Der ganz normale Walliser Wahnsinn

Die erste und wohl auch letzte Frontlinie im Kampf gegen die Islamisierung des Abendlands liegt im Wallis. Genauer: inSion. «Es ist an der Zeit, dass sich die wertezentriertenrechtsbürgerlichen Kräfte hinter einem Gesellschaftsprojekt vereinen,das in den traditionellen Grundwerten verankert und zugleichzukunftsorientiert ist», heisst es im Communiqué mit dem Titel«Rechtsbürgerliches Bündnis». Auf dem Spiel stehe das mehrtausendjährige Vermächtnis der griechisch-christlichen Wertetradition, diejüdisch-christliche Grundlage unserer Zivilisation. Ja eigentlich:alles.

Freysinger sät Unfrieden

Wohlverstanden: Wir reden von den Wahlen in denWalliser Regierungsrat. Absender des Communiqués ist der umstritteneBildungsdirektor Oskar Freysinger von der SVP. Er wird nicht nur alsjener Schweizer Politiker in die Geschichte eingehen mit den geringstenBerührungsängsten zu Europas Extremisten, historisch schwierigenMemorabilia und schlüpfrigen Reimen.

Freysinger ist auch der grosse CVP-Spalter. Vorvier Jahren brach die SVP die absolute Mehrheit der CVP im Kanton, heute sät Freysinger Unfrieden zwischen dem linken und dem rechten Flügel der Partei. Zum Auftakt des Jahres präsentiert er im Rahmen des«rechtsbürgerlichen Bündnisses» mit Nicolas Voide einen CVPler undRegierungsratskandidaten, der den sicher geglaubten Sitz für denehemaligen CVP-Präsidenten Christophe Darbellay ernsthaft gefährdet.Voide und Darbellay wohnen im selben Bezirk, in die Regierung gewähltwerden kann darum nur einer der beiden. Der kantonale CVP-Präsidentschäumt (hütet sich aber, Voide aus der Partei auszuschliessen), undFreysinger freut sich im Stillen. Die Walliser Bevölkerung habe nun eine echte Auswahl, sagt der ehemalige Nationalrat. «Jetzt gibt es Bewegung, jetzt werden verkrustete Strukturen aufgebrochen!»

Voide, langjähriger Grossrat, hat eben sein Jahrals höchster Walliser beendet. Der Jurist aus Martigny ist schon mehrere Male gegen Darbellay angetreten – und hat immer verloren. SeineKandidatur wird im Wallis auf mehrere Arten gelesen. Sie sei erstens ein Vehikel für Freysinger, um von dessen Eskapaden abzulenken. Die jüngste Affäre ist erst einen Monat alt: Freysinger wollte Piero San Giorgioals Berater anstellen, einen anerkannten Weltuntergangspropheten, der in Youtube-Videos erklärt, wer die grosse Apokalypse überlebt und wer eher nicht: «Die Tunten werden sterben», soll er gemäss «Walliser Boten» imFrühjahr an einem Treffen von Rechtsextremen im Wallis gesagt haben.Nach grossem öffentlichem Druck trennte sich Freysinger von seinemBerater – nicht der beste Start ins Wahljahr.

Vielleicht hat Freysinger darum bei den anderenParteien (zuerst bei der FDP, aber da verhindert Pascal Couchepin immernoch einiges) um eine Allianz gebeten. Vielleicht sah das«Rechtsbürgerliche Bündnis» aber einfach nur endlich die Gelegenheit, um die im Herbst bekannt gewordene Affäre und das uneheliche Kind vonChristophe Darbellay noch einmal zu thematisieren – nach der erstenAufregung war die Sache zumindest medial schnell erledigt.

Im Communiqué von Freysinger finden sich neben der offen ausgesprochenen Verteidigung des Abendlands unzählige Hinweiseauf Darbellay und seine familiären Verhältnisse. So ist ein Ziel desBündnisses, die «Familie als grundlegende Zelle eines gesunden undausgeglichenen Staates» zu verteidigen. Er wolle nichts zu Darbellaysagen, sagt Freysinger selber. Und sagt dann, dass er selbst beinahe 29Jahre mit seiner Frau zusammen sei und mit ihr drei Kinder habe. «MeinVerhalten als Familienmensch meiner Frau gegenüber ist ein Spiegeldessen, was ich bin.» Dass er seinem Versprechen von damals treugeblieben ist, sei ein Zeichen von Ehrlichkeit und Konstanz.

Nichts und alles sagen

Auch der neue Kandidat sagt nichts und doch alleszur Privatsache von Darbellay. «Das muss jeder selber beurteilen», sagtVoide, der seine Kandidatur nicht als Kandidatur gegen Darbellayverstanden haben will. Und Darbellay selber? Der redet tatsächlich nicht mehr über die «private Sache» und gibt sich ganz gelassen. Das riechealles etwas verzweifelt und gebe schliesslich nur jemandem Schub: ihm.Aus der ganzen Schweiz und dem ganzen Wallis habe er seit demBekanntwerden der Kandidatur von Voide Unterstützung erhalten. «AmSchluss hilft das mir, das mobilisiert.»

Und das ist auch nötig – denn das Rennen wirdimmer enger. Drei offizielle Kandidaten von der CVP bewerben sich fürdie Wahlen im März, die SP hat eine Doppelkandidatur, die FDP will ihren vor vier Jahren verlorenen Sitz zurück, ein Unabhängiger kandidiertauch noch, und da ist eben Freysinger mit seinen zwei Mitstreitern vomBündnis. Viel Andrang für den fünfköpfigen Staatsrat. Aber es geht haltauch um viel: Irgendwo muss das Abendland schliesslich verteidigtwerden.