Rechtsextremer soll hinter Gitter

Neue Luzerner Zeitung vom 21.05.2011

Acht Vorstrafen hat er schon, nun folgt für einen 25-jährigen Schläger die neunte. «Meine letzte», versichert er.

Emanuel Thaler

Er steckte tief drin im braunen Sumpf, zog mit seinen rechtsextremen Kameraden von Fest zu Fest und suchte Streit. Aus nichtigem Anlass flogen die Fäuste gegen zufällig ausgewählte Opfer. «Ich wollte mich vor den Leuten aus dieser Szene beweisen», sagte der heute 25-jährige Landwirt gestern vor dem Kriminalgericht.

 

Schlägerei an Dorffest

Zuletzt suchten sie im April 2009 ein Dorffest in Roggliswil heim. Es floss reichlich Bier und Wein. Als der damals 23-jährige Mann auf die Toilette wollte, eskalierte die Lage. Weil ein damals 17-jähriger Realschüler gleichzeitig die Toilette verlassen wollte, liess sich die Türe nicht vollständig öffnen. Der Angeklagte provozierte den korpulenten, körperlich unterlegenen Jugendlichen mit einer Bemerkung zu seinem Bauch. Als dieser etwas erwiderte, schlug ihm der Angeklagte eine Faust ins Gesicht, würgte ihn und verabschiedete sich mit einem zweiten Faustschlag. Später verfolgte er sein Opfer im Festgelände und zog ihm hinterrücks eine Bierflasche über den Kopf. Während der benommene Jugendliche von der Sanität versorgt wurde, pöbelten die Rechtsextremen weiter, bis sie von den Sicherheitsangestellten vom Areal verwiesen wurden. Beim Verlassen des Gebäudes ereignete sich der nächste Zwischenfall: Unvermittelt packte der Angeklagte auf der Treppe einen vorbeigehenden Festbesucher und warf ihn mehrere Stufen hinunter. Dieser landete auf einem Zwischengeschoss. Der Kollege des Angeklagten, den die Staatsanwaltschaft als Rädelsführer ausgemacht hat, trat das bereits bewusstlose Opfer mit seinen stahlkappenverstärkten Kampfstiefeln gegen den Kopf.

Erst geflüchtet, dann gestellt

Weil der Rädelsführer ein Jahr nach der Tat bei einem Autounfall verstarb, kam es in seinem Fall nicht mehr zu einer Gerichtsverhandlung.

Das erste Opfer erlitt diverse Kopfverletzungen, das zweite eine schwere Hirnerschütterung, verschiedene Schürf- und Quetschwunden im Gesicht und an den Knien sowie Zahnfrakturen. Gemäss Arztdiagnose trägt er vom Vorfall «eine verminderte Frontzahnästhetik» davon. Die Rechtsextremen verschwanden zunächst vom Festgelände, der Angeklagte stellte sich jedoch rund zwei Stunden später den anrückenden Polizisten.

Bereits zwei Wochen vor den Gewalttaten in Roggliswil provozierte er an einem Fest in Huttwil eine Auseinandersetzung. Als ihn die Securitas mit Pfefferspray stoppten und ihn vom Areal verwies, warf er mit einem Absperrgitter eine Glastür ein.

Strafen liessen ihn unbeeindruckt

Vor den Richtern waren gestern keine lauten Töne angesagt: Mit gesenktem Blick hörte er sich die Schilderungen des Staatsanwaltes an, mit leiser Stimme beantwortete er die Fragen des Gerichts. «Trotz Ihres jungen Alters haben Sie schon eine ganze Reihe an Straftaten begangen», bemerkte der Gerichtspräsident und wedelte demonstrativ mit dem mehrseitigen Strafregisterauszug.

Acht Vorstrafen haben sich zwischen 2004 und 2009 angesammelt: Neben zahlreichen Verkehrsdelikten finden sich in der Liste auch Verstösse gegen das Waffengesetz sowie Gewalt- und Körperverletzungsdelikte.

Die Strafen hätten ihn damals nicht beeindruckt, entgegnete der Angeklagte. «Für mich gab es nur die Szene, saufen und Scheissdreck machen.» Die Kriminalrichterin erkundigte sich, ob er mit letzterem Gewaltdelikte meine. «Ja, Schlägereien», bestätigte der Angeklagte. Doch heute sei alles anders, beteuerte sein Verteidiger. Der Angeklagte habe sich von den braunen Kleidern losgesagt und verkehre nicht mehr in dieser Szene. «Er lässt sich jetzt die Haare wachsen.» Nur die Tattoos erinnern noch an vergangene Zeiten. Um endgültig mit der rechtsextremen Vergangenheit abzuschliessen, wolle er die Tattoos nun überstechen lassen, so der Anwalt. Es sei deshalb «ganz sicher das letzte Mal», dass er vor Gericht stehe, beteuerte der Angeklagte.

Der Staatsanwalt plädierte auf mehrfache versuchte eventualvorsätzliche Tötung, Angriff, einfache Körperverletzung und Sachbeschädigung und verlangte eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren. Falls das Gericht nur auf mehrfache versuchte schwere Körperverletzung erkenne, sei im Minimum eine unbedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren angezeigt. Der Verteidiger sah im Verhalten nur einfache Körperverletzung in drei Fällen sowie Sachbeschädigung. Eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren, eine vierjährige Probezeit und eine Gewalttherapie erachtet er deshalb als ausreichend.