«Rechtsextremismus ist in keiner Form zu tolerieren»

Liechtensteiner Vaterland vom 2.4.2010

Innenminister Hugo Quaderer hat anlässlich der Präsentation des Massnahmenkatalogs gegen Rechtsextremismus erneut unmissverständlich festgehalten, dass die Regierung jede Form von Rechtsextremismus verurteilt und gezielt bekämpft.

Günther Fritz

Vaduz. Regierungsrat Hugo Quaderer erinnerte an die Vorgeschichte des Massnahmenkatalogs, den er zusammen mit dem Vorsitzenden der Gewaltschutzkommission, Kripo-Chef Jules Hoch, am vergangenen Donnerstag nun den Medien in Vaduz vorstellen konnte.

Auf Basis der Studienergebnisse

Im Jahr 2007 hatte die Regierung eine Studie über Rechtsextremismus in Liechtenstein in Auftrag gegeben. So hatte ein Forscherteam der Fachhochschule Nordwestschweiz in den Jahren 2008/09 eine Studie zur Ergründung der Ursachen für Rechtsextremismus in Liechtenstein durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studie wurden von der Regierung im Herbst des letzten Jahres zur Kenntnis genommen. Gleichzeitig beauftragte die Regierung die Gewaltschutzkommission, konkrete Massnahmen vorzuschlagen, wie man die Empfehlungen der Studie am besten in einer für Liechtensteins Verhältnisse grössenverträglicher Art umsetzen könnte. Dafür bekam die Gewaltschutzkommission vonseiten der Regierung Zeit bis Ende März 2010.

Vier Zielgruppen im Visier

Regierungsrat Hugo Quaderer dankte der Gewaltschutzkommission, dass sie diesen Termin eingehalten hat. So konnte die Regierung den von der Gewaltschutzkommission erarbeiteten Massnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus am vergangenen Dienstag verabschieden und die Gewaltschutzkommission wiederum mit den Umsetzungsmassnahmen betrauen. Der Chef der Kriminalpolizei, Jules Hoch, erklärte, dass die Gewaltschutzkommission verschiedene Workshops durchgeführt und vier Zielgruppen (siehe Kästen unten) definiert habe, auf welche die Massnahmen ausgerichtet sind.

Sensibilisieren und beraten

Neben einer kontinuierlichen Beobachtung und Dokumentation rechtsextremistischer Vorfälle wird nach den Ausführungen von Jules Hoch eine Sensibilisierung der Gesamtbevölkerung für die Gefahren von Rechtsextremismus angestrebt. Angehörige und Bezugspersonen von rechtsextremen Personen sollen ein konkretes und fundiertes Beratungs- und Unterstützungsnetz erhalten. Sozialtätige, Pädagogen, Justiz- und Polizeibeamte sowie privates Sicherheitspersonal sollen durch gezielte Weiterbildungsangebote für einen professionelleren Umgang mit rechtsextremen Tätern befähigt werden. Hierzu gehört auch die Bereitstellung spezifischer sozialpädagogischer Angebote für straffällige Rechtsextreme, damit die Bewährungshilfe gezielter mit verurteilten rechtsextremen Tätern arbeiten kann – auch im Rahmen der Diversion. Schliesslich soll die konsequente Verfolgung von rechter Gewalt durch Justiz und Polizei beibehalten werden.

«Es braucht Zivilcourage»

Regierungsrat Hugo Quaderer liess – wie bereits anlässlich eines Mediengesprächs von Anfang März – keinen Zweifel daran, dass die Regierung rechtsextreme Einstellungen, die weit in die Mitte der liechtensteinischen Gesellschaft reichen, aufs Schärfste verurteilt. «Rechtsextremismus ist in keiner Form zu tolerieren», betonte Hugo Quaderer am vergangenen Donnerstag erneut vor den Medien in Vaduz. Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus seien jedoch Prob- leme, welche nicht mit einer Einzelmassnahme von heute auf morgen gelöst werden könnten. Dafür seien die Ursachen viel zu komplex. Nicht nur der Staat, die Justiz und die Behörden müssten sich bei der Lösung dieser Probleme engagieren, sondern dazu sei die gesamte Bevölkerung aufgerufen: «Wir müssen uns als Staat und als Gesellschaft klar gegen Rechtsextremismus positionieren. Bei entsprechenden Vorfällen gilt es, hin- statt wegzusehen. Wir sind jeden Tag aufs Neue gefordert, Mut und Zivilcourage zu zeigen.»

ZIELGRUPPE 1

Gesamtbevölkerung sensibilisieren

Als Sofortmassnahme lanciert die Gewaltschutzkommission im Auftrag der Regierung eine Sensibilisierungskampagne gegen rechtes Gedankengut und rechte Gewalt. Wie Jules Hoch vor den Medien erklärte, sollen Meinungsführer aus Gesellschaft,Wirtschaft und Politik für kurze Statements gegen rechte Ideologie und Gewalt gewonnen werden. Mit einer solchen «Testimonial »-Kampagne sollen Werthaltungen zentraler Persönlichkeiten der Liechtensteiner Gesellschaft sichtbar gemacht werden, um klarzustellen, dass rechtsextreme Positionen wie Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Gewalt als Problemlösungsmittel keine Akzeptanz in Liechtenstein finden. Dazu Jules Hoch: «Die Illusion der rechten Szene, mit ihrer Ideologie und ihren Taten die Unterstützung einer schweigenden Mehrheit in Liechtenstein zu haben und diese zu repräsentieren, soll als Selbsttäuschung entlarvt werden.» (güf)

ZIELGRUPPE 2

Fachpersonen weiterbilden

Gerade bei konkretenVorfällen habe man gewisse Schwachstellen geortet, wenn es um dasAuftreten gegenüber der rechten Szene geht, erklärte Kripo-Chef Jules Hoch. Deshalb sieht der Massnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus (MAX) auch vor, durch gezielte Weiterbildungsangebote Sozialtätige, Pädagogen, Justiz- und Polizeibeamte sowie privates Sicherheitspersonal für einen professionelleren Umgang mit rechtsextremenTätern zu befähigen. EinTeil dieser Massnahme ist auch die Bereitstellung spezifischer sozialpädagogischer Angebote für straffällige Rechtsextreme, damit die Bewährungshilfe – auch in enger Zusammenarbeit mit der Justiz im Rahmen der Diversion – gezielter mit diesen verurteilten Tätern arbeiten kann. Als Beispiel für solche Angebote nannte Jules Hoch «Antiaggressionstrainings ». Ziel solcher Massnahmen ist es, dass Straffällige kein weiteres Mal straffällig werden. (güf)

ZIELGRUPPE 3

Bezugspersonen beraten

Eltern, Lehrer, Sozialarbeiter und weitere Bezugspersonen von Rechtsextremen bilden die dritte Zielgruppe, auf welche konkrete Massnahmen ausgerichtet sind. Wie Jules Hoch ausführte, habe die Studie empfohlen, eine spezielle Beratungsstelle einzurichten. Die Gewaltschutzkommission habe sich klar dagegen ausgesprochen, weil das entsprechende Klientel zu klein sei. Die Kommission habe sich aber dafür entschieden, ein spezielles Beratungsangebot zu schaffen, das den hiesigen Grössenverhältnissen angepasst ist. So sollen bestehendeAngebote optimiert und ein «Runder Tisch REX» kreiert werden. Dieses interdisziplinär zusammengesetzte Fachberatergremium soll Fachleute aus dem psychosozialen Bereich bei der Klientenarbeit coachen – ein Modell, das sich in Liechtenstein zum Beispiel im Fall der «Fachgruppe gegen sexuellen Missbrauch» sehr bewährt hat. (güf)

ZIELGRUPPE 4

Aussteigewillige unterstützen

Als vierte Zielgruppe hat die Gewaltschutzkommission natürlich die betroffenen Rechtsextremen selbst im Visier. Diese seien natürlich von einer ganzen Reihe von Massnahmen tangiert, sagte Jules Hoch an der Medienkonferenz. Bei der Sensibilisierungskampagne gehe es darum, dass die Rechtsextremen der Illusion beraubt werden, sie würden die schweigende Mehrheit in Liechtenstein repräsentieren. Auch von den sozialpädagogischen Massnahmen im Rahmen der Bewährungshilfe und der Diversion sind die Rechtsextremen betroffen. Das Beratungskonzept für Angehörige und Bezugspersonen soll direkt auch aussteigewilligen Rechtsextremen Hilfe anbieten. Dieses Beratungskonzept soll vomAmt für Soziale Dienste in Zusammenarbeit mit der Gewaltschutzkommission bis Ende Mai 2010 vorgelegt werden, damit es bis Ende des laufenden Jahres auch umgesetzt werden kann.