Uri schwört der heutigen Rütlifeier ab

NeueLuzernerZeitung

Die Kosten für die Rütlifeier laufen wegen ungebetener Gäste aus dem Ruder. Die Urner Regierung will dafür nicht mehr aufkommen und stellt jetzt Bedingungen.

Von Michael Widmer und Markus Zwyssig

Die Rütlifeier zum 1. August dieses Jahres sorgte landesweit für Aufsehen. Nur ein massives Polizeiaufgebot und intensive Zutrittskontrollen ermöglichten eine ruhige Feier. Dabei wiesen die Sicherheitskräfte auch unbescholtene Personen ab, die über ein Eintrittsticket verfügten. Die Entrüstung über diesen 1.-August-Anlass war über Parteigrenzen hinweg gross. «Das war nicht peinlich, das war oberpeinlich», urteilte SVP-Präsident Ueli Maurer und rief die Idee einer von der Partei selber organisierten Alternativ-Feier ins Leben (siehe Kasten).

«Aufwand zu gross»

Parlamentarier verschiedener Parteien lancierten in den Parlamenten der Zentralschweizer Kantone zahlreiche Vorstösse. Im Urner Landrat stellten Tino Gisler (SVP, Bürglen) und Thomas Arnold (FDP, Flüelen) kritische Fragen.

Diese hat die Urner Regierung nun beantwortet. Kernaussage: Uri will eine andere Rütlifeier. Sicherheitsdirektor Josef Dittli hält auf Anfrage unserer Zeitung zwar fest, der Polizeieinsatz am 1. August sei angesichts möglicher Gefahren verhältnismässig und angemessen gewesen. Aber: «Der Aufwand für die Rütlifeier ist eindeutig zu gross.» Nach Meinung der Urner Regierung sind die mit der Feier verbundenen Sicherheitsanforderungen personell und kostenmässig «äusserst problematisch». Allein für den Einsatz von Polizisten aus anderen Kantonen musste der Kanton rund 210 000 Franken bezahlen. Hinzu kommt der Aufwand des eigenen Korps, der aus polizeitaktischen Gründen geheim gehalten wird. Unter dem Strich steht für Josef Dittli aber fest: «Das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag stimmt nicht mehr.»

Neu mit Gesuch und Auflagen

Darum hat die Urner Regierung von der Rütlikommission der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) für die Feier 2007 ein Bewilligungsgesuch verlangt. Zudem kann die Urner Regierung für die 1.-August-Feier auf dem Rütli künftig auch Auflagen machen. Diese Massnahmen sollen eine bessere Einschätzung der Bedrohungslage ermöglichen und die Kosten senken.

Wäre die Sicherheit nur mit unverhältnismässigem Aufwand sicherzustellen, könnte die Urner Regierung den Anlass ganz verbieten. Wobei Sicherheitsdirektor Dittli ergänzt: «Wir sind interessiert, dass es eine Lösung gibt. Denn gegen eine Rütlifeier haben wir grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber sie darf nicht um jeden Preis stattfinden.»

Gesuch ist da

Das Gesuch der SGG ist nach Auskunft von Sicherheitsdirektor Dittli bereits eingetroffen. Zum Inhalt wollte er sich nicht näher äussern. Wie Judith Stamm, die Präsidentin der Rütlikommission, jedoch betonte, soll die Feier im ähnlichen Rahmen wie die letzten Jahre stattfinden (siehe Kasten). Dazu gehöre auch die Ansprache einer Persönlichkeit.

Dies ist für die Urner Regierung ein heikler Punkt. Sie empfiehlt der Rütlikommission nämlich, auf Programmpunkte zu verzichten, die zu Provokationen Anlass geben könnten. Namentlich der Programmpunkt «Festreden» müsse sehr wohl überdacht werden, meint der Regierungsrat. So soll insbesondere kein umstrittener Redner eingeladen werden.

Schwyz will mitreden

Von grossem Interesse ist der Urner Entscheid auch für den Kanton Schwyz, weil dort ­ in Brunnen ­ die Festbesucher im letzten Jahr intensiv kontrolliert wurden. Die Aussortierung unerwünschter Personen und die Unterdrückung von Krawallen war mit einem enormen Aufwand verbunden: 930 000 Franken bezahlte Schwyz für den Einsatz der ausserkantonalen Polizeikräfte auch hier sind die Kosten für das eigene Polizeikorps nicht enthalten.

Trotzdem fiel gestern die Reaktion aus Schwyz auf das künftige Urner Vorgehen verhalten aus. Das Rütli liege auf Urner Hoheitsgebiet, rekapitulierte der Schwyzer Militär- und Polizeidirektor Alois Christen die Faktenlage. Und darum sei auch Uri für die Durchführung verantwortlich. Selbstverständlich werde sich Schwyz aber mit Uri absprechen und dürfe wohl sogar beim Gesuch ein Wort mitreden. «Wir sind auf alle Fälle gespannt, was die Urner jetzt machen.»

Die SVP hält an eigener Feier fest

Die Schweizerische Volkspartei will am 1. August kommenden Jahres eine eigene Feier organisieren. Auch wenn die Feier auf dem Rütli nach den Auflagen der Urner Regierung in neuer Form stattfinden sollte. «Unsere Idee ist zu weit gediehen. Der Anlass findet so oder so statt», sagt SVP-Pressesprecher Roman Jäggi. Konkreter wird er nicht, dafür sei es noch zu früh. Wie Parteipräsident Ueli Maurer in einem Interview mit dieser Zeitung im August dieses Jahres beschrieb, sei eine «würdige, patriotische Feier» geplant, an der ein SVP-Bundesrat die Rede halten könnte. Roman Jäggi räumt ein, dass es auch an dieser zu Zwischenfällen kommen könnte, doch gibt er sich überzeugt: «Es kommt sehr darauf an, wie die Feier organisiert ist. Das Rütli wurde für den Abstimmungskampf politisch missbraucht. Das provoziert.»

Die Probleme begannen im Jahr 2000

Die 1.-August-Feier auf dem Rütli wird seit Jahrzehnten von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) mit Sitz in Zürich organisiert. Die SGG hat das Rütli im Jahre 1860 mit Unterstützung von Donatoren und der Schweizer Schuljugend gekauft und es dem Bund als unveräusserliches Nationaleigentum geschenkt. Der Bundesrat übertrug Betreuung und Verwaltung des Rütlis gemäss Stiftungsurkunde vom 2. Juli 1860 der SGG. Diese setzte die Rütlikommission ein. Die Kommission hat nicht nur die Aufgabe, das Rütli zu verwalten, sondern auch in seinem ursprünglichen Zustand zu bewahren. Sie hat weiter auf dem Rütli für angemessene Ruhe und Ordnung zu sorgen auch am 1. August.

R uhe und Ordnung wurden in den letzten Jahren allerdings immer wieder gestört. Ein zentrales Ereignis: An der 1.-August-Feier des Jahres 2000 marschierten über 100 Rechtsextreme auf das Gelände und buhten Bundesrat Kaspar Villiger während seiner Rede aus. In den folgenden Jahren gelangten immer mehr Rechtsextreme auf das Rütli. So deckten im Jahr 2005 rund 700 Angehörige der rechten

Beschränkter Zutritt

An der diesjährigen Feier wollte die SGG eine ähnliche Eskalation verhindern. Daher beschränkte sie die Platzzahl auf rund 2000. Zudem erhielt nur Zutritt zur Rütlifeier, wer bei der SGG ein Gratisticket bezogen und dafür seine Identität hinterlassen hatte.

Ein massives Polizeiaufgebot sollte zudem Konfrontationen ausserhalb des Rütlis verhindern. Aufgrund der Bedrohungsanalyse war damit gerechnet worden, dass in Brunnen 700 Rechtsextreme auf 700 Linksextreme treffen könnten. 40 Personen wurden schliesslich vorübergehend festgenommen, darunter 33 Rechts- und 7 Linksextreme.

«Wir sind bereit, zu verhandeln»

Nachgefragt

bei Judith Stamm,

Präsidentin der

Rütlikommission

Die Rütlikommission hat bei der Urner Regierung bereits ein Gesuch für eine weitere Rütlifeier gestellt. Sie ist bereit, über die Art und Weise der Feier zu diskutieren.

Gibt es am 1. August 2007 eine Feier auf dem Rütli?

Judith Stamm: Ja, unbedingt. Die Rütlikommission will an der Feier festhalten.

In welchem Rahmen soll die Veranstaltung stattfinden?

Stamm: Sie soll im traditionellen Rahmen daherkommen.

Die Urner Regierung empfiehlt, auf einen umstrittenen Festredner zu verzichten. Halten Sie sich daran?

Stamm: Auf eine Festrede wollen wir nicht verzichten. Diese Absicht haben wir der Urner Regierung in unserem Gesuch mitgeteilt. Die traditionelle Feier zum 1. August hat auf dem Rütli seit Jahrzehnten ein treues Publikum.

Wer soll die Rede halten?

Stamm: Das ist noch nicht bekannt. Klar ist, dass wir auch 2007 eine Persönlichkeit aufs Rütli einladen wollen. Sie soll ihre Gedanken über die Schweiz frei formulieren können.

Droht da nicht ein Konflikt mit der Urner Regierung, die eine Veranstaltung allenfalls verbieten will?

Stamm: Wir sind bereit, mit der Urner Regierung über die Feier im Jahr 2007 zu verhandeln. Es soll eine würdige Veranstaltung werden. In diesem Jahr hat es sich gezeigt, dass am 1. August auf dem Rütli eine Feier ohne Zwischentöne durchführbar ist. So soll es auch 2007 sein. Die Rütlikommission ist aber auch der Meinung, dass man beim Sicherheitsaufwand in Zukunft etwas zurückfahren kann.