Experten geisseln neues Konzept

 

Neue Luzerner Zeitung vom 20.07.2010

 

Die Schlachtjahrzeit wird zum Grossanlass. Damit werde der Anlass auch für Rechtsextreme attraktiver, befürchtet ein Experte.

 

von Emanuel Thaler

Der Luzerner Regierungsrat plant für die 625. Ausgabe der Sempacher Schlachtjahrzeit einen Grossanlass für jedermann. Den Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof überrascht das. Er hat sich im Zusammenhang mit der Bundesfeier auf dem Rütli intensiv mit dem Aufmarsch von Rechtsextremen befasst. «Auf dem Rütli ging man genau den umgekehrten Weg und hat nur noch geladene Gäste zugelassen.»


«Schwer verständlich»

 

Es möge gute Gründe geben, die für einen Grossanlass sprechen, sagt Imhof. Hinsichtlich der Attraktivität für Rechtsextreme sei ein Grossanlass aber nicht sinnvoll: «Damit bietet man den Rechtsextremen eine grössere Bühne.» Imhof geht davon aus, dass rechte Kreise diese auch nutzen. Das Wechselspiel zwischen den Rechtsextremen und dem Medieninteresse intensiviere sich. Entsprechend findet er die Begründung für die Vergrösserung des Schlachtjahrzeit-Anlasses «schwer verständlich».

 

Herbert Ammann, Geschäftsführer der Schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), bestätigt: «Das nach dem Eclat von 2005 eingeführte Ticketsystem war der Schlüssel zum Erfolg.» Die SGG organisiert die Bundesfeier auf dem Rütli. Gleich wie Ammann sieht dies Karl Egli, Stabschef der Urner Polizei. Zu Grossaufmärschen von Extremisten kam es an der Rütlifeier seit der Einführung des Ticket-Systems nicht mehr.

 

Ein Ticket-System ist in Luzern kein Thema. «Unsere Veranstaltungen sollen der ganzen Kantonsbevölkerung offen stehen», sagt Harry Sivec, Informationschef des Kantons. Dass das neue Konzept der Sempacher Gedenkfeier den Extremisten eine grössere Plattform bietet, glaubt Sivec nicht: «Wir wollen unter allen Umständen verhindern, dass extreme Kreise eine Plattform erhalten.»


Gedenkmarsch wird gestrichen

 

Gemäss heutigem Stand wird deshalb der Gedenkmarsch von Sempach zum Schlachtgelände nicht mehr durchgeführt. «Sicherheitsaspekte waren einer der Gründe für diesen Entscheid», bestätigt Sivec. Um die am Marsch teilnehmenden traditionellen Gruppen für die neue Veranstaltung zu gewinnen, sucht der Kanton den Kontakt mit den bisherigen Akteuren. «Wir wollen ihnen aufzeigen, was der Kanton beabsichtigt und wie die Vereine künftig eingebunden werden könnten», sagt Sivec. SVP-Kantonsrat Marcel Omlin hat andere Pläne: In einem Dringlichen Postulat verlangt er, «die althergebrachten Traditionen mit Zunft zu Safran, dem Luzerner Kantonalen Unteroffiziersverband und den sonstigen historischen Gruppen aufrechtzuerhalten.»

 

 

Juso klagen Journalisten an


Die Luzerner Jungsozialisten (Juso) haben beim Presserat eine Beschwerde gegen die NZZ eingereicht. In einem Artikel, der am 15. Juli erschienen war, wurden die Juso als «Linksextreme» bezeichnet. «Das ist eine Verunglimpfung. Wir sind eine Partei, die demokratisch in Parlamenten mitarbeitet», sagt David Roth von den Juso, selbst Grossstadtrat in Luzern. Mit der Beschwerde erhoffe man sich, dass der Presserat festhalte, dass die Juso nicht in die Ecke der Extremisten gestellt werden dürfen.

 

Journalist ist Stadtpolitiker

 

Weiter stören sich die Juso daran, dass der Artikel von Martin Merki, seines Zeichens FDP-Fraktionschef im Luzerner Stadtparlament, verfasst worden ist. «Es ist heikel, wenn ein Politiker auch als Journalist politische Artikel verfasst», sagt Roth. Die journalistische Unabhängigkeit scheine nicht gewährleistet. Auch diesen Vorwurf wollen die Juso vom Presserat untersucht haben. Journalist Merki will sich zur Beschwerde nicht äussern. Es stehe jedem frei, sich an den Presserat zu wenden, sagt er.