Pegida – oder eine Stadt fürchtet um ihren Ruf

Basler Zeitung: Basler Polizei entzieht Demonstrationen die Bewilligung

Die Demo der Patriotischen ­Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) vom 3. Februar in Basel wurde zunächst vom zuständigen Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) unter der Leitung von FDP- Regierungsrat Baschi Dürr bewilligt.

Ebenso die Gegenkundgebung, zu der vor allem linke Kreise aufriefen, aber nicht nur – auch bürgerliche Basler Politiker wollten dort mitmarschieren. Als Demoverantwortlicher auf der islamkritischen Seite zeichnete Grossrat Eric Weber, der auch mit der Polizei verhandelt hat.

Dann kam die Kehrtwende von der Kantonspolizei Basel-Stadt. Sie entzog Weber die Bewilligung wieder, weil sich die Hinweise häuften, dass nicht nur Weber und ein paar seiner Anhänger aus Basel mit ihm auf dem Marktplatz demonstrieren werden, sondern dass die Pegida Schweiz ihre Anhänger aufrief, an diesem Tag nach Basel zu reisen. Es kündigten sich auch Anhänger von rechtsextremen Gruppen aus Deutschland an, während gleichzeitig die Linksextremen über ihre Kanäle zur Gegendemo mobilisierten – in der Stadt sind die Sprayereien ja bereits nicht mehr zu übersehen.

Wer diese Demonstrationen in Deutschland verfolgt hat, weiss: Es knallt, wenn diese Gruppen aufeinandertreffen. Da es in beiden Lagern solche gibt, die nichts von Mahatma Gandhis gewaltfreiem Widerstand halten, braucht es in Deutschland eine Hundertschaft Polizisten, um die beiden Gruppen zu trennen. Die Basler Polizei fürchtet, dass die beiden Gruppen aneinandergeraten, und entzog ihnen deshalb die Bewilligung.

Hohes Gut Meinungsfreiheit

Dass man in Basel auch ohne Bewilligung demonstrieren kann – und nicht daran gehindert wird –, zeigt die Anti-Conex-Demo im vergangenen September. Die Polizei liess dort einen Zug von gewaltbereiten Linksextremen vom ­Claraplatz Richtung Zoll Otterbach ziehen, bevor sie sich ihnen entgegenstellte. Auch am vergangenen Wochenende kam es zu nicht angekündigten Demos von Kurden und damit verbundenen Verkehrsblockierungen in der Innenstadt. Der Polizei steht die Möglichkeit zur Verfügung, noch vor Ort eine Bewilligung auszusprechen und so quasi auch unbewilligte Kundgebungen in einem Last-minute-Verfahren zu legalisieren. Wenn die Polizei dies im Pegida-Fall nicht tut, so stellt sich die Frage: Warum dürfen Kurden etwas und die Pegida-Leute respektive die Gegner von Pegida nicht? Ist es wirklich nur die zu befürchtende Gewalt? Die Frage ist auch deshalb interessant, weil das Recht auf freie Meinungsäusserung beziehungsweise auf eine Demonstration von der Polizei nicht beschnitten werden sollte. (Vermutlich erfolgte der Bewilligungsentzug in Absprache mit Regierungsrat Baschi Dürr, aber das ist nur eine Vermutung, denn er mischt sich ja nach eigenen Angaben nie in die Belange der Polizei ein.)

Für einen souveränen demokratischen Staat ist das Demonstrationsrecht zentral, und man sollte es hier mit der Toleranz des französischen Schriftstellers Voltaire halten: «Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.»

Nun hat sich die Basler Polizei unter der Führung von Kommandant Gerhard Lips jedoch dazu entschieden, die beiden Demonstrationen zu verbieten.Wirklich gut unterrichtete Quellen erzählen von der Regierungssitzung, an der die Pegida-Demo angesprochen wurde, Baschi Dürr soll von seinen Ratskollegen und einer Ratskollegin ziemlich deutlich gehört haben, dass er diese Demonstration verhindern soll. Grund: Die Stadt hat Angst um ihren Ruf. Wenn man verfolgt, mit welcher Verachtung deutsche Medien über die Pegida-Veranstaltungen berichten, so braucht es nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was Basel befürchtet. Die Stadt, die Regierungspräsident Guy Morin (Grüne) in kulturellen Bereichen auf Augenhöhe mit Paris, London und New York sieht, würde mit einer rechts-nationalistischen Bewegung in Verbindung gebracht. Welche Schande! Was die Linksextremen für Gewaltpotenzial mitbringen, spielt für die Reputation natürlich keine Rolle.

Gut möglich, dass also die Mobilisierung der beiden Fronten gelegen kam, um die Reissleine zu ziehen – im Zweifelsfalle für die Wahrung des Ansehens. Warum bei Fussballspielen Hooligangruppen mit einem Grossaufgebot getrennt werden können, an einer Demo hingegen plötzlich die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann, hat die Polizeileitung bislang nicht erklärt.

Eher erschreckend ist die Absage für alle, die dachten, die Basler Polizei wäre bei rund 900 Mitarbeitern und dem Konkordat mit anderen Polizeikorps fähig, auch solche Veranstaltungen selbstsicher zu kontrollieren. Offenbar nicht.