Der Rechtsaussen von Pegida Schweiz

Tages-Anzeiger: Ignaz Bearth möchte möglichst viele SVP-Mitglieder auf seine Seite bringen.

Nicht auszudenken, wie die toten Karikaturisten von «Charlie Hebdo» ihn gezeichnet hätten: Ignaz Bearth, den 29-jährigen Ostschweizer, der jetzt auch ein plötzlicher Charlie geworden ist. Was insofern erstaunt, als er ausserdem die Direktdemokratische Partei Schweiz (DPS) leitet, die er im Sommer 2012 gegründet hat; sie politisiert rechts der SVP und ruft in ihrem Parteiprogramm zum Schutz «unserer Völker wie Kulturen» auf. Neuerdings tritt Bearth zudem als Schweizer Sprecher von Pegida auf, den in Deutschland geballten Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes. Die Bewegung hat sich am Freitag formiert und plant für den 16. Februar eine Kundgebung.

Bearth war früher Mitglied der Pnos, der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer – passives Mitglied, wie er präzisiert, dabei ist er schon in ihrem Namen aufgetreten. Ferner steht er im Kontakt mit dem Front National und der FPÖ in Österreich, veröffentlichte ein Video im Forum der Neonazi-Organisation Blood and Honour. Laut der linken Plattform «Antifa» sprach er als Redner am Europatag 2008, der von ungarischen Rechtsextremen in Budapest organisiert worden war; sein Deckname: Division Schweiz. Schliesslich war er Mitglied einer kurzzeitigen Facebook-Gruppe, die ein Manifest verbreitete, das den Massenmord von Anders Breivik «auch als Tat ­eines Verzweifelten» hinstellte.

Im Streit gegangen

Vor vier Jahren war Bearth der SVP St. Gallen beigetreten, hatte die Partei aber 2012 im Streit verlassen. Der Parteipräsident warf ihm vor, das Parteilogo für eigene Zwecke missbraucht zu haben, Bearth sprach von einer Verschwörung gegen ihn. Trotzdem wünscht er sich jetzt von seiner ehemaligen Partei, dass möglichst viele Mitglieder den Schweizer Ableger der Pegida unterstützen sollen. Anian Liebrand, Präsident der Jungen SVP, findet Pegida-Demonstrationen in der Schweiz etwas Gutes. Er kann sich auch gut vorstellen, dass die Jungpartei sie offiziell unterstützt.

Pegida Schweiz konnte in den letzten Tagen mehrere Hundert Zustimmer gewinnen, Bearths Bekenntnisse auf Facebook wurden gar über 30 000 mal gutgeheissen. Wie ernsthaft diese Zuneigung zu werten ist beziehungsweise wie gross das Verständnis für seine Überzeugungen, schon sprachlich, ist damit nicht gesagt. Laut dem österreichischen Ableger des Onlinemagazins «Vice» kommen 43 Prozent dieser Likes aus Indien und 14 Prozent aus Serbien. Das sind ungewöhnliche Zustimmungsorte für einen Schweizer Politiker.

Ignaz Bearth war trotz wiederholter Kontaktversuche nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Das Programm seiner Partei beruft sich explizit auf Demokratie und Rechtsstaat; mit Rassismus und Rechtsextremismus, beteuert der Jungpolitiker, wolle er nichts zu tun haben. Gerne hätte man ihn gefragt, wie er sich zu seinen früher geäusserten Überzeugungen stellt und was ihn dazu bewog, heute gemässigter aufzutreten. «Ignaz Bearth hat klar eine rechtsextreme Vergangenheit», sagt Hans Stutz, langjähriger Beobachter der Szene. Würden sich Rechtsextremisten von ihren Ansichten distanzieren, wisse man häufig nicht, ob sie sich opportunistisch verhalten würden oder nicht. Immerhin gebe sich Bearth seit einigen Jahren als mehr oder weniger gemässigter Rechtsaussen. Im Übrigen hält Stutz ihn für einen Ankündigungspolitiker, «der viel mehr versprach, als er dann umsetzte». So gesehen würde es ihn wundern, wenn die Kundgebung von Pegida Schweiz auch wirklich stattfände.

Ihr neuer Sprecher scheint davon überzeugt. Er habe in Zürich die Köpfe hinter Pegida Schweiz kennen lernen dürfen, schrieb er am Freitag auf Facebook. «Ich habe durchwegs einen positiven Eindruck von ihnen und ihrem Konzept erhalten.» Gemeinsam freuen sie sich auf den 16. Februar, wenn der «1. Abendspaziergang» stattfinden soll. Wo, sagt Bearth nicht, «20 Minuten» nennt die Ostschweiz. Wo jetzt ganz viele neue Charlies wohnen.

Dresden

25 000 an erstem Pegida-Aufmarsch nach den Anschlägen

Nach den Anschlägen von Paris hat die islam- und asylkritische Bewegung Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) am Montag in Dresden nach Polizeiangaben deutlich mehr Teilnehmer angezogen als bislang. Demnach nahmen am Abend 25 000 Bürger an dem Protestzug in der Innenstadt teil. Viele waren in Schwarz gekleidet und trugen Trauerflor. Etliche forderten Meinungsfreiheit. Vor einer Woche waren es rund 18 000 gewesen und damit etwa so viele wie kurz vor Weihnachten. Tausende Menschen beteiligten sich ihrerseits an zwei Gegendemonstrationen in der sächsischen Landeshauptstadt. In Berlin versammelten sich nach Polizeiangaben rund 4000 Gegendemonstranten

Die Pegida-Initiatoren hatten ihre Anhänger aufgerufen, im Gedenken an die Opfer von Paris Trauerflor zu tragen. Dies war in der Politik auf scharfe Kritik gestossen. Justizminister Heiko Maas monierte, die Opfer von Paris würden von den Initiatoren missbraucht. Zudem handle es sich um «pure Heuchelei», da Journalisten vergangene Woche von den Pegida-Anhängern noch als Lügenpresse beschimpft worden seien.

Maas und CSU-Chef Horst Seehofer hatten die Organisatoren aufgefordert, die Demonstration abzusagen und so Anstand zu zeigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Dienstag an einer Mahnwache vor dem Brandenburger Tor zum Gedenken der Opfer von Paris teilnehmen will, sagte, der Islam gehöre zu Deutschland.

Am Wochenende hatten in Dresden rund 35 000 Menschen bei einer Kundgebung für Toleranz und Mitmenschlichkeit vor der Frauenkirche ein Zeichen gegen Pegida gesetzt. (Reuters)