«Klar fremdenfeindlich», aber nicht rassistisch

Bund

Der Burgdorfer Strafeinzelrichter Jürg Bähler ist der Ansicht, dass die Texte der rechtsextremen Band Indiziert nicht gegen die Antirassismusstrafnorm verstossen. Die Songs der Rechtsrockband Indiziert mögen «geschmacklos, moralisch fragwürdig, respektlos und beleidigend» sein ? strafbar seien sie nicht. Zu diesem Schluss kommt Strafeinzelrichter Jürg Bähler. Deshalb hat er das Strafverfahren gegen die Band aufgehoben.

In ihren Liedern besingen sie die «reine, weisse Schweiz», die von der «fremden Brut» befreit werden müsse. «Wir wollen unsere Rasse erhalten und andere Völker abspalten», heisst es in einem Song von Indiziert. Und anderswo: «Rassenvermischung ist Völkermord». Daher wolle man «Besatzern» aus anderen Kulturen «ohne Erbarmen den Garaus machen».

Die wenigen Zitate machen deutlich, wo die vier Mitglieder der Rockband Indiziert ? junge Männer aus dem Raum Emmental-Oberaargau im Alter zwischen 22 und 24 Jahren ? politisch stehen. Als «Patrioten» bezeichneten sie sich anlässlich der ersten Einvernahme durch den Burgdorfer Strafeinzelrichter Jürg Bähler, als «rechts denkend», «politisch rechts aussen», «eidgenössisch-sozialistisch» (vgl. «Bund» vom 20. September). Bähler hatte zu prüfen, inwiefern die vier mit ihren Texten, aber auch mit ihren Äusserungen in einem Interview mit der «Berner Zeitung» gegen die Antirassismusstrafnorm verstossen haben. Ausserdem lag eine Anzeige wegen öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit vor.

«Fremdenfeindliche Haltung»

Gestern teilte der Burgdorfer Richter in einem anderthalbseitigen Communiqué mit, zu welchen Schlüssen er gekommen ist. Kurz zusammengefasst: Einzelne Liedpassagen wiesen zwar «klar eine fremdenfeindliche Haltung auf», ein Verstoss gegen die Antirassismusstrafnorm (vgl. Kasten) sei aber «nicht nachzuweisen». Es lägen auch «keine genügenden Belastungstatsachen» vor, «die darauf hingewiesen hätten, dass es die Absicht der Angeschuldigten war, zu Verbrechen oder gewalttätigen Vergehen öffentlich aufzufordern». Daher habe er das Strafverfahren aufgehoben.
Bei der Prüfung der fraglichen Texte habe das Gericht differenzieren müssen «zwischen Textpassagen und Ausdrücken, die schlicht als geschmacklos, moralisch fragwürdig, respektlos und beleidigend beurteilt werden dürfen, und solchen, die mit Blick auf Artikel 261 bis strafrechtlich relevant sein konnten». Ausserdem sei zu klären gewesen, ob die Texte die Rassendiskriminierungsnorm verletzten oder ob allein eine fremdenfeindliche Haltung offenbart worden sei ? denn nicht jede fremdenfeindliche Handlung falle zwingend unter den Straftatbestand von Artikel 261 bis des Strafgesetzbuches.

«Keine stichhaltigen Beweise»

Unter dem Strich lägen «keine stichhaltigen Beweise» dafür vor, dass die Bandmitglieder gegen die Antirassismusstrafnorm verstossen hätten. Keine der Textpassagen richte sich explizit gegen eine bestimmte Gruppe von Personen, die von Artikel 261 bis geschützt wird, sondern «gegen kulturfremde Personen allgemein». Es lasse sich auch nicht nachweisen, dass die Angeschuldigten «eine Ideologie verbreitet haben, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet ist», schreibt Bähler weiter.
Eines der Bandmitglieder zeigte sich auf Anfrage erleichtert über den Entscheid des Richters. «Das hätten wir nicht unbedingt erwartet», sagte er unter Verweis auf den «öffentlichen Druck». Er und seine Kollegen seien «positiv überrascht». «Noch lieber wäre uns allerdings ein Freispruch gewesen» ? zumal es nie die Absicht der Band gewesen sei, durch einen Schuldspruch wegen Rassendiskriminierung zu «Szenemärtyrern» zu werden. «Wir waren nicht stolz darauf, vor Gericht zu stehen.» Schliesslich habe man den Inhalt der beiden Indiziert-CDs vom Inlandnachrichtendienst DAP prüfen lassen. «Wir wollten von Anfang an eine saubere Sache machen.»

Anwalt Kettiger ist überrascht

Weniger erbaut vom Entscheid des Richters zeigte sich gestern der Burgdorfer Anwalt Daniel Kettiger, der die Band Ende 2005 wegen Rassendiskriminierung und Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit angezeigt hatte. «Wenn diese Texte die Antirassismusstrafnorm nicht verletzen ? was dann?» Wenn Bähler im Einzelfall zum Schluss komme, dass keine konkrete Rasse, Ethnie oder Religion angegriffen werde, sei dies rechtlich korrekt, sagt Kettiger. Insgesamt aber mache sich Indiziert zumindest mit ihrer ersten CD «Eidgenössischer Widerstand» der Verbreitung einer rassistischen Ideologie schuldig. Zudem handle es sich bei der Aussage «Rassenvermischung ist Völkermord» seiner Meinung nach um die «kürzeste und perverseste Form der Holocaust-Leugnung» ? habe der Holocaust doch genau dem Ziel gedient, die Rassenvermischung zu verhindern.
Bemerkenswert findet Kettiger ferner, dass Bähler den Bruder des Indiziert-Sängers im August dieses Jahres wegen Rassendiskriminierung verurteilt hat, weil er in einem Aargauer Jugendtreff die rechtsextreme deutsche «Schulhof-CD» verteilt hatte. Die beiden CDs seien jedoch nicht vergleichbar, erklärt der Richter auf Anfrage. «Ich habe sie aber nach den genau gleichen Kriterien geprüft.»

so stehts im gesetz

Artikel 261 bis des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Rassendiskriminierung) lautet wie folgt: «Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind, (?) wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, (?) wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.» (bwb)