Neonazi-Affäre an der Uni Zürich

Der Sonntag / MLZ vom 29.05.2011

Assistent als verurteilter Ex-Rechtsextremer entlarvt – er ist weiterhin an der Hochschule tätig

Von Nadja Pastega

Der deutsche Ex-Neonazi L. unterrichtete vier Jahre lang als Assistent an der Uni Zürich. Dann wurde seine Vergangenheit bekannt. Die Hochschule trennte sich Ende 2010 offiziell von ihm – doch er ist weiterhin an der Universität aktiv.

Auf seiner Homepage wirbt der 34-jährige L. mit seiner «langjährigen Lehrerfahrung an der Universität Zürich». Auch zu einem wissenschaftlichen Forum der ETH, steht dort zu lesen, war er geladen. Was L. verschweigt: Sein Vertrag als Assistent am Philosophischen Seminar der Uni Zürich wurde Ende 2010 nicht mehr verlängert – inzwischen war bekannt geworden, dass sich der Deutsche in jungen Jahren in der rechtsextremen Szene bewegt hatte. Die Zürcher Studierendenzeitung machte die Affäre kürzlich publik.

L. war unter anderem für die Partei «Deutsche Nationalisten» aktiv. In den Neunzigerjahren wurde er vom Landgericht Dortmund zu 100 Sozialstunden verurteilt wegen «Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen». Seine Vergangenheit als Neonazi verschwieg L. bei seiner Anstellung an der Universität Zürich. Er unterrichtete vier Jahre lang als Assistent am Philosophischen Seminar.

Bernd Roeck, Dekan der Philosophischen Fakultät der Uni Zürich, bestätigt, dass der Vertrag von L. nicht verlängert wurde. «Er wäre ohnehin ausgelaufen und auch aus anderen Gründen nicht verlängert worden.» Der Fall L. sei aber «ein gravierender Vorgang».

L. bedauert auf Anfrage die Vertragsauflösung: «Ich hätte mir gewünscht, dass die Folgen meiner politischen Verirrungen als Jugendlicher nicht dazu geführt hätten, dass meine Assistenzstelle so kurzfristig nicht verlängert wird.» Er «verurteile zutiefst», was er als Jugendlicher gemacht habe.

Offiziell hat sich die Uni Zürich von L. getrennt – doch Recherchen zeigen: Der Name des Ex-Neonazis taucht noch immer auf der offiziellen Homepage der Universität Zürich auf. L. ist weiterhin an der Hochschule aktiv – als Mitglied der Uni-Gruppe «Theoretische und Praktische Philosophie» am Philosophischen Seminar. Ziel der Vereinigung aus Doktoranden und Vertretern des Mittelbaus ist «die Vertiefung von laufbahnrelevanten Kompetenzen». Die Aktivitäten der Gruppe werden hauptsächlich aus Mitteln der Fakultät bestritten. Zum wissenschaftlichen Beirat gehört die deutsche Philosophieprofessorin Katia Saporiti – sie hatte L. als Assistenten an die Uni Zürich geholt.

L. ist zudem Mitglied bei der Uni-Gruppe «Philosophische Kehrseiten». Diese bietet Nachwuchswissenschaftern die Gelegenheit, «ihre akademischen Laufbahnen zu befördern». Zum hochkarätig besetzten wissenschaftlichen Beirat gehört die Zürcher Anglistik-Professorin Elisabeth Bronfen und Michael Hampe, Philosophieprofessor an der ETH Zürich.

«L. ist noch Mitglied in diesen beiden Gruppen», bestätigt Beat Müller, Pressechef der Universität Zürich. L. sei in Deutschland gerichtlich verurteilt worden und habe seine Strafe bekommen. «Jetzt liegt nichts Ähnliches gegen ihn vor», so Müller. «Der Fall wurde in den beiden Gruppen intern besprochen. L. habe sich klar und glaubwürdig von seiner Vergangenheit distanziert.»

Fakt aber ist: L. gehörte in der rechtsextremen Szene zum führenden Personal. Sein Name taucht im Handbuch des deutschen Rechtsextremismus auf – als Landesvorsitzender Nordrhein-Westfalen der Deutschen Nationalisten (DN) Mitte der Neunzigerjahre. Die DN habe sich als «volkstreue, nationale» Gruppierung definiert und in ihrem Parteiprogramm unter anderem «die Wiederherstellung des Deutschen Reiches» gefordert.