Rassismusvorwurf: Wurde Lehrerin aus Schule gemobbt?

Basler Zeitung: SMS-Skandal an der Sek Muttenz

Muttenz. Vor zwei Jahren war die Welt von Anita Biedert noch in Ordnung. Sie war Mathematiklehrerin an der Sekundarschule Margelacker in Muttenz. Die Tragödie, die beinahe mit dem Freitod der heute 61-Jährigen endete, begann mit einer SMS: Die Pädagogin, die fast 40 Jahre Berufserfahrung mitbringt, sollte schwierige Schüler gewohnt sein. Dennoch liess sie sich zu einer verhängnisvollen SMS hinreisen.

Ein Schüler, der aus Sri Lanka stammt, schwänzte die Schule und provozierte sie. Er hatte Biedert angelogen und blieb dem Unterricht fern mit der Ausrede, er ­wolle sich in Liestal den Schweizer Pass ausstellen lassen. Die Lehrerin schrieb dem Schüler eine SMS: «Vergiss den CH-Pass bei Deinen Deutschkenntnissen.» Das geschah am 1. Juni 2012.

Die SMS und ihr Inhalt könnte man grob als Dummheit bezeichnen. Ob die SMS aber auch rassistisch ist, ist fraglich und hängt auch davon ab, wie sich die Lehrerin ansonsten gegenüber dem Schüler verhalten hat. Ihre Lehrerkollegen haben indes ihre Meinung gemacht, insbesondere da Biedert als SVP-Mitglied inmitten der als links geltenden Lehrerschaft eine Exotin ist. Mit ihrer SMS wurde sie nun aber definitiv zur Aussenseiterin und als angebliche Rassistin zum Abschuss freigegeben.

Regierungsrat schaltet sich ein

Als Hexenjagd und übelstes Mobbing muss man sich die Tragödie im Schulhaus vorstellen, welche die

Basellandschaftliche Zeitung

publik gemacht hat. Eine Lehrerkollegin liess ihre Schüler sogar einen Aufsatz zum Thema «Frau Biedert und die Ausländer» schreiben. Die Schulleitung konnte oder wollte dem Treiben kein Ende setzen. Der Fall habe «Hunderttausende Franken an Steuergeldern» für Anwälte gekostet, schreibt ein empörter Landrat in einem vertraulichen Brief an den Bildungsdirektor Urs Wüthrich, der sich danach selbst einschaltet.

Und Biedert? Sie war ein Häufchen Elend, wollte sich vor einen Zug werfen, landete aber in der Psychiatrie. Der offizielle Grund für die Kündigung der Schule war schliesslich ihre lange, krankheitsbedingte Abwesenheit.

Regierungsrat Wüthrich kannte ­Biedert bereits vor dem angeblichen Rassismusfall. Er hatte der Lehrerin sogar zu einer neuen Stelle verholfen. Dass der SP-Regierungsrat einer angeblichen Rassistin bei der Jobsuche geholfen hat, ist ein Indiz dafür, dass Wüthrich Biedert nicht für fremdenfeindlich hält. Der Bildungsdirektor will den ­Rassismusvorwurf nicht kommentieren. Denn nun untersucht eine Subkommission der Geschäftsprüfungskommission die Rolle der Bildungsdirektion im mittlerweile zweijährigen Konflikt.

Strafanzeige eingereicht

Gegenüber der BaZ bestätigt Wüthrich, dass seine Einmischung nicht üblich sei, da er als Regierungsrat die eigent­liche Beschwerdeinstanz ist. So hätte er bei einer allfälligen Beschwerde in den Ausstand treten müssen. Ob es stimmt, dass die Lehrerschaft beispielsweise mit dem Schüleraufsatz zur Rassistin Biedert gemobbt haben, will Wüthrich weder bestätigen noch dementieren.

Zwar gab es offenbar keine Beschwerde, dafür hat Biedert eine Strafanzeige wegen Ehrverletzung, Nötigung, und übler Nachrede eingereicht. Doch bevor ihr neuer Job unter Dach und Fach war, habe ihr die Staatsanwaltschaft angeblich geraten, die Anzeige zurückzuziehen, um den neuen Arbeitsvertrag unterschreiben zu können. Die Staatsanwaltschaft ihrerseits bestreitet auf Anfrage der BaZ, Personen unter Druck zu setzen, ihre Anzeigen zurückzuziehen. Zum konkreten Fall sagt die Staatsanwaltschaft jedenfalls im Moment nichts, weil intern noch abgeklärt werde, wie sie sich verhalten hat.

Anita Biedert war für die BaZ ­g­­estern nicht erreichbar. Paul Wenger, Präsident der Bildungskommission des Landrats, kennt die Parteikollegin seit vielen Jahren. Wenger kennt auch das Dossier Biedert «in und auswendig». Empört, ja ausser sich sei er, spricht von einem Skandal und «blankem Hohn»: «Das ist doch kein Rassismus, aber als SVP-Mitglied wird man schnell in die rechtsextreme Ecke gestellt, das ist absurd.» Biedert habe man fertiggemacht. Er sei enttäuscht, dass niemand aus der Bildungsdirektion hingestanden ist und Biedert in Schutz genommen habe. «Herr Wüthrich hätte von Anfang an gegen diesen Unsinn einschreiten sollen.»

Anita Biedert weilt nun ein paar Wochen in den USA, bevor sie ihre neue Stelle an der Sekundarschule Liestal antritt.