Ein Fackelzug mit Spätwirkung

Der Landbote vom 18.02.2012

Hombrechtikon. Ein Fackelzug von 50 Rechtsextremen durch das Dorfzentrum sorgt in Hombrechtikon erst Tage später für Wirbel: Offenbar hat kaum jemand den nächtlichen Aufmarsch bemerkt.

Frank Speidel/Michel Wenzler

Ein medialer Sturm ging gestern über Hombrechtikon nieder: Nachdem die Pendlerzeitung «20 Minuten» über einen «Neonazi-Fackelzug durch ein Zürcher Dorf» berichtet hatte, wurden die Gemeindebehörden mit Anfragen überhäuft. Rund 50 Rechtsextreme sollen am Montag mit einem Transparent, das an die Bombardierung Dresdens 1945 erinnerte, durchs Dorf gezogen sein. Der Gemeinderat sei erst am Donnerstagmorgen durch einen Journalisten dar­über informiert worden, schreibt dieser in einer eilends verschickten Mitteilung. Er lässt nun abklären, ob der Fackelzug gegen das Recht verstossen hat.

Nicht das erste Mal

Es ist nicht das erste Mal, dass Rechtsextreme die Zürichseegemeinde Hombrechtikon in schlechtes Licht rücken. Vor Jahren zettelten sie an der Dorfchilbi Schlägereien an. Einer, der sich mit der Szene in der Umgebung auskennt, ist Lothar Janssen, Leiter der Beratungs- und Präventionsstelle an der Schule Hombrechtikon. Dort fielen vor ein paar Jahren vereinzelt Schüler mit ihrer rechtsradikalen Gesinnung auf. Derzeit gebe es an der Hombrechtiker Schule aber kein Problem mit Rechtsextremen, sagt Janssen. Auch an der Chilbi sei es ruhiger geworden. Von der Nachricht über den Fackelzug zeigte er sich gestern überrascht. Er habe Kenntnis von einer aktiven Neonazi-Szene im Zürcher Oberland, aber durch seine Arbeit keine direkten Kontakte zu ihr. «Die meisten dieser Männer sind zwischen 20 und 30 Jahre alt.»

Rechtsextremismus-Experte und Journalist Hans Stutz überrascht es nicht, dass der Umzug der Neonazis bei der Hombrechtiker Bevölkerung weitgehend unbemerkt blieb. Denn bei solchen Anlässen gebe es keine Ankündigung für ein Publikum. Zudem würden an einem Gedenkmarsch in der Regel keine Parolen skandiert – gut möglich also, dass vom Vorfall nur jene Notiz nahmen, die sich gerade in der Strasse aufhielten.

Klar ist für Stutz, dass es in der Umgebung von Hombrechtikon eine aktive rechtsextreme Szene geben muss. «Der Fackelzug zeigt, dass in der Region ein Mobilisierungspotenzial vorhanden ist.» Die Teilnehmer solcher Kundgebungen würden sich jeweils aus einem Umkreis von 20 bis 30 Kilometer re-krutieren. «Dass der Fackelzug in Hombrechtikon stattgefunden hat, bedeutet aber nicht unbedingt, dass die Neonazis auch im Dorf wohnen.»

Vor knapp drei Jahren hatten rund 100 Rechtsextreme in einer Waldhütte im nahen Männedorf eine Feier abgehalten. Ein Jahr später sorgte die Verurteilung der Neonazi-Band Amok wegen Rassendiskriminierung für Aufsehen. Der Sänger stammte aus Hombrechtikon, der Schlagzeuger aus dem benachbarten Wolfhausen. In einem Lied der Gruppe war Stutz mit dem Tod gedroht worden (siehe Kasten).

Neonazi-Band mit einem Bezug zu Hombrechtikon

«Hans Stutz, du musst dich nicht wundern, wenn einst ein Messer in deinem Rücken steckt»: Wegen diesem und anderen Songtexten mussten sich die Mitglieder der Neonazi-Band Amok 2010 vor der Justiz verantworten. Der Journalist Stutz ist Experte für Rechtsextremismus. Der Sänger der Band Amok wohnte zum Zeitpunkt der Verstösse – das heisst, als die CD veröffentlicht wurde – in Hombrechtikon, der Schlagzeuger im nahen Wolfhausen, der Gitarrist in Siebnen und der Bassist im aargauischen Zetzwil.

Vom Amtsstatthalteramt Luzern wurden die bei der Verurteilung 22- bis 29-jährigen Männer unter anderem wegen Drohung und Rassendiskriminierung zu Geldstrafen von mehreren Tausend Franken verurteilt. Ob die Band etwas mit dem Hombrechtiker Fackelumzug vom Montag zu tun hat, ist unklar. Die Lust aufs Musikmachen jedenfalls ist den Bandmitgliedern nach der Verurteilung nicht vergangen: 2010 hat Amok eine neue CD veröffentlicht. (fsp)