«Für Leute mit rassistischer Gesinnung hat es in der Armee keinen Platz»

NZZ am Sonntag

Ein Untersuchungsrichter der Armee will vier Wehrmänner nicht vor Gericht bringen, die in der RS rassistische Sprüche gemacht haben. Schulkommandant Zeno Odermatt erklärt, warum dies falsch sei.

NZZ am Sonntag: Was ist in Ihnen vorgegangen, als Sie im August 2005 erfahren haben, dass zwei Unteroffiziere und zwei Rekruten der Grenadier- Rekrutenschule in Isone (TI) rassistische Sprüche gemacht und sich mit dem Hitlergruss begrüsst haben?

Zeno Odermatt: Als mir ein Obergefreiter im Rahmen einer Fragestunde von den Vorfällen erzählte, habe ich zuerst geglaubt, es handle sich um einen schlechten Witz. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass solche Entgleisungen in Form von Gesten und Aussagen heutzutage überhaupt noch möglich sind.

Wie haben Sie reagiert?

Obwohl wir uns damals in der Schlussphase der Rekrutenschule befanden und man die Vorfälle hätte unter den Tisch wischen können, war mir klar, dass das Motto nicht heissen kann «Augen zu und durch». Ich musste handeln und klar machen, dass solche Leute für die Schweizer Armee nicht tragbar sind.

Sind Grenadiere, die sich ja als harte Kerle sehen, besonders anfällig für rechtsextremistische Tendenzen?

Es ist normal, dass ein junger Mann, der eine harte Rekrutenschule von 25 Wochen Dauer durchsteht, eine gesunde patriotische Einstellung mitbringen muss. Doch zwischen einer solchen Einstellung und einer rassistischen Gesinnung besteht ein riesiger Unterschied. Aus Tradition schneiden viele Grenadier-Rekruten die Haare kurz, zudem haben sie eine besondere Beziehung zur Schweizer Fahne. Doch deswegen darf man keinen Link machen zu den Rechtsextremen, wie sie sich jeweils am 1. August auf dem Rütli präsentieren.

Ein Untersuchungsrichter der Militärjustiz hat nun empfohlen, das Verfahren gegen die vier Wehrmänner einzustellen.

Diese Empfehlung liegt seit dem 10. Dezember bei mir auf dem Pult. Ich wollte meinen Entscheid nach den Ferien kommunizieren, die ich am 17. Dezember angetreten habe. Ich werde den Fall nicht rein disziplinarisch erledigen, wie es der Untersuchungsrichter vorschlägt. Ein solch gravierender Fall kann nicht mit zehn Tagen scharfem Arrest beigelegt werden, was bei einem Disziplinarverfahren die Maximalstrafe wäre. Die Entgleisungen haben sich über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen hingezogen. Es handelt sich also nicht um einen einmaligen Ausrutscher.

Der Untersuchungsrichter hat argumentiert, dass die Äusserungen im privaten Rahmen erfolgt seien und deshalb keine Öffentlichkeit im Sinne des Antirassismusgesetzes bestehe.

Diese Begründung kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die Armee ist eine Zwangsgemeinschaft, bei der ich meine Kameraden und Vorgesetzten nicht aussuchen kann. Bei zwei der Beschuldigten handelt es sich um Kaderangehörige. Es ist für niemanden tragbar, dass er während seines Militärdienstes mit rassistischen Sprüchen konfrontiert wird. Für Leute mit einer rassistischen Gesinnung hat es in der Schweizer Armee keinen Platz.

Was werden Sie nun unternehmen?

Ich ziehe den Fall weiter und will, dass er durch ein Militärgericht beurteilt wird. Eine Voruntersuchung durch die Militärjustiz ist beantragt.

Was unternehmen Sie, damit solche Ausrutscher nicht mehr vorkommen?

Man muss nichts vorkehren, denn ich bin überzeugt, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Wir hatten vorher in unserer RS noch nie so grosse Probleme mit rassistisch motivierten Aussagen und Gesten. In jeder RS bilden wir Wehrmänner und Kader aller ethnischen Gruppen und geographischer Herkunft aus. Secondos leisten sehr viel und sind meistens auch bei den Besten ihrer Klasse oder Schule. Auch eine so fordernde Schule wie die Grenadier-RS ist ein Spiegel der Gesellschaft, und nicht nur Meiers und Müllers rücken in Isone ein.