Hitlergruss hat keine strafrechtlichen Konsequenzen

Der Bund.

Ein Massnahmengegner zeigte an einer Demo in Bern den Hitlergruss. Er habe bloss provozieren wollen, argumentierte der 50-Jährige vor Gericht.

Er sei sicher kein Nazi, gab der Mann vor Gericht zu verstehen. «Es war eine spontane Handlung.» Alles in allem habe er bloss provozieren wollen, legte er am Donnerstagnachmittag vor dem Regionalgericht Bern dar.

Bei besagter Provokation handelt es sich um einen Hitlergruss. Gezeigt hatte ihn der heute 50-jährige Berner am 8. September letzten Jahres an einer bewilligten Kundgebung der Massnahmenkritikerinnen und -kritiker. Geschätzt 3000 aufgebrachte Menschen marschierten an jenem Abend durch Bern. Der Bundesrat hatte zuvor die Ausdehnung der Zertifikatspflicht auf Restaurants bekannt gegeben.

Beim Waisenhausplatz traf der Demozug auf eine kleinere Gegenkundgebung aus dem linksaktivistischen Milieu. Es kam zu gegenseitigen Beleidigungen. Inmitten dieser aufgeheizten Stimmung hob der Beschuldigte den Arm zum Hitlergruss in die Höhe und verharrte so einige Sekunden.

Weil später ein Video von der Szene auf Social Media kursierte, brach ein Shitstorm über den Mann herein. Er fühlte sich genötigt, seine Tat zu erklären. Dies tat er mit einer längeren Stellungnahme auf seiner Website. Am Donnerstag konnte er sich auch vor Gericht rechtfertigen. Dies deshalb, weil er sich gegen die von der Staatsanwaltschaft ausgesprochene Busse von 200 Franken gewehrt hatte.

Mann sieht sich als Opfer

Der Beschuldigte, der in Bern einen Verkaufsstand betreibt, sieht sich in der ganzen Geschichte als Opfer einer öffentlichen Anprangerung. Wegen des von linken Gegendemonstranten gestreuten Videos hätten sich viele Leute von ihm distanziert, weil sie dachten, er sei ein Rechtsradikaler. «Ein schlimmeres Image kann man nicht haben», meinte der Mann.

Die Gegendemonstranten hätten den Massnahmenkritikern den Mittelfinger gezeigt. «Da dachte ich: Wenn ihr uns als Nazis beschuldigt, so grüsse ich euch halt wie einer», so der Beschuldigte. «Ich wollte ihnen den Spiegel vorhalten.» Denn wer andere Meinungen nicht toleriere, handle antidemokratisch.

Provokationen wie jene des Beschuldigten bewegen sich in einem juristischen Graubereich. Denn anders als etwa Deutschland hat die Schweiz eine relativ lasche Gesetzgebung, wenn es um das öffentliche Zurschaustellen von Nazi-Symbolik geht. Hier gilt: Der Hitlergruss ist grundsätzlich erlaubt. Nur wer damit Propaganda für den Nationalsozialismus betreibt, macht sich wegen Rassendiskriminierung strafbar. So hat es das Bundesgericht 2014 in einem Urteil festgehalten.

Bund will kein Verbot

Das wusste natürlich auch die Staatsanwaltschaft. Deshalb «flüchtete» sie sich wohl in den Vorwurf des «unanständigen Benehmens», der schliesslich im Strafbefehl steht. Doch dieser breit gefasste Straftatbestand verfing nicht. Die Richterin sprach den Mann frei und brummte dem Kanton die Verfahrenskosten von 1100 Franken auf.

Sie argumentierte mit der fehlenden Rechtsgrundlage auf Bundesebene und verwies darauf, dass sich auch der Bundesrat und die eidgenössischen Räte mehrmals dagegen aussprachen, Nazi-Symbolik wie etwa den Hitlergruss generell unter Strafe zu stellen.

Der Mann nahm das Urteil regungslos zur Kenntnis. Später dankte er der Richterin, fügte jedoch an, dass er «nichts anderes erwartet» habe.