Kein Schutz für jüdische Bevölkerung

Neue Zürcher Zeitung: Es ist in der Tat ein unwürdiges Schwarzpeterspiel, das auf dem Rücken der jüdischen Bevölkerung ausgetragen wird (NZZ 23. 11. 16). Insbesondere ist juristisch kaum haltbar, dass sich der Bund aus der Verantwortung für jüdische Einrichtungen ziehen will. Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist nicht allein Aufgabe der Kantone. Der Bund hat daran mitzuwirken. Dies gilt hier umso mehr, als antisemitische Bewegungen regelmässig auch rechtsextrem oder islamistisch sein dürften. Es handelt sich also um staatsschutzrelevante Vorgänge, welche auf Bundesebene anzugehen sind. Hinzu kommt schliesslich, dass die Sicherung des Religionsfriedens ebenfalls eine Aufgabe ist, welche auf eidgenössischer (und kantonaler) Ebene angesiedelt ist. Der Staat trägt Verantwortung für alle seine Bürgerinnen und Bürger – auch für jüdische.

Patrice Zumsteg, Zürich

Die jüdische Bevölkerung soll (wie damals die jüdischen Flüchtlinge) im Rahmen einer Stiftung finanziell weiterhin selbst für diese Schutzkosten aufkommen und eine Stiftung mit namhaftem Organisationskapital errichten, an der sich die öffentliche Hand nicht beteiligen würde. Diese Aussage ist eine bittere Pille, auch rechtsstaatlich; sie insinuiert, dass die wohlhabenden Juden (leider gibt es auch viele sehr arme jüdische Familien) keines finanziellen staatlichen Schutzes bedürften, die Mittel seien ja vorhanden. Es wurden im entsprechenden Bericht der Fachstelle für Rassismusbekämpfung auch Bedenken geäussert, dass andere religiöse Gemeinschaften sonst solche Beiträge einfordern würden, was zurzeit eine reine Hypothese ist. Ein vom Sicherheitsausschuss des Bundesrates im Februar 2016 organisiertes Treffen zwischen Vertretern der jüdischen Organisationen und den Kantonen hat sich als Alibiübung erwiesen. Der Bund sieht die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung, falls die Möglichkeit einer staatlichen finanziellen Unterstützung etabliert werden sollte. Gleichzeitig winkt der Bund aber ab und versucht, die Betroffenen zu entmutigen, indem er auf einen jahrelangen Prozess für diesen Rechtsweg hinweist.

Der Bundesrat sollte sich zusammenraufen und eine Botschaft zuhanden des Parlaments ausarbeiten, um den notwendigen und berechtigten Schutz jüdischer Institutionen rechtlich griffig zu verankern. Es stört, dass der Bund als Adressat dieses rechtsstaatlichen Anliegens es vorgezogen hat, den Ball einfach an den Absender zurückzuwerfen, ohne den Willen zur Umsetzung einer gerechten Lösung kundzutun.

Evelyn Teitler-Feinberg, Zürich

Wer, wie Luzi Bernet in seinem Kommentar, mit Anwürfen wie «verwerflich» und «Insinuation» Richtung Bundesrat zielt, muss gute Gründe dafür haben. Diese liegen vor, wie der Initialbericht von Daniel Fritzsche über die Juden und ihre Sicherheit zeigt.

Der Bundesrat erklärt sich als nicht zuständig für den Schutz der Synagogen und jüdischen Schulen, erlaubt sich aber, im selben Atemzug detaillierte, schulmeisterliche Empfehlungen an die Juden zu geben, wie diese selber für den Schutz und dessen Finanzierung aufkommen sollen. Dazu sind sie durch das Nichtstun der Behörden ohnehin schon seit Jahren gezwungen. Welch inkonsequente Haltung des Bundesrates, die Luzi Bernet als «Schwarzpeterspiel» meisterhaft aufs Korn nimmt. Allerdings wird das übliche tiefe Schwarz dieses Peters hier getönt durch einen leisen, hellbraunen Hauch, von Bernet treffend als «Gschmäckle» bezeichnet.

Man fragt sich auch, warum der Bundesrat seine Empfehlungen für den Selbstschutz und dessen Kostenübernahme selektiv nur an die Juden richtet und nicht auch an Betreiber von Institutionen, die gleichermassen Ziel von Anschlägen oder Randalierern sein können. Ich denke zum Beispiel an grosse, reiche Sportklubs und ihre schon heute durch unabgegoltene staatliche Leistungen geschützten Spielorte. Allgemeingültige Empfehlungen des Bundesrates sind weder selektiv abzufassen noch selektiv zu verteilen, wie dies leider im vorliegenden Fall erfolgt ist.

Der Bundesrat schreibt in seinem Bericht, dass der Schutz von jüdischen Einrichtungen eine «Angelegenheit von nationaler Tragweite» ist. Diese Aussage genügt nicht. Es handelt sich vielmehr – und besonders in diesem Falle – um eine nationale Pflicht. Man weiss, warum.

Leo Schmutz, Pfeffingen