Kopf der Winterthurer Eisenjugend verhaftet

Tages-Anzeiger.

Die Polizei hat am Mittwochmorgen sechs mutmassliche Rechtsextreme verhaftet. Darunter ein 20-Jähriger aus Winterthur, Kopf der Neonazi-Zelle Eisenjugend.

Es ist früher Mittwochmorgen. In einem Winterthurer Aussenquartier verlässt eine Frau ihre Wohnung und sieht, wie drei Polizisten in Zivilkleidung auf ein Mehrfamilienhaus zugehen. Dort wohnt Eszil, so sein Deckname, bei seinen Eltern. Vermutlich kennen sich die Polizisten bestens aus, denn sie waren schon einmal hier.

Eszil – 20 Jahre alt, Kunststudent, Waffennarr und einer der führenden Köpfe der Winterthurer Neonazi-Szene. Bekannt wurde er als Mann hinter der Eisenjugend, einer rechtsextremen Gruppe, die von einem apokalyptischen «Rassenkrieg» träumt.

Nach einem Artikel im «Tages-Anzeiger» war es im August 2020 zu einer Hausdurchsuchung bei Eszil und einem seiner Kameraden – Deckname «Rotbart» – gekommen. Dabei beschlagnahmte die Polizei mehrere Schusswaffen. Laut einem Jugendfreund besass Eszil bis dahin eine Kalaschnikow, zwei Karabiner, zwei Pistolen, ein halbautomatisches Gewehr des Typs SIG-522 und Munition. Später wurde er von der Zürcher Hochschule der Künste geworfen.

An diesem Mittwoch wird Eszil von den Polizisten verhaftet, wie jemand aus Polizeikreisen bestätigt. Eszil ist eines der Ziele einer grösseren Aktion. Daran beteiligt ist die Kantonspolizei Zürich, zusammen mit Kolleginnen aus Luzern und der Stadtpolizei Winterthur. Zur selben Zeit werden – Eszil inklusive – sechs junge Männer festgenommen. Alle zwischen 18 und 20 Jahre alt, alle mutmasslich rechtsextrem.

Fünf der Verhafteten leben im Kanton Zürich, einer in Luzern, wie Zürcher Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Mitteilung bekanntgeben. Man habe «mehrere Waffen und mutmassliches Beweismaterial sichergestellt». Weiter heisst es in der Mitteilung, die sechs jungen Männer seien im Sommer 2020 «durch die Verbreitung von rassendiskriminierenden Inhalten in den Fokus der Polizei geraten».

«Bei uns gilt Nulltoleranz gegenüber Rechtsextremismus», sagt Mario Fehr, SP-Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich.

Hintergrund: Attacke über Zoom

Dass die Behörden genau jetzt zugeschlagen haben, Monate nachdem die Eisenjugend ihre rechtsextreme Propaganda verbreitet hatte, ist kein Zufall. Laut einem Insider besteht ein Zusammenhang zu einer virtuellen Attacke: Am vergangenen Sonntag, 17. Januar, wurde eine Online-Kulturveranstaltung der Jüdischen Liberalen Gemeinschaft (JLG) der Stadt Zürich gestört.

Unbekannte übernahmen die Kontrolle über die Veranstaltung. Dann teilten sie Bilder, auf denen Hitler, primitive Obszönitäten und Hakenkreuze zu sehen waren. Aber auch eine vermummte Person, die ihre gekreuzten Fäuste zeigt, ein Symbol der rechtsextremen Hammerskins.

Schliesslich wurde die Veranstaltung abgebrochen. Laut der Plattform der Liberalen Juden der Schweiz und dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund handelte es sich bei dem «unverfrorenen und abstossenden Übergriff» um eine «gut geplante und koordinierte» Aktion. Die JLG reichte Strafanzeige ein. Und nun, drei Tage später, werden Eszil und fünf seiner Kollegen verhaftet.

Eszil und seine Kameraden machen weiter

Es ist nicht das erste Mal, dass Mitglieder der Winterthurer Eisenjugend in den Verdacht geraten, Online-Veranstaltungen zu kapern und dabei antisemitische Propaganda zu verbreiten. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Offiziell gilt die Eisenjugend als aufgelöst. Ebenso ihre Partnergruppe Nationalistische Jugend Schweiz (NJS), die auch im Raum Winterthur aktiv war. Doch Eszil und einige Kumpel des harten Kerns machen unbeirrt weiter. Und zwar mit der neu gegründeten Gruppe Junge Tat. Sie ist die Jugendbewegung der rechtsextremen Nationalen Aktionsfront (NAF). Ihr Symbol ist die Rune des germanischen Kriegsgotts Tyr. Mit dabei sind im Hintergrund auch Neonazis aus den Kantonen Schwyz und Aargau.

Seit längerem arbeiten diese jungen Rechtsextremisten mit Leuten ausserhalb des Kantons Zürich zusammen. So mit einer ganzen Reihe bekannter deutscher Neonazis, aber auch mit einem jungen Bauernsohn aus dem Kanton Luzern, der zu den umtriebigsten Mitgliedern der NJS gehörte. Er wurde am Mittwochmorgen ebenfalls verhaftet und der Luzerner Jugendanwaltschaft zugeführt.