Duell mit Wasserballons

St. Galler Tagblatt: Justiz Der Streit um die Rassismusvorwürfe gegen einen Rheintaler SVP-Lokalpolitiker wird für die St. Galler Staatsanwaltschaft zum Debakel.

Der Erste Staatsanwalt des Kantons St. Gallen ist ungehalten. «Ich finde es schwer verständlich, dass gewisse Leute der Auffassung sind, ihre Meinung zu den verschiedensten Themen sei derart massgebend, dass sie sie ungefragt öffentlich im Internet verbreiten müssen», schreibt Thomas Hansjakob in einer Stellungnahme von Ende August an das Untersuchungsamt St. Gallen. Es geht um den Fall Marcel Toeltl. Der Präsident der SVP-Ortspartei St. Margrethen zählt zu den bekanntesten Lokalpolitikern der Ostschweiz, seit er sich im Februar 2015 in seinem Internetblog abschätzig über den angeblich «tiefen Länder-IQ» von Syrern und Eritreern ausgelassen hatte. Seither schieben sich Gerichte, Staatsanwaltschaft und Anklagekammer gegenseitig den Fall zu. Dass das juristische Hickhack zwischen Toeltl und seinen Widersachern schon so lange dauert, daran ist die Staatsanwaltschaft nicht unschuldig, wie die jüngste Episode zeigt.

Hansjakobs Stellungnahme bezieht sich auf eine Beschwerde in einem von mehreren Verfahren, die der Fall Toeltl mittlerweile provoziert hat. Markus Portmann, Ex-Parteisekretär der St. Galler Grünliberalen, hatte Toeltl im Februar 2016 in einem inzwischen geschlossenen Internetforum als «bekennenden Rassisten» und «Nazi-Sympathisanten» bezeichnet – also ein Jahr nach dessen Blog-eintrag zu den Syrern und Eritreern. Toeltl zeigte Portmann daraufhin wegen übler Nachrede an. Das Untersuchungsamt St. Gallen fand an den Äusserungen nichts Verwerfliches und stellte das Verfahren am 2. August ein. Portmann habe davon ausgehen können, dass seine Äusserungen der Wahrheit entsprächen. Schliesslich unterhalte Toeltl Kontakt zu rechtsextremen Social-Media-Nutzern und Internetportalen. Gegen diesen Entscheid reichte wiederum Toeltl Beschwerde ein. Und das hat nun Staatsanwalt und SP-Mitglied Hansjakob offensichtlich in Rage gebracht.

«Eigentlich Gescheiteres

zu tun»

In seiner Stellungnahme schreibt Hansjakob: «Dass der Ton dabei (im Internet, Anm. d. Red.) zum Teil nicht akzeptabel ist, schein in diesem Medium üblich zu sein. Wenn dann aber Staatsanwaltschaft und Gericht als Schiedsrichter zur Frage bemüht werden, wer sich bei solchen Auseinandersetzung auf den Grundsatz der freien Meinungsäusserung berufen kann und wer beleidigt sein darf, dann muss ich darauf hinweisen, dass wir eigentlich Gescheiteres zu tun hätten, als uns um solche Auseinandersetzungen zu kümmern.» Hansjakobs Ausführungen gipfeln in folgender Feststellung: «Es gäbe ja auch Möglichkeiten der aussergerichtlichen Streiterledigung, die dem Niveau solcher Auseinandersetzungen angemessen wären (Ich denke etwa an das Duellieren im Garten mit Luftballons, die mit Wasser gefüllt sind).»

Der oberste Ankläger des Kantons lässt aber keine Zweifel daran, wer in seinen Augen der Übeltäter ist. Wer solche Blogeinträge wie Toeltl mache, «darf sich nicht wundern, wenn man ihn für einen bekennenden Rassisten hält», schreibt Hansjakob. Die Beschwerde sei abzuweisen. Es wäre Toeltls erste Niederlage in der ganzen Affäre. Bereits im Juli 2015 wurde Ex-Parteisekretär Portmann wegen eines E-Mails schuldig gesprochen, in dem er den SVP-Politiker unter anderem als «üblen Rechtsaussen-Fettsack» bezeichnet hatte. Im Juni dieses Jahres hatte die Staatsanwaltschaft Winterthur einen Journalisten wegen übler Nachrede und mehrfacher Beschimpfung gegen Toeltl verurteilt. Damals ging es um Twitter-Einträge mit Ausdrücken wie «Braunwurst» und «Trottel».

Es war der gleiche Journalist, der Toeltl im Februar 2015 wegen dessen Blogeintrags angezeigt hatte. Der Fall landete damals bei einem Rheintaler Staatsanwalt, der gegen Toeltl pflichtgemäss ein Verfahren wegen Verstosses gegen die Antirassismusstrafnorm eröffnete. Für die Anklage endete die Geschichte mit einer Niederlage. Toeltl wurde zwar halbherzig ermahnt, aber freigesprochen. Der Blogeintrag sei zu wenig gravierend für eine Verurteilung wegen Rassendiskriminierung, befand das Kreisgericht Rheintal. Die Zaungäste im Saal trauten ihren Ohren nicht, die St. Galler Justiz zeigte sich peinlich berührt. Was erst jetzt bekannt wurde: Der federführende Staatsanwalt soll Toeltl bereits nach der Einvernahme ermuntert haben, gegen seine Kritiker vorzugehen. Die Staatsanwaltschaft hat damit die nachfolgenden Verfahren zumindest teilweise selber provoziert.

Toeltl ist in dieser Affäre

längst fein raus

Das jüngste Kapitel im Fall Toeltl ist für die Staatsanwaltschaft schon jetzt ein Debakel. In seinem Schreiben an die Anklagekammer lässt Hansjakob seinem Ärger über seine eigene Behörde nun freien Lauf. Es sei zwar richtig, dass Toeltl wegen bestimmter Teile seinen Blogeintrags vom Februar 2015 freigesprochen worden ist. Falsch sei aber die Vermutung, die Staatsanwaltschaft habe den ganzen Eintrag oder gar das gesamte Verhalten von Toeltl im Netz geprüft. «Das war genau die Schwäche dieses Verfahrens: Die Staatsanwaltschaft hat einzelne Zitate herausgepickt, ohne sie in den Gesamtzusammenhang anderer Äusserungen von Herrn Toeltl zu stellen; das Gericht konnte denn auch nur die angeklagten Äusserungen beurteilen.» Was Hansjakob damit sagt: Hätte der Rheintaler Staatsanwalt seine Arbeit korrekt gemacht, wäre Toeltl heute ein verurteilter Rassist und die Sache erledigt. In der Realität ist es umgekehrt: Toeltl ist in dieser Affäre längst fein raus – und die Staatsanwaltschaft St. Gallen noch immer mittendrin.