Gewaltbereite Szene stets aktiver

Der Bund

RECHTSEXTREMISMUS / Die Schüsse auf «Solter-Polter» in Bern zeigen für Beobachter, dass die Rechtsextremenszene stark am Wachsen ist. Mit verantwortlich sei die Politik etablierter Parteien, die sich vermehrt am Begriff der Überfremdung orientiere.

sda. Der Schütze, der vor einer Woche in Bern Schüsse auf die Unterkunft «Solter-Polter» von Linksaktivisten abfeuerte, sowie zwei Mittäter sind gefasst: Sie gehören der rechtsextremen Szene an. Die gewaltbereite rechtsextreme Szene in der Schweiz schätzt der stellvertretende Chef der Bundespolizei (BUPO), Jürg Bühler, auf rund 700 Personen. In dieser Zahl ist die Mitläufer-Szene nicht mitgezählt, weil diese schwierig zu erfassen sei.

Laut Bühler steigt die Tendenz. Die Szene erhalte auch Zulauf durch Hooligans, die sich im Umfeld von Fussball- und Eishockeyteams formieren. Zudem würden die ursprünglich apolitischen Gruppen häufiger politisch organisiert, was sich in der angekündigten Gründung der Nationalen Partei Schweiz widerspiegle.
Ein starkes Ausbreiten der Szene stellt auch Publizist Hans Stutz fest, der die rechtsextreme Szene seit Jahren beobachtet. Vor allem die Skinhead-Szene sei in den letzten drei Jahren rasant gewachsen, sagt er. Daneben weiteten sich aber auch andere Strömungen wie politisch motivierte Neonazis und Holocaust-Leugner aus.

Landesweit organisiert
Laut Stutz verkehren Skinheads vorwiegend in lokalen und regionalen Cliquen. Zwei Organisationen operieren jedoch landesweit: die schweizerischen Hammerskins und die «Blood & Honour»-Bewegung, die sich an der Ideologie der Waffen-SS orientiert. Die Beziehungen gehen auch über die Landesgrenzen hinaus. Das bevorzugte Feindbild der Skinheads sind linke Gruppierungen, wie im Fall der Schüsse auf «Solter-Polter». Zur Zielscheibe werden Antifaschisten, Punks und Autonome. Diese stünden meistens im gleichen Alter wie die rechtsextremen Gewalttäter, sagt Stutz weiter. Laut dem Staatsschutzbericht 1999 des EJPD sind die meisten Skinheads zwischen 16 und 22 Jahre alt.
Stutz nennt politische und gesellschaftliche Gründe für das Anwachsen der rechtsextremen Szene in der Schweiz. Dazu zählt er den härteren wirtschaftlichen Verteilungskampf, der Ängste schüre. Zudem verfolge die Schweiz seit Jahren eine Politik, die sich am Begriff der Überfremdung orientiere. Das bestärke die rechte Szene in ihren Ansichten.

Rückenwind durch Politik
Die zunehmende Aktivität der rechtsextremen Szene lasse sich aber auch auf das veränderte politische Klima zurückführen, sagt Stutz weiter. Dieser Aussage schliesst sich auch Jürg Frischknecht an, der die rechtsextreme Szene wie Stutz seit Jahren beobachtet. Da mittlerweile auch etablierte Parteien gegen Ausländer hetzten, verschaffe dies den Rechtsextremen Rückenwind. Frischknecht ortet das Problem aber auch bei der zu wenig konsequenten Umsetzung von Gesetzen wie der Rassismus-Strafnorm. Bei grösseren Anlässen der rechten Szene werde regelmässig durch Musikbands und via Tonträger zu Gewalt aufgerufen, was durch die Behörden zu wenig eingedämmt werde.