Protest gegen rechtsradikale Gewalt

Tagesanzeiger

Rund 400 Personen haben am Samstag in Winterthur an einer bewilligten Demonstration teilgenommen. Die Kundgebung verlief ohne Zwischenfälle.

 

Von Roger Keller

Nächtliche Schlägereien auf offener Strasse, angezettelt durch Skinheads, haben sich in Winterthur in letzter Zeit gehäuft (TA vom 14. Mai). Teilweise starteten rechtsradikal ausgerichtete Schlägertrupps eigentliche Überfälle, wiederholt auf die Genossenschaftsbeiz „Widder“, wo die Banden auch eindeutige, rassistische Kleber hinterliessen.

Gegen diese Gewalt richtete sich die Demonstration vom Samstag: „Es gibt in Winterthur und Umgebung eine Szene von 15 bis 30 Männern und Frauen, die speziell an den Wochenenden durch die Stadt ziehen und zum Teil wahllos auf Leute einprügeln“, sagte ein Redner an der Kundgebung, „dagegen wehren wir uns. Wir wollen das nicht mehr länger tolerieren, denn es kann jeden treffen.“ Mehr Polizei sei nicht nötig, aber die Ordnungskräfte sollten „beide Augen öffnen“, wurde verlangt.

Scharmützel nach dem Ende

Zu der Demonstration hatte eine ad hoc formierte Interessengemeinschaft gegen rechtsextreme Gewalt (IG) aufgerufen. Mit Flugblättern vermochte sie die beachtliche Zahl von 400 meist jugendlichen Leuten aus dem alternativen Lager zu mobilisieren. Die IG ist parteiungebunden und besteht aus 15 jungen Winterthurern und Winterthurerinnen. Da sie Repressalien befürchteten, traten sie nicht mit ihren Namen in Erscheinung.

Die IG-Vertreter riefen zu einer ruhigen Demonstration auf. Ein starkes Aufgebot von Stadt- und Kantonspolizei in Ordnungsdienstuniform (Helm, Schutzschild und Gummischrotgewehr) sorgte dafür, dass es nicht zu Übergriffen von Rechtsradikalen kam und dass sich der Demonstrationszug nicht in die Altstadtgassen ergoss. Bereits vor der Kundgebung hatte die Polizei eine ausgeschriebene Person und zwei Männer wegen unerlaubten Waffentragens festgenommen.

Der Protestmarsch verlief ohne Zwischenfälle. Er führte vom Arch-Parkhaus über die Technikumstrasse zum Holderplatz, von dort über die General-Guisan- und die Stadthausstrasse zum Hauptbahnhof, schliesslich über den Neumarkt zurück zum Ausgangspunkt. Unterwegs wurden Parolen wie „Flüchtlinge bleiben, Nazis vertreiben“ skandiert und Reden mit klassenkämpferischem Vokabular gehalten. Auch an heiklen Orten wie vor dem Restaurant „Hardy’s“ oder der UBS liessen sich die Demonstranten nicht zu Gewaltakten hinreissen, obwohl die Aufforderung, Scheiben einzuwerfen, im Protestzug laut wurde. Die IG sprach daher von „einer starken Demonstration, die das Problem ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht“ habe.

Zu einer brenzligen Situation kam es erst nach dem rund anderthalbstündigen Protestzug. Als sich dieser am Archplatz aufzulösen begann, fotografierte ein Demonstrant sechs Exponenten der Rechtsradikalen, die das Geschehen vom Rand der Technikumstrasse aus verfolgt hatten. Dabei kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf etwa 50 Demonstrationsteilnehmer mit Gebrüll hinter den Rechtsradikalen herhetzten. Während diese entkommen konnten, wurden ihre Verfolger vor dem Neumarkt von einem undurchdringlichen Kordon der Polizeikräfte aufgehalten.

Lob von der Polizei

Minutenlang standen sich danach beide Seiten auf der Technikumstrasse grimmig gegenüber. Es drohte eine Eskalation, und die Polizei fuhr mit dem Wasserwerfer vor. Aufrufe zur Mässigung – von Stadtpolizei-Sicherheitschef Louis Friedrich und den IG-Leuten – fruchteten aber auch diesmal, und die Jugendlichen zogen allmählich von dannen. Friedrich, der selber viel zum friedlichen Verlauf beigetragen hatte, sagte hinterher, er habe „grosse Achtung vor den Organisatoren“: „Sie haben es gut gemacht.“