Ist die Basler Stawa auf dem rechten Auge blind? Die Aufsichtskommission findet deutliche Worte

bz basel.

Die Behörde, welche die Staatsanwaltschaft überwacht, spricht im Zusammenhang von den «Basel Nazifrei»-Prozessen von «Pannen». Ihr Bericht ist politisch brisant.

Die Aufsichtsbehörde der Basler Staatsanwaltschaft ist nicht bekannt als scharfer Wachhund der Strafbehörden. In ihren bisherigen Berichten – es gibt sie erst seit 2015 – schaute sie eher väterlich, dass die Stawa genügend Mittel zur Verfügung hat, als dass sie mit Strenge den Strafverfolgern inhaltlich auf die Pelle rückte. Das entspricht ihrem Auftrag: Die Kompetenzen der Aufsichtskommission sind recht genau abgesteckt. Sie soll vor allem schauen, dass Verfahren nicht zu lange dauern. Das sorgte auch schon für Kritik: Wie die bz am Montag berichtete, will eine Arbeitsgruppe aus linken Grossrätinnen und Grossräten den Einfluss der Aufseher vergrössern.

Nur einen Tag später, der Zeitpunkt ist zufällig, zeigt die Kommission ihre Zähne. Im neu erschienenen Jahresbericht geht die Aufsichtskommission mit der Stawa teils hart ins Gericht. Hintergrund ist ein Anlass, der den Basler Justizapparat seit Jahren in nie dagewesener Dimension beübt: die «Basel Nazifrei»-Prozesse. Im November 2018 hielt eine kleine Gruppe rund um den Rechtsextremen Tobias Steiger in der Nähe des Messeplatzes eine Art Kundgebung ab. Dies wiederum rief hunderte Gegendemonstranten auf den Plan. Die Demo unter dem Namen «Basel Nazifrei» endete in gewalttätigen Ausschreitungen und ist Gegenstand von dutzenden Gerichtsverfahren. Was die Ermittler allerdings lange versäumten: die antisemitische Brandrede von Tobias Steiger, mutmasslicher Auslöser der ganzen Demo, zu verfolgen. Mit dem Bericht der Aufsichtskommission werden weitere Details dazu bekannt, wie stiefmütterlich die Basler Stawa dem Rechtsextremen nachstellte.

Dutzende Beamte reagieren nicht

Erst Ende April diesen Jahres erliess die Stawa einen Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung gegen Steiger, zwei Wochen nach kritischen Medienberichten. Unter dem Punkt Geschädigteninteresse notierte der zuständige Staatsanwalt darin: «gering». Dies, obwohl der Israelitische Gemeindebund sofort Strafanzeige eingereicht und auch in der Folge mehrfach Druck gemacht hatte. Im Punkt Medieninteresse kreuzte der Staatsanwalt an: «nicht gegeben». «Beide Angaben sind nicht nachvollziehbar und unzutreffend», urteilt die Aufsichtsbehörde. Der betreffende Staatsanwalt habe die öffentliche Wahrnehmung «völlig verkannt». Die Begründung der Stawa lässt mindestens so tief in die Arbeitsprozesse blicken: Tatsächlich hätten die Leiter der Verfahren gegen die linken Demonstranten und jene gegen die rechten Demonstranten bis mindestens März 21 nie miteinander gesprochen.

Bei einer Begegnung zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Ersten Staatsanwalt, Sasha Stauffer, war diese Angelegenheit offenkundig eine der Hauptthemen. Stauffer sagte dort gemäss Bericht, dass niemand nach politischen Gesichtspunkten Verfahren bevorzugt behandle, und dagegen sah die Aufsichtskommission keinen Gegenbeweis. Alle Zweifel konnte Stauffer aber offenbar nicht ausräumen, denn in der Folge verschärft die Kommission ihren Ton sogar noch: Die Stawa hätte sich selbst «in ein ungünstiges Licht gebracht», weil sie die Gegendemonstranten «mit grossem Aufwand und in einer grossen Anzahl von Einzelverfahren zur Rechenschaft zieht und harte Strafen fordert», während sie die Rechtsextremen «objektiv nicht mit derselben Dringlichkeit» verfolgte. Es sei «erklärungsbedürftig», dass die zahlreichen Beamtinnen und Beamten von Kantonspolizei und sogar dem Nachrichtendienst nicht auf die Idee kamen, ein Verfahren wegen Rassendiskriminierung anzustreben obwohl es sich sogar um ein Offizialdelikt handelt.

Schliesslich rät die Kommission, die Stawa soll ein Instrument einstellen, um «Pannen in der internen und externen Kommunikation» künftig zu verhindern. Und ganz am Schluss folgt der politisch vielleicht aufgeladenste Tipp: Die Stawa soll «die Prioritätensetzung bei der Verfolgung von Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmern zusammen mit dem Regierungsrat überprüfen.»