Gastbeitrag zu «Antifa» und «Basel Nazifrei»: Ein SP-Doyen geht mit Basler Linksradikalen ins Gericht

baz online.

Basel ist eine demokratische und weltoffene Stadt, sie muss nicht von Nazis und Faschisten befreit werden, findet Roland Stark.

Auf Schritt und Tritt stolpert man in Basel über die Kampfbegriffe «Antifa» und «Basel Nazifrei» – als Schmiererei an Hauswänden, auf Flugblättern und Transparenten, in den Medien, in Gerichtsakten, Auftragsbüchern von Strafverteidigern, auf T-Shirts. Gibt man beide Wörter bei Google ein, tauchen knapp 16’000 Erwähnungen auf. Wer ahnungslos unseren Stadtboden betritt, so die Warnung, wird offenbar durch Nazis und Faschisten bedroht.

Die «Antifa» sieht sich selber – auf ihrer Homepage nachzulesen – in der Tradition der Antifaschistischen Aktion, die 1932 in Berlin in Form eines Bündnisses von KPD- und SPD-Mitgliedern als Kampfgemeinschaft gegen den erstarkten Nationalsozialismus gegründet wurde. Adolf Hitlers Partei hatte in den Reichstagswahlen Ende Juli 37,3 Prozent Wähleranteil und 230 Sitze erobert. Bereits lange vor der Machtergreifung im Januar 1933 wütete der Terror der SA, insbesondere gegen Linke und Juden. Der Widerstand kam zu spät und wurde nur halbherzig betrieben. Die Folgen sind bekannt: Der Zweite Weltkrieg, über 60 Millionen Tote, 6 Millionen ermordete Juden, verwüstete und zerstörte Länder und Städte.

Schon ein flüchtiger Blick auf die politischen Realitäten zeigt, dass in Basel keine blutrünstigen Diktatoren wie Francisco Franco, Benito Mussolini oder Adolf Hitler im Anmarsch sind. Auch herrschen hierzulande keine «Weimarer Verhältnisse» mit sozialer Not und hoher Arbeitslosigkeit, die unsere demokratischen Strukturen gefährden.

Die Meinungs- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet, der Rechtsstaat mit intakter Gewaltentrennung funktioniert, Parlament und Regierung sind demokratisch gewählt und in der Bevölkerung solide abgestützt, das Initiativ- und Referendumsrecht wird von links und rechts intensiv beansprucht. Nennenswerte Kräfte, die unsere in der Verfassung verankerten Werte und Rechte grundsätzlich infrage stellen, sind weit und breit nicht in Sicht. Einige wenige hirnlose, völlig isolierte Spinner stellen keine ernsthafte Bedrohung dar.

Die Politik kann mit demokratischen Mitteln gewaltfrei reformiert werden, Mehrheitsverhältnisse ändern, von bürgerlich zu rot-grün und wieder zurück, ohne dass der Notstand ausgerufen und der Grundkonsens aufgekündigt wird.

Trotz diesen kaum bestreitbaren Fakten haben sich «Antifa» und «Basel Nazifrei» in den Medien als Begriffe fest etabliert. Wie katholisch, liberal oder vegan. Und es gibt sogar – angeblich «linke» – Politikerinnen und Politiker, die sich diesen Gruppierungen regelmässig als Unterstützer und Vermittler zur Verfügung stellen und ihre Worte, Taten und Untaten aus falsch verstandener Solidarität verharmlosen und verteidigen. Dazu gesellen sich Journalistinnen, die die Schuld an Zwischenfällen reflexartig der Polizei in die Schuhe schieben.

Und es gibt noch einen, fast noch wichtigeren Unterschied zwischen dem Widerstand in den 1930er-Jahren und ihren heutigen «Nachfolgern». Mein Onkel Josef Stark, Antifaschist und Funktionär der KPD, stand mit Namen, Vornamen und Wohnort in den Fahndungsakten der Gestapo. Selbst die lebensgefährlichen Scharmützel mit der SA wurden mit offenem Visier geführt. Mir ist aus jener Zeit kein Dokument in Erinnerung, in der ein Widerstandskämpfer vermummt abgebildet wird; übrigens auch kein 1.-Mai-Demonstrant oder Fussballfan.

Im Gegensatz dazu treten die antifaschistischen Krieger der Neuzeit fast ausschliesslich anonym auf. Keiner von ihnen bringt den Mut auf, seine Identität bekannt zu machen. Ihr Markenzeichen ist eben gerade nicht das offene Visier, sondern der schwarze Kapuzenpulli.

Wer jedoch als Mitglied im Grauen oder Schwarzen Block gemäss Selbstdeklaration gegen «Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Antifeminismus, Faschismus und Rechtsextremismus» kämpft, sollte sich nicht feige vor der Öffentlichkeit verstecken. Jeder Kegelclub, jeder Turnverein und jede politische Partei kennen Ansprechpersonen, die offen und ehrlich über ihre Motivation und ihre Aktivitäten Auskunft erteilen.

Diese selbst ernannten «Antifaschisten» aber, die Basel vor nicht existenten Nazis beschützen wollen, pflegen nicht das Erbe ihrer Vorgänger. Sie sollten die Spraydose durch ein Geschichtsbuch ersetzen.

Roland Stark, ehemaliger SP-Grossrat, Basel.