er hielt sich jedoch bedeckt. Er wurde geoutet, weil einer seiner Vorgesetzten ihn auf einem Bild in der Zeitung erkannte. Dieses Bild wurde veröffentlicht, weil der Mann vor Gericht stand. An diesem Tag hatte er Urlaub beantragt.

Gemäss einem Bericht der «SonntagsZeitung» war aber ein Soldat auf dem Waffenplatz Thun für eine Kaderausbildung vorgesehen ? obwohl er sich als Pnos-Mitglied geoutet hatte.

Ich kenne diesen Fall nicht im Detail. Da wären genaue Informationen des betreffenden Schulkommandanten notwendig.

Angenommen, ein Rekrut oder Soldat fällt durch rechtsextreme und rassistische Äusserungen auf ? was tun Sie?

Wir sind verpflichtet, die Fachstelle Extremismus zu informieren. Diese trifft weitere Abklärungen, und schliesslich müssen die Vorgesetzten entscheiden, wie sie mit dem Mann weiter umgehen wollen. Eine Massnahme besteht zum Beispiel darin, ihn so einzusetzen, dass man ihn im Auge behalten kann und dass er wenig Möglichkeiten hat, für seine Interessen zu werben. Man darf nicht vergessen, dass in der Armee heute auch Secondos und Männer mit einer anderen Hautfarbe Dienst tun. Die Milizarmee ist ein Spiegel der Gesellschaft. Was es im zivilen Leben gibt, gibt es auch im Militär. Das ist der grosse Vorteil der Milizarmee, aber auch ihre Schwäche.

Wäre es nicht viel einfacher, Neonazis einfach aus der Armee rauszuwerfen?

Das können wir nicht! Grundsätzlich hat jeder das Recht, Militärdienst zu leisten, wenn er für tauglich befunden wurde. Zudem gilt bei uns die Meinungsfreiheit. Auf der anderen Seite untersteht auch die Armee der Rassismus-Strafnorm. In ganz extremen Fällen besteht somit die Möglichkeit, einen Rechtsextremen ? nach Abklärung mit dem psychologisch-pädagogischen Dienst ? auszumustern.

Achten Sie und Ihre Kaderleute auch auf gewisse mehr oder weniger subtile Zeichen, mit denen sich Neonazis verraten?

Ja, erst kürzlich entdeckten wir, dass ein Soldat eine Pnos-Fahne ins Fenster gehängt hatte. Er musste sie sofort entfernen. Auch eine Glatze kann ein Zeichen für eine rechtsextreme Gesinnung sein. Wobei die Betonung auf «kann» liegt. Bei den Panzergrenadieren etwa gehört es zum guten Ton, sich den Schädel zu rasieren. Deswegen sind sie noch lange keine Neonazis!