Demo mit Konfliktpotenzial bewilligt

Der Bund: Die Gruppe Stopp Kuscheljustiz darf am 29. März auf dem Bundesplatz demonstrieren. Linke Gegendemonstranten wollen das mit einer Blockade des Bundesplatzes verhindern.

In der Medienmitteilung des Berner Gemeinderats vom Donnerstagnachmittag ist von einem «Kundgebungswochenende mit Konfliktpotenzial» die Rede. Dennoch hat sich der Gemeinderat entschieden, die von rechten Kreisen geplante Platzkundgebung auf dem Bundesplatz unter dem Namen Stopp Kuscheljustiz zu bewilligen.

Damit werden am betreffenden Samstag vom 29. März zwei grosse Kundgebungen stattfinden. Denn auf linken Internetplattformen wie Indymedia.org wird bereits zur Gegendemonstration aufgerufen. Diese Demonstration ist nicht abgesegnet und wird es nach dem Willen des Gemeinderats auch nie: «Allfällige Gegendemonstrationen werden nicht bewilligt», heisst es in der Mitteilung. «Es ist einmal mehr eine ausserordentlich schwierige Situation», sagt der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Zugunsten der verfassungsmässigen Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit habe man sich aber für eine Bewilligung der lange geplanten Stopp-Kuscheljustiz-Demo entschieden. Die Polizei sei beauftragt worden, «alle geeigneten Massnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zu treffen».

Zuerst anders entschieden

Noch im Januar hatte die Stadt in einer ähnlichen Situation anders entschieden. Damals hatten linke Aktivisten für den 1. Februar ein Bewilligungsgesuch für eine Demonstration gegen die Masseneinwanderungsinitiative eingereicht. Dieses wurde jedoch abgelehnt. Nause begründete den Entscheid damals gegenüber dem «Bund» damit, dass der Verein Stopp Kuscheljustiz für diesen Tag ebenfalls eine Demonstration geplant habe. Ein Gesuch hatte der Veranstalter dazu jedoch nie eingereicht. Es sei immer ein Termin im März vorgesehen gewesen, sagte Dominik Pfister vom Verein Stopp Kuscheljustiz damals gegenüber dem «Bund».

Warum hat die Stadt die Kundgebung des Vereins bewilligt, obwohl dieses Mal im Internet gar explizite Aufrufe zur Gegendemonstration kursieren? «Der Unterschied liegt in der Vorlaufzeit», sagt Nause auf Anfrage. Man sei schon lange mit dem Verein Stopp Kuscheljustiz in Kontakt. Für die Kundgebung am Samstag sei im Vorfeld genügend Zeit geblieben, um ein entsprechendes Polizeidispositiv zu planen. Dies sei für die Demonstration Anfang Februar nicht möglich gewesen.

Rechtsextreme an Demo erwartet

Seit Bestehen der Plattform Stopp Kuscheljustiz kämpfen die Betreiber mit dem Rechtsextremismus-Vorwurf. Im Demonstrationsaufruf und auf Facebook distanzieren sie sich aber explizit von «jeglichem Extremismus». Neben dem Hauptanliegen, die «Kuscheljustiz» zu bekämpfen, heisst es auf der Seite des Vereins aber auch, man setze sich ein für «den Schutz unserer Heimat, der Kultur und Traditionen». Dieses nationale Gepräge hat dafür gesorgt, dass offenbar auch bekennende Rechtsextreme am Samstag nach Bern kommen wollen. Unter den bisher mehr als 800 Facebook-Usern, welche an der Veranstaltung teilnehmen wollen, finden sich auch diesmal Profile mit Namen wie «Nationalist Helvetia», «Selbst Justiz» oder solche, welche auf ihren Facebook-Profilen Bilder mit Slogans wie «frei, national, sozial» teilen. Ein User bietet auch «Mitfahrgelegenheiten aus Bayern und aus der Ostschweiz» an.

Mit einer Besetzung des Bundesplatzes wollen Berns Antifaschisten diesen Aufmarsch verhindern. Plakate in der Stadt im Stil der SP-Wahlwerbung fordern dazu auf, «Nazis zu blockieren». Auf der Facebook-Seite «Kein Platz für Neonazis und Nationalistinnen» haben sich bereits über 700 Personen für die Gegendemonstration angemeldet.

Zur Sache

«Man muss diese Leute ernst nehmen»

Herr Althof, die Stadt Bern hat der Gruppe Stopp Kuscheljustiz die Bewilligung erteilt, um am 29. März eine Kundgebung abzuhalten – ein richtiger Entscheid?

Ja. Auch Personen mit unliebsamen Meinungen haben das Recht, ihre Positionen kundzutun und zu demonstrieren. Das ist ein grundlegendes Element unserer Demokratie.

Linke Gruppierungen haben bereits eine Gegendemonstration angekündigt. Ausschreitungen werden kaum zu vermeiden sein.

Die Gefahr von Auseinandersetzungen ist vorhanden. Ich denke aber, die Polizei wird mit einem Grossaufgebot vor Ort sein und die nötigen Massnahmen treffen. Das Hauptziel muss sein, ein Zusammentreffen beider Gruppierungen zu verhindern.

Das Motto der Gegendemonstration lautet: «Kein Platz für Nazis und Nationalisten». Wie weit rechts stehen die Organisatoren der Kuscheljustiz-Demonstration wirklich?

Sie stehen sehr weit rechts. Von Rechtsextremisten würde ich aber nicht sprechen. Es sind in erster Linie Unzufriedene, die ihren Unmut zu artikulieren versuchen. Was ich an dem Verein Stopp Kuscheljustiz aber kritisiere, ist, dass sich dieser ausgerechnet mit der Justiz – dem Objekt ihrer Kritik – nicht systematisch auseinandersetzt. Ich kenne einer der Organisatoren. Er ist nicht gerade ein Fachmann auf dem Gebiet. Es gibt von ihm keinerlei qualitative Kritik an der Justiz.

Sie sprechen von Dominik Pfister, dem Präsidenten des Vereins. Pfister ist auf Facebook mit der rechtsextremen Pnos befreundet. Und seine Organisation preist Musik von rechtsextremen Bands an.

Gewisse Versatzstücke des Rechtsextremismus sind vorhanden. Allerdings ist keiner der Organisatoren in programmatisch rechtsextremen Zusammenhängen aufgetreten.

Unbestritten ist, dass auch Exponenten der Pnos und andere Neonazis ihre Teilnahme an der Kundgebung angekündigt haben.

Das rechtfertigt aber noch nicht, die ganze Veranstaltung in die braune Nazi-Ecke zu stellen, wie es die Linksradikalen tun. Man muss diese Leute ernst nehmen, mit ihnen das Gespräch suchen – und nicht den Mund verbieten. Stalinistisches Boxerdenken ist nicht zielführend.

Haben die Organisatoren überhaupt die Möglichkeit, die Teilnahme von Rechtsradikalen zu verhindern?

Kaum. Wenn sich die Veranstalter allerdings differenzierter äusserten und weniger auf Schlagworte setzten, könnten sie auch mit differenzierteren Demonstrationsteilnehmern rechnen. (chl)

Samuel Althof

Der 59-jährige Basler leitete die Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention Fexx in Oberwil.