Hooligans ohne Lust auf Randale

TagesAnzeiger. Ausser WC-Papier flog nichts auf den Rasen – die GC- und Basel Fans gaben sich gestern gesittet. Kaum Arbeit für die Deltas, etwas mehr für die Stadtpolizei.

Von Chris Winteler

«Nix Pyro?» fragt einer auf dem Internet-Forum des FC-Basel. Keine Fackel, keine Knaller, kein Rauch? Nein, gar nichts, fordern die Fan-Verantwortlichen. Der Verzicht jeglicher Feuerwerkskörper auf dem Hardturm sei ein Dankeschön an Peter Landolt, den Stadion- und Eventmanager der Grasshoppers und Zuständiger für die Sicherheit im Stadion. Landolt pflegt den Kontakt zu den Fans, zu den eigenen und den gegnerischen. Ende August organisierte er ein Fussballspiel zwischen einem GC-Team und der «Bande Basel», den berüchtigsten Hooligans der Schweiz. Landolt will auch den bösesten Hool nicht ausgrenzen, sondern erziehen, integrieren. So lässt er gestern vier Basler rein, die eigentlich schweizweit Stadionverbot haben – er sagt, so wolle er Hooligans in die Verantwortung nehmen.

Eine «positive Fankultur», das ist sein Ziel. Choreografien in den Fankurven sind erwünscht: Beim gestrigen Cupmatch zum Beispiel warfen GC-Fans kurz vor Anpfiff ganz viele WC-Rollen über die Gitter, rosa und weich, vor allem aber Migros-Budget. Landolt glaubt, dass es auch wegen dieser «positiven Fankultur» zu weniger Problemen zwischen Ordnungskräften und Klubanhängern kommt. Und tatsächlich, selbst die Deltas, die privaten Sicherheitskräfte, die im Hardturm für Ordnung sorgen, sind bei den GC-Fans weniger verhasst als auch schon. M. P. M. von der Blueside-Fangruppe sagt: «Die sind nicht mehr so aggressiv wie früher.»

Gut gebaut, aber keine Rambos

Die Deltas geben sich auch alle Mühe, nicht mehr breitbeinig, mit verschränkten Armen dazustehen. Einsatzleiter Fässler Mario sagt: «Meine Leute sollen den Blickkontakt suchen und freundlich sein.» Fässler weiss um das Image der «Möchtegern-Soldaten», die alleine schon durch ihre Anwesenheit provozieren. Er stellt klar, gut gebaut seien sie nun mal, denn schliesslich gelte es, einen Auftrag zu erfüllen. Aber «gross und dumm – Rambos», das treffe nicht zu. Natürlich seien sie im Nahkampf geschult, aber Psychologie und Recht würden ebenfalls vermittelt.

Um 12 Uhr treffen sich die Delta-Männer und wenige Frauen zum Briefing im Kraftraum. Sie steigen in graue Overalls, darunter sind sie gut gepolstert. Man dürfe sie auch fotografieren, sagt Markus Biedermann, Chef des Schutzdienstes. Nur bitte nicht in Unterhosen. Disziplin bitte, mitdenken, unbedingt, und einordnen, sagt Einsatzleiter Fässler. Sein klarer Auftrag an alle: Fackeln finden.

Die Deltas müssen verhindern, dass Pyrotechnik ins Stadion geschmuggelt wird. Keine leichte Aufgabe. Frauen verstecken Rauchpulver gerne im BH, Männer in den Schuhen. Eigentlich, so Biedermann Markus, müsste jeder Besucher gefilzt werden. Das ginge auch, kämen die Leute früh genug ins Stadion. Aber auch diesmal warten Hunderte von Basler Fans knapp vor Anpfiff am Eingang 4. Vorsichtig tasten die Deltas Männerbeine ab, Daumen Richtung Unterhose, so wie es der Einsatzleiter gesagt hat, dort nämlich seien Fackeln versteckt. Die Sicherheitsleute müssen sich einiges anhören: «Zweimal hät er mer an Sagg glängt, so geil.» «Fühle mich benützt!» «Schwule Sau.» Viele sind besoffen, keiner schweigt. Feuerwerkskörper werden keine gefunden. Nur Fahnen werden beschlagnahmt, solche mit Totenköpfen, andere mit dem bekannten Mittelfinger.

Keine Fackel, keinen Knall, kein Rauch im Stadion. Nur einmal brennt in der Basler Kurve eine Fahne – dafür gibts Pfiffe von allen Seiten. «Alles lief gut», rapportiert Einsatzleiter Fässler nach Spielschluss. GC hat gewonnen, die Zürcher Fans sind zufrieden, haben auch gar keine Lust auf eine Konfrontation mit den zahlenmässig überlegenen Baslern. Die über 13 000 Zuschauer haben das Stadion verlassen. Feierabend für die Deltas, jetzt übernimmt die Stadtpolizei.

Autofahrer zückt die Pistole

Und die Polizisten kommen noch zu zwei kleinen Einsätzen. Gegen 17.20 Uhr blockiert eine Gruppe von rund 200 FCB-Anhängern die Hardbrücke. Zwei Männer, die Richtung Bucheggplatz unterwegs sind und aufgehalten werden, verlieren die Nerven. Stürmen aus dem Auto, zücken eine Faustfeuerwaffe und ein Messer, gehen auf die jungen Fans, viele von ihnen sind vermummt, los. Niemand wird verletzt, die zwei Kosovaren im Alter von 17 und 21 Jahren werden verhaftet und abgeführt. Wenig später werden die zwei Wasserwerfer doch noch kurz eingesetzt. Weil die Fans auf der Strasse Richtung Bahnhof gehen und nicht auf dem Trottoir. Sie hätten den Verkehr auf der Limmatstrasse blockiert, heisst es seitens der Polizei.