ATAG trennt sich von Nazi-Sympathisant

Der Bund

RECHTSEXTREMISMUS / Für die Berner Niederlassung der Treuhandfirma ATAG Ernst & Young isterwiesen, dass einer ihrer Mitarbeiter deutschen Neonazis nahesteht. Sie hat sich deshalb umgehend vom 28jährigen Offizier der Fliegertruppen undVorstandsmitglied der FDP in Belp getrennt. Er selber sieht sich als Opfer eines Komplotts.

Autor: Marcel Suter

Am 12. Januar dieses Jahres erhielt die deutsche «InterNet Waffen SS» virtuellen Besuch aus Bern. Im Gästebuch gratulierte eine «Standarte Schweiz» zurgelungenen Homepage, notierte ein «88» (= zweimal der achte Buchstabe des Alphabets = Heil Hitler) und liess das NS-Motto «Unsere Ehre heisst Treue»wiederaufleben. Quasi als Visitenkarte hinterliess der Besucher auch eine E-Mail-Adresse.

Ein weiteres Mal tauchte die «Standarte Schweiz» im Gästebuch der Jungen Nationaldemokraten Baden-Württembergs auf. Berichtet wurde, wie «etwa vierzigNationalisten» aus der Schweiz an ein Neonazi-Treffen in Passau fahren wollten und vom Bundesgrenzschutz aufgehalten wurden. «Uns blieb einzig dieRückreise in die Schweiz. Wir, die Nationalen Schweizer verstehen nicht, warum wir schlechter behandelt wurden, als z.Bsp. Türken, die frei einreisendürfen!» Als Abschiedsgruss tauchte wieder die Doppel-acht auf, jedoch keine E-Mail-Adresse mehr. Doch hatte der Besucher seine Identität längstpreisgegeben. In der elektronischen Postadresse auf der Homepage der «InterNet Waffen SS» steckte nicht nur der Name des wahrscheinlichen Absenders,sondern auch derjenige seines Arbeitgebers: Hinter der Buchstabenkombination «be.aey.ch» verbirgt sich die Berner Filiale der bekannten Treuhand- undBeratungsfirma ATAG Ernst & Young.

Interne Internetkontrolle
Bereits Ende letzten Jahres hatte die ATAG bei einer internen Routinekontrolle gemerkt, dass S. die Homepages von Neonazis und Rechtsextremen besuchte.Man habe ihn deswegen zur Rede gestellt, sagt Rudolf von Siebenthal, Leiter der Berner ATAG-Niederlassung. S. habe dabei ein allgemeines Interesse geltendgemacht, worauf die Firma die Sache vorläufig auf sich beruhen liess.

Im neuen Jahr stiess eine Arbeitsgruppe aus der Berner Reitschule auf die virtuellen Spuren des 28jährigen. Dass E-Mail-Adresse und die Person S.zusammengehörten, zeigte ihr das neue Telefonbuch. Dort hatte S. unter seinem Namen auch die Buchstabenkombination der elektronischen Post seinesArbeitgebers eintragen lassen.

In der letzten Ausgabe der Reitschul-Zeitung «Megafon» gab die Antifa die Identität von S. bekannt. Mitte April wurde die ATAG darauf aufmerksam gemacht,und zwei Tage später musste S. seine Kündigung einreichen: «Ein rechtsextremer Sympathisant in unseren Reihen ist für uns nicht tragbar», sagt vonSiebenthal. S. habe zugegeben, an der Fahrt nach Passau dabeigewesen zu sein, ausserdem hätten Zeugen ihn in «voller Montur» gesehen. Diese Indizienreichten der ATAG für eine sofortige Freistellung. Dass die Zweigstelle Basel ausserdem als Anlaufstelle für die Besitzer von nachrichtenlosen Konti aus der Zeitdes Zweiten Weltkriegs fungiert, war für von Siebenthal «auch ein Grund» zur sofortigen Trennung.

S. war erst letzten Oktober von einer Temporärfirma an die ATAG vermittelt worden und arbeitete in subalterner Stellung. Zugang zu sensiblen Daten habe ernicht gehabt, sagt von Siebenthal. Von einer Strafanzeige habe die ATAG abgesehen: Der Beweis, dass S. selbst die E-Mail-Adresse plaziert habe, sei nicht zuerbringen.

Da kein strafrechtlich relevantes Vergehen vorliegt, hat S. vorderhand keine Konsequenzen für seine militärische Karriere zu befürchten. Er ist nach eigenenAngaben Leutnant der Fliegertruppen. Wenn ein Offizier wegen extremistischer Äusserungen nicht mehr tragbar sei, werde er vom Truppendienst entfernt, hältVBS-Sprecher Hansruedi Moser grundsätzlich fest. Doch werde zurzeit auf Veranlassung von Bundesrat Adolf Ogi politischer Extremismus in der Armeeuntersucht.

S. selbst sieht sich als Opfer eines Komplotts. Seine E-Mail-Adresse sei missbraucht worden, sagt das Vorstandsmitglied der Belper FDP, wo er für seine«Mitte-Rechts-Einstellungen» bekannt ist. Aber: «Ich bestreite, ein Neonazi zu sein.»