«Vom Juristen bis zum Handwerker»

BernerZeitung

Adolf Brack arbeitet beim Sicherheitsdienst der StadtpolizeiZürich, Abteilung Hooliganismus. Er äussert sich zur Szeneund erklärt, dass Hooligans dank Internet und Handy oft einenSchritt schneller sind.

*Interview: Fabian Ruch

BZ:Adolf Brack, wie ist die vier Mann starke SpezialeinheitHooliganismus der Stadtpolizei Zürich organisiert?

Alfred Brack: Ich habe dieses Gebiet während 25 Jahreneigentlich im Nebenamt betreut. 1990 wurde eine Fachgruppegegründet, man sah die Probleme der Stadt Zürich in Bezug aufdieses Thema und bewilligte zuerst zwei, schliesslich vierStellen. Wir haben mit den Grasshoppers und dem FC Zürich imFussball sowie mit dem ZSC und GC im Eishockey eine spezielleSituation, die solche Massnahmen der Polizei rechtfertigt.

Haben Sie also Dateien mit den einschlägig bekanntenHooligans gesammelt?

Wir sind daran, eine Kartei über Hooligans und sogenanntemilitante Schläger aufzubauen. In der Schweiz existiert aberim Gegensatz zu anderen europäischen Ländern ein sogenannterDatenschutz. Das erschwert diese Aufgabe deutlich, auch wennwir unsere Kenntnisse in den letzten Jahren stark vergrösserthaben. Die Kollegen in Ländern wie Belgien, Holland,Deutschland oder England, wo das Problem Hooliganismusweitaus verbreiteter ist, haben in diesem Zusammenhang indesviel mehr Möglichkeiten, gegen die Schläger vorzugehen.

Sind die Zusammenstösse am Donnerstag in Zürich die bishergrössten Vorfälle in der Schweiz? Was ist aus Ihrer Sichtgenau passiert?

Ich kann zu diesem Fall nicht fundiert Auskunft geben, weilich nicht alles mitverfolgen konnte. Es ist aber mitSicherheit der erste Fall, wo ein Polizeiaufgebot so massivangegriffen wurde. Die Polizisten wehrten sich zuerst mitWarnschüssen in die Luft, später mit Gummiknüppeln undschliesslich, als nach wie vor Steine geflogen kamen, mitTränengas. Es gab einmal nach dem Europacupspiel GC gegenCroatia Zagreb ähnliche Szenen, doch so unübersichtlich wares noch nie.

Es fällt auf, dass immer wieder Fans aus dem Tessin ansolchen Ausschreitungen beteiligt sind.

Das ist absolut richtig. Die Deutschschweizer können es nichtmit den Tessinern, und umgekehrt ist es genau gleich. Das istseit Jahren so, nicht nur Zürcher, auch Ostschweizer,Innerschweizer und Berner kämpfen gegen Tessiner Hooligans.Es gab Vorfälle in Zug oder Davos, wo Berner Fans nur zumProvozieren, Randalieren und Pöbeln zu Eishockeyspielen mitTessiner Beteiligung anreisten. Dort sind nicht vielePolizisten vor Ort.

Gibt es einen Grund für diesen Hass zwischen den einzelnenSprachregionen?

Man hat die Anhänger im Tessin über Jahre nicht richtigbehandelt und sie ausgegrenzt. Irgendwann konnte sich deraufgestaute Hass einfach nicht mehr entladen. Wir haben oftversucht, die Parteien an einen Tisch zu bringen, dochsämtlich Vermittlungsversuche scheiterten.

Wie lässt sich die Szene charakterisieren? Wie viele Leutezählen zum harten Kern?

Ich schätze, dass ungefähr 300 Männer dem eingefleischtenTeil zuzuordnen sind. Es gibt indes eine Vielzahl vonMitläufern, die in eine Auseinandersetzung geraten kann unddann keine Hemmungen hat, auch Fäuste sprechen zu lassen. Esist jedoch nicht so, dass die soziale Stellung der einzelnenHooligans besonders schlecht wäre. Vom Juristen bis zumHandwerker ist jede Berufsgruppe vorhanden.

Inwiefern zählen Hooligans zum rechtsradikalen Flügel?Sie sind nicht politisch tätig. Es gibt aber auch hier vonkrassen Linken bis zum faschistischen Rechten jede Richtung,doch das ist eigentlich nicht wichtig. Die Skinheads zumBeispiel haben das Heu gar nicht auf der gleichen Bühne.

Inwiefern hat sich die Arbeit mit den Hooligans in denletzten Jahren verändert?

Heute sind sie uns dank Internet und Handy stets einenSchritt voraus. Wenn man die Typen im Stadion beobachtet,fragt man sich, was für eine astronomische Telefonrechnungsie haben müssen. Damit können sie jederzeit neue Pläneschmieden. Trotzdem bin ich überzeugt, dass allein unserePräsenz an Spielen das Gewaltpotenzial um 50 Prozent senkt.Die Delinquenten wissen, dass sie von uns wegenLandfriedensbruch angezeigt werden können, deshalb herrschtzwischen uns auch immer eine Art Hassliebe. Sie sind nämlichauch froh, wenn wir in brenzligen Situationen helfen können.

Wie sieht die Zukunft der Hooligan-Szene aus? Macht Ihnen dieArbeit überhaupt noch Spass?

Ich werde in 18 Monaten pensioniert, da ist man manchmalschon froh, dass man sich bald nicht mehr mit diesenSchlägern beschäftigen muss. Doch ich habe das Ganze immerals Fan-Arbeit betrachtet und bin überzeugt, dass mitkonsequenter Beobachtung der Szene viel Schaden verhindertwerden kann. Entscheidend ist aber, dass Polizei,Sicherheitsdienst und Fan-Betreuer noch enger kooperieren.*