Linke hacken Rechte

Tages-Anzeiger vom 21.4.2010

Die Kundendatenbank des Nazi-Modeherstellers Thor Steinar wurde von Exponenten der Antifa-Szene gehackt. Die Rechten aber freuts – sie nutzen die Adressliste für ihr Directmarketing.

Maurice Thiriet

Immer, wenn antifaschistische Hacker privaten Mailverkehr oder Adressdatenbanken aus rechtsradikalen Kreisen oder Internetversanddiensten publizieren, ist bei den Neonazis der Katzenjammer gross. Dann wissen plötzlich alle, welch dunkelbraunes Gedankengut die sich nach aussen hin seriös gebenden Burschen wälzen, wenn sie unter sich sind.

Oder dass ein Neonazi einem anderen Neonazi gerne Armbinden mit Hakenkreuz schenken will. Oder es wissen plötzlich alle, dass der Neonazi seine Vorgesetzten im Militär «etwas schwul» findet und dass er nach Feierabend schon öfter den Wunsch verspürt hat, ein Tutu zu tragen. Ähnliches ist der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) bereits öfter passiert.

«Von Nazis für Nazis»

Nun haben die Antifa-Hacker erneut zugeschlagen und die Kundendatenbank von Thor Steinar gehackt. Die Kleidermarke, positioniert im Segment «von Nazis für Nazis», führt unter anderem Shirts mit der Abbildung eines Maschinengewehrs von Heckler und Koch in Kombination mit dem Aufdruck «Hausbesuche». Das ursprüngliche Logo der deutschen Firma ist 2004 wegen zu starker Anlehnung an Nazisymbolik verboten worden. Noch heute ist das Tragen der Marke Thor Steinar im deutschen Bundestag und mehreren Fussballstadien verboten.

Im gehackten Kundenstamm von Thor Steinar fanden sich unter anderem auch rund 1000 Schweizer Adressen. Und natürlich, man ahnt es, finden sich unter den rund 1000 Schweizer Namen auch bekannte Mitglieder der Pnos. Ein neuerlicher Rückschlag für die Bemühungen um ein seriöses Image.

Aber, statt wie sonst üblich, zum Katzenjammer über die bösen und arbeitsscheuen Antifaschisten-Hacker anzusetzen, nutzen die Rechtsextremen die Vorarbeit der Hacker für zielgruppenspezifisches Marketing: Zwar sind wohl viele der Namen auf der Liste frei erfunden, weil auch Staatsschützer, Antifaschisten und Journalisten sich als Kunden ausgeben, um an Informationen aus dem rechtsextremen Dunstkreis zu kommen.

Andere haben ohne politische Hintergedanken bei Thor Steinar bestellt oder sind aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen. Doch im Grossen und Ganzen umfasst die von der Antifa veröffentlichte Datenbank exakt die potenzielle Klientel der Pnos: Menschen mit einer Affinität zu rechtsextremem Gedankengut.

Leert Postfach nur einmal im Monat

Also setzte sich Pnos-Präsident Dominic Lüthard an den Computer und schrieb einen Brief. Den schickte er an 600 Deutschschweizer Adressen auf der Thor-Steinar-Kundenliste, «um sie auf diese feige Hackattacke vonseiten linker Kreise aufmerksam zu machen», wie es im Schreiben einleitend heisst. Unten wird dem geneigten Leser klar, woher der Wind weht: «In der Beilage finden Sie ein paar Werbeartikel, die Sie vielleicht zu einer Mitgliedschaft in unserer Partei bewegen könnten», schreibt Lüthard – beigelegt sind auch Einzahlungsscheine.

Damit habe das Mailing nach Angaben Lüthards bereits genug an Spenden generiert, um die Kosten zu decken. Über die Zahl der Neueintritte in die Partei könne man noch nichts sagen. Per Mail hätten sich bis jetzt fünf Personen angemeldet, doch davon rät Lüthard in seinem Brief «aus Sicherheitsgründen» ab. Und das Postfach leere er nur einmal im Monat.

Lüthard lernt Französisch

Auf seiner Homepage stichelt er derweil gegen die Antifa-Hacker: «Wir werden alle weiteren Veröffentlichungen auch als Chance nutzen.» Aus dem Umfeld der antifaschistischen Hacker heisst es, dass man trotzdem weitermache. Die Öffentlichkeit müsse erfahren, wer die Neonazis seien und was sie nach der Arbeit tun würden.

Lüthard, so viel sei verraten, lernt Französisch – damit er auch die 100 welschen Kunden von Thor Steinar anschreiben kann.