Kampf um Ordnung

NZZ am Sonntag: Randale in Stadien ist nicht neu. Seit Jahrzehnten bemühen sich die Klubs, der Verband und die Polizei um friedliche Verhältnisse in den Stadien. Heute sehen sie sich nicht mehr Hooligans rechter Prägung gegenüber, sondern der Subkultur der Ultras. Von Pascal Claude

Es waren noch fünf Minuten zu spielen auf der Lausanner Pontaise, als der Schiedsrichter für die Ungarn einen zweifelhaften Elfmeter pfiff. Ferenc Puskás trat an und verwandelte, die Schweiz verlor 4:5. Das Stadion kochte, wie der damalige Nationaltorhüter Antonio Permunian im Buch «Das Spiel meines Lebens» erzählt: «Junge Herren im Sonntagsanzug mit Hut und Mantel tobten, fluchten und warfen Flaschen nach dem Schiedsrichter. Der arme Kerl musste nach dem Schlusspfiff schnurstracks in die Katakomben flüchten.»

Das Länderspiel fand 1955 statt. Aggressionen von erbosten Zuschauern, meist gegen Schiedsrichter oder besonders ruppige Spieler des Gegners, sind in der Schweiz zurück bis in die 1920er Jahre dokumentiert. Seit den 1970er Jahren haben sie in der Sportberichterstattung ihren festen Platz. «Schlägerei hinter dem FCZ-Tor», «Feldinvasion von Hunderten von Zuschauern», «Schiedsrichter-Trio bis auf den Bahnhof verfolgt», «Raketen und Steinwürfe nach Schlusspfiff» – das ist nur eine kleine Auswahl an Schlagzeilen, die der «Sport» in den Jahren 1970 und 1971 verfasste.

Der Fussballplatz war in den letzten hundert Jahren nie ein Ort der Besinnung. Und doch scheint die Ursachenforschung zu den jüngsten Krawallen von der Frage geleitet, wie mit diesem scheinbar neuartigen Phänomen wild gewordener Fan-Horden umzugehen sei. Vereine, Fussballverband und Polizei bemühen sich seit Jahrzehnten, die Ordnung in den Stadien aufrechtzuerhalten. So verpflichtete das Komitee der Nationalliga 1973 den FCZ, sein Spielfeld «mit einer soliden Umzäunung von mindestens 2,50 m Höhe zu umgeben», um den Platzstürmen ein Ende zu bereiten. Später folgte die Unterteilung der Stehtribünen in verschiedene Sektoren als Reaktion auf Übergriffe von Schlägern auf gegnerische Fans. Als sich darauf die Aggressionen vor das Stadion verlagerten, verstärkte die Polizei ihre Präsenz auf den Anfahrtswegen bis hin zu einer rigorosen Trennung der Fan-Lager, wie wir sie heute kennen. Zum medialen Dauerbrenner und bundespolitischen Traktandum, von dessen Tragweite heute ein eigenes Kapitel im Jahresbericht «Kriminalitätsbekämpfung» des Fedpol zeugt, wurde die Situation rund um Sportstadien aber erst nach der Jahrtausendwende. Dass die Fans genau zu jener Zeit verstärkt in den Fokus rückten, ist kein Zufall.

Vorbild Italien

2002 erhielten die Schweiz und Österreich den Zuschlag zur Durchführung der Euro 2008. Die Ligen der beiden Länder gerieten mit der Kandidatur unter verstärkte Beobachtung, der Aspekt der Sicherheit wird von der Uefa als Organisatorin schon länger stark gewichtet. Zur selben Zeit entfaltete sich auf Schweizer Stehrängen eine neuartige Subkultur: die Ultras. Sie widersprachen nahezu allem, was sich die nationalen und internationalen Fussballverbände unter geordneten Stadionverhältnissen vorstellten.

Bis in die 1970er Jahre wurden die Schweizer Stehränge von heterogenen Fan-Massen bevölkert. Ein gemischtes Publikum aus Kindern und Rentnern, Kutten tragenden Einzelgängern und kleineren Fanklubs verfolgte das Spiel. Stimmung entstand so spontan wie Aggression, und beides war stark an Ereignisse auf dem Spielfeld geknüpft. Im Fokus von Gewaltsuchenden standen meist die Schiedsrichter, die sich oft sogar während des Spiels vor Handgreiflichkeiten schützen mussten. Mitte der 1970er Jahre begannen junge Männer um den Hockeyklub Lugano, den «Tifo», das orchestrierte Anfeuern des Teams nach italienischem Vorbild, in die Schweiz zu importieren: Konfetti, Trommelschläge und Feuerwerk belebten die Eishockeystadien, die Fans standen dicht beisammen und intonierten kollektiv eigens komponierte Hymnen. Die ekstatische Atmosphäre wurde auf Kassetten gebannt, die vom späteren Nationalrat Flavio Maspoli herausgegeben wurden und sich grosser Beliebtheit erfreuten.

In ihrer auffälligen, kompakten Erscheinung boten die Tifosi des HC Lugano eine ideale Angriffsfläche für gegnerische Fans. Vor allem mit Anhängern des ZSC kam es regelmässig zu Schlägereien. Damit hatte sich die Gewalt rund um Schweizer Stadien erstmals konsequent vom konkreten sportlichen Ereignis entkoppelt. Bis der Tifo aus dem Tessiner Eishockey in die Fussballstadien der Restschweiz überschwappte, dauerte es aber noch mehr als zwanzig Jahre. Doch auch in Basel und Zürich blieb nicht einfach alles beim Alten.

Nördlich des Gotthards suchten erlebnishungrige Sportfans ihre Vorbilder nicht in Varese oder Mailand, sondern im Norden. Der auf der britischen Insel grassierende Hooliganismus hatte sich längst nach Deutschland verbreitet. In Basel entstanden 1980 die ersten Fanklubs mit mehr oder weniger offenem Hang zu Gewalt und Randale. Gastspiele der englischen Nationalmannschaft und des FC Liverpool in der Schweiz im Jahre 1981 boten Anschauungsunterricht in Hooliganismus. In Leserbriefen beschwerten sich nichtsahnende Stadionbesucher, auf ihren Plätzen unvermittelt von gegnerischen Radaubrüdern angegriffen worden zu sein, und gemässigte Fanklubs veröffentlichten empörte und entschuldigende Stellungnahmen. Schon bald sahen sich auch Vereine und Verband gezwungen, auf die neuen Unruhestifter zu reagieren. Mit unorthodoxen Methoden wie dem Entsenden von Karatekämpfern in die eigene Fankurve versuchte etwa GC, die Situation in der Griff zu bekommen. Es sollte jedoch noch Jahre dauern, bis sich der Schweizer Fussball dieser Form der importierten Fan-Gewalt entledigte.

Dem Hooliganismus schweizerischer Prägung war eine starke Rechtslastigkeit eigen. In Fanklub-Postillen wurde offen gegen Türken und Tamilen gehetzt, in den Stadien wurden Gegner als «Juden» beschimpft. Oft blieb es nicht bei Parolen, und die Hetze setzte sich in den Innenstädten gegen Wehrlose fort. Über die Fussballfans legte sich ein dunkler brauner Schatten, den sie bis heute nicht ganz losgeworden sind. Der Neuenburger Sportsoziologe Thomas Busset nahm noch 2003 vom Bundesrat einen Forschungsauftrag zu Fankurven mit dem Titel «Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen» entgegen – um zum Ergebnis zu gelangen, dass der Einfluss rechter Kreise auf den Rängen im Schwinden begriffen ist.

Was Busset und sein Team bei ihrer Arbeit antrafen, war eine gänzlich neue, vom alten Hooliganismus weitgehend unabhängige Fan-Szene. Um die Jahrtausendwende hatten sich auf der Basler Schützenmatte, im Zürcher Letzigrund, aber auch im Hardturm, im Berner Neufeld und im St. Galler Espenmoos neue Fangruppen gebildet, die nicht mehr nach englischem oder deutschem, sondern nach südländischem Vorbild zu Werke gingen. Unter diesen Fans war erstmals auch eine grössere Anzahl Gymnasiasten. Konfrontationen mit dem Gegner scheut auch diese neue Fan-Generation nicht, doch sind solche nebst vielseitigen Gesängen, aufwendigen Choreografien, Pyro-Shows, selbstproduzierten Fan-Artikeln und selbstverwalteten Fan-Lokalen nur ein Aspekt unter vielen. Für die Ultras erfüllt die Hingabe an einen Fussballverein nicht nur das Wochenende, sondern das Leben. Aus der vielseitigen Arbeit für die Fankurve und den zahlreichen gemeinsamen Erlebnissen entstehen enge Freundschaften. Ein langjähriges Mitglied des St. Galler «Espenblocks» schreibt dazu im Kulturmagazin «Saiten»: «Natürlich, wenn ich am Sonntagmorgen in aller Frühe in den Zug steige, um ein Spiel in Lausanne zu sehen, bei dem der eigene Klub eigentlich nur verlieren kann, dann habe auch ich mich schon gefragt, warum ich nicht einfach wie alle anderen den ganzen Sonntag verschlafe. Sobald ich aber alle Freunde sehe, sobald ich diese Vorfreude spüre, diese Energie, dieses Gefühl dazuzugehören, dann sind solche Zweifel weggeblasen.»

Feindbild Polizei

Weil es zwischen den Ultra-Gruppen immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt, vor allem aber auch wegen des Einsatzes von verbotenem Feuerwerk in den Stadien, hat das Parlament im Vorfeld der Euro 2008 mit dem BWIS II ein Gesetz gegen Hooliganismus verabschiedet. Seit 2007 ist es in Kraft, inzwischen wird es als Hooligan-Konkordat in den meisten Kantonen weitergeführt. Die Ultras sehen darin einen direkten Angriff auf ihre Identität: Der Grossteil der in der Datenbank Hoogan Registrierten wurde mit Feuerwerk erwischt, effektive Gewalttaten machen nur rund zehn Prozent der Einträge aus. Mit geschlossenen Reihen, uniformer Kleidung und Vermummung versuchen die Fankurven, sich der Repression zu entziehen. Gleichzeitig dient ein solcher Auftritt der Demonstration von Stärke und Macht. Mit der Polizei will kein Ultra etwas zu tun haben. Nicht einmal, wenn Hooligan-Gruppen alter Schule die eigenen Reihen für ihre Zwecke missbrauchen.

Registriert

1400

So viele Personen waren Ende Januar 2014 in der Datenbank Hoogan erfasst. Von den eingetragenen Personen sind zwölf weiblich, 72 Prozent haben einen Bezug zum Fussball, 28 Prozent einen Bezug zum Eishockey.

Was im Ausland passiert

Jede Liga hat eigene Regeln

England

Nach dem Tiefpunkt in den 1970er und 1980er Jahren sind Ausbrüche von Hooliganismus in Grossbritannien selten geworden. Die Wende brachte das traurige Jahr 1985, unter anderem mit der Katastrophe im Heyselstadion, wo 39 Menschen starben, und den Ausschreitungen in Birmingham, wo ein 15-Jähriger erstochen wurde.

Diverse gesetzliche und polizeiliche Massnahmen halfen, die Gewalt einzudämmen. Dazu gehören das Alkoholverbot auf den Tribünen, die Abschaffung der Stehplätze, der An- und Abmarsch der Gästefans unter Polizeikontrolle, Videoüberwachung und sofortige Entfernung von Anhängern, die sich provokativ benehmen. Hohe Eintrittspreise haben zudem die Zusammensetzung des Publikums verändert. Die im Ausland weit verbreitete Meinung, das Problem sei in die unteren Ligen abgedrängt worden, trifft hingegen nicht zu. Hooligans gibt es noch, gewissen Teams haftet historisch der Ruf an, über besonders kampffreudige Fans zu verfügen. Wenn sich diese in Szene setzen wollen, tun sie dies nun eher abseits von den Spielen, zum Beispiel abends in der Party-Meile der jeweiligen Stadt.

Deutschland

Die Bundesliga hat sich in den letzten Jahren ein ganz eigenes Image erarbeitet. Sie gilt als ein Ort der Mitsprache, denn Fan-Organisationen verschaffen sich bei den Klubs Gehör. Und sie gilt als sicher: Randale wie im Jahr 2013 am Derby zwischen Schalke und Borussia Dortmund ist die Ausnahme, anders als noch in den 1990er Jahren, als es häufig zu Ausschreitungen kam. Als Reaktion auf die Ausschreitungen deutscher Hooligans an der WM 1998 in Lens, als der Polizist Daniel Nivel zum Krüppel geschlagen wurde, initiierten die Behörden eine Kartei für Fussball-Gewalttäter. Sie hat mittlerweile 12 000 Einträge.

Die relative Ruhe hat ihren Preis: Starke Polizeipräsenz ist das eine, dazu hat sich das Publikum merklich gewandelt, denn Fussball ist en vogue. Doch im gleiche Zuge, wie das Publikum ein anderes wurde, fanden Krawalle zunehmend in den unteren Ligen statt. Allwöchentlich kommt es im deutschen Fussball bis in die untersten Ligen zu Gewalttätigkeiten. Selbst Jugendturniere sind davon betroffen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger sagt, die Gewalt sei mittlerweile enthemmt und exzessiv. Noch vor Jahren wurde Fussballrandale vor allem als ein Phänomen des Ostens dargestellt. Doch mittlerweile zeigt niemand mehr mit dem Finger auf die sogenannten neuen Bundesländer.

Italien

Am Samstag ist es vor dem italienischen Cup-Final Fiorentina – Napoli in Rom zu schweren Ausschreitungen gekommen. Vier Napoli-Fans wurden durch Schüsse verletzt, einer befindet sich in Lebensgefahr. Die Probleme im Calcio haben sich in den letzten Jahren verschoben. Gewalt hat sich von den Arenen auf die weniger scharf bewachten Anfahrtswege und in die unteren Ligen verlagert. Eine signifikante Minderheit der Ultras bedient sich regelmässig rassistischer, antisemitischer und chauvinistischer Gesten. Ob die politischen Haltungen dahinter tatsächlich so ausgeprägt sind, wie viele vermuten, ist umstritten. Auffällig ist, dass sich die Tendenzen im Lauf der Jahre wandelten: Herrschten in den 1980er und 1990er Jahren rechtsextreme Äusserungen vor, die nach der Jahrtausendwende rassistisches Beiwerk bekamen, tritt in jüngster Zeit vor allem die regionale Beleidigung auf. Sanktionen scheinen die Provokateure eher herauszufordern, denn zu bremsen. Fanarbeit ist in den italienischen Klubs wenig entwickelt.

Spanien

Vor einigen Jahren säten radikale Fangruppen noch öfter Terror, nun hat die Gewalt rund um Fussballspiele nachgelassen. In Verruf gerieten auch die Präsidien der Grossklubs. Unter Joan Laportas Leitung verschärfte Barça deshalb den Kurs gegen die Unverbesserlichen. Real Madrid zog nach. Ein Sanktionskatalog der staatlichen Kommission gegen Gewalt im Sport wirkte zudem abschreckend. Das Innenministerium versuchte bisher allerdings vergeblich, den Profiklubs Sicherheitsgebühren aufzubürden. Die Vereine verweisen darauf, schon über 200 Millionen Euro investiert zu haben. Sie sind mehrheitlich klamm und sparen nun beim Personal und der Erneuerung der technischen Anlagen.

In dieser Saison kam es zu wenigen und eher leichten Vorfällen. Zweimal betroffen war der Aufsteiger Villarreal. Im Match gegen Vigo flog eine Rauchbombe auf den Platz, ein längerer Unterbruch folgte. Mangels Videoüberwachung ist der Verursacher nicht ermittelt worden. Villarreal erhielt 4000 Euro Geldstrafe.

In einem anderen Fall geht es um Rassismus. Dani Alves vom FC Barcelona hob eine Banane an der Cornerfahne auf, schälte sie und trat mit vollem Mund den Eckball. Dank Hinweisen aus dem Anhang wurde der Werfer, der seit 25 Jahren Klubmitglied Villarreals war, nach kurzer Zeit identifiziert und mit einem Stadionverbot belegt.

Frankreich

Die gute Nachricht zuerst: In Frankreichs Fussball-Szene sind Vorfälle mit Hooligans im Abnehmen begriffen. Führten beispielsweise die Matches zwischen Paris Saint-Germain und Olympique Marseille einstmals regelmässig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, so hat sich die Lage seit der Übernahme des PSG durch katarische Geldgeber und deren Politik stratosphärischer Eintrittspreise beruhigt. Das bisher letzte nennenswerte Ereignis war vergangenen November in Nizza zu verzeichnen, wo Ultras des Gastklubs St-Etienne mit Anhängern des OGC Nice aneinandergerieten. Die Ligue de Football Professionnelle (LFP), die auf Repression setzt und sich durch den Trend bestätigt fühlt, bestrafte Saint-Etienne mit einem Geisterspiel und den Platzklub mit einer Geldbusse von 15 000 Euro.

Zu den schlechten Nachrichten gehört indessen, dass sich die Auslöser des Vorfalls, die als radikal bekannte Gruppierung «Green Angels», bereits Monate zuvor als eingetragene Vereinigung aufgelöst hatte. Ein Beispiel, das inzwischen landesweit Schule macht. Denn damit können die Anführer der Ultras bei Ausschreitungen strafrechtlich nicht mehr haftbar gemacht werden: ein Ausweichen in die Klandestinität, das eine Fanatisierung befürchten lässt. Dies ist gemäss Kritikern eine Konsequenz der repressiven Politik der LFP, die polizeilichen Massnahmen absoluten Vorrang gibt, aber zum Beispiel den Dialog mit Fans ausser acht lässt.

Schweden

Das Gewaltproblem in der ersten schwedischen Fussballliga ist nicht neu: Abbrennen von Pyrotechnik, Werfen von Gegenständen auf den Platz, aber auch Einschüchterungen von Spielern und Funktionären sind keine Seltenheit. Seit dem Tod eines unbescholtenen Anhängers von Djurgardens Stockholm vor einem Spiel in Helsingborg vor vier Wochen streitet die schwedische Konsensgesellschaft nun erneut über die Toleranzgrenze. Der Mann wurde von einem der Polizei bekannten Gewalttäter zusammengeschlagen und erlag den Verletzungen. Fussballfans starteten darauf die Kampagne «Jetzt reicht’s!».

Politiker und Polizeivertreter fordern, Gästefans künftig von Auswärtsspielen auszuschliessen, wie das im schwedischen Eishockey bereits praktiziert wird. Auch das Abschaffen von Stehplätzen wird in Erwägung gezogen. Ein von der Regierung beauftragter Ermittler kritisiert die viel zu langsame Umsetzung seines schon vor einem Jahr gelieferten Massnahmenkatalogs. Er fordert ein Vermummungsverbot für Fans und den Ausschluss verurteilter Hooligans von einer Zone um das Stadion herum. Derzeit können diese nur am Betreten der Arena gehindert werden.

Türkei

Jüngst feierte Fenerbahce Istanbul den Gewinn der Meisterschaft im eigenen Stadion nur mit Frauen und Kindern. Spiele ohne erwachsene Männer sollen die Atmosphäre in den Stadien seit 2011 zivilisieren und die Bilder von leeren Tribünen aus dem TV-Event Süperlig verbannen. Doch seit dem Manipulationsskandal von 2011 nahmen Polarisation und Politisierung im türkischen Fussball nur zu. Damals gewann laut türkischem Strafgericht Fenerbahce den Titel nur, weil der Klub Spiele gekauft hatte. Von der Uefa ist er für mindestens zwei Jahre aus allen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen, Fenerbahce-Offizielle sind zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Der türkische Fussballverband aber erklärte, es habe keine erfolgreichen Manipulationen gegeben, und verhinderte den Zwangsabstieg von Fenerbahce und anderen in den Skandal verstrickten Klubs. Seither ist die Stimmung in den Stadien noch vergifteter.

Zu den Istanbuler Derbys zwischen Besiktas, Galatasaray und Fenerbahce sind schon lange keine Gästefans zugelassen. Um mehr Sicherheit zu garantieren, wurde jüngst überstürzt ein E-Ticketing-System eingeführt. Führende Fanklubs boykottieren es, nicht zuletzt aus Datenschutzgründen.