Nazi-Parolen im Saal

Mit Konzerten mobilisieren Westschweizer Skinheads regelmässig ihre Anhänger. Ein Film gibt einen Einblick in die Szene. Gestern wurde er in Nyon uraufgeführt.


Autor: Von Andreas Furler, Nyon

Ein roter Warnstempel ziert etwas reisserisch das Plakat zu Daniel Schweizers 60minütiger Fernsehreportage „Skin or Die“: „Achtung, dieser Film enthält Erklärungen, Gesten und Gesänge, welche die Sensibilität des Publikums verletzen können.“ Gemeint sind die rassistischen Rocktexte, Nazi-Embleme und -parolen, welchen die schätzungsweise 400 Schweizer Skinheads und ihre zugereisten Kumpane huldigen, wenn sie wieder einmal in irgendeinem 1000-Seelen-Dorf den Gemeindesaal oder die Turnhalle für ein Konzert gekapert haben, wie jüngst in verschiedenen Kantonen.

Gemietet wurden die Lokale jeweils unter dem Vorwand, dass es sich um Geburtstags- oder Hochzeitsfeiern handle. Weil es sich offiziell um Privatanlässe handelte, beschränkte sich die Polizei vorwiegend aufs Observieren. Dabei fielen den Beamten auch die Dreharbeiten zu Daniel Schweizers Film auf. Aus zwei Kantonen gingen bei der Bundesanwaltschaft Meldungen ein, besagend, dass der Regisseur seine „Darsteller“ entlöhnt und zu Handlungen angestiftet habe, die sie ohne Präsenz der Kamera unterlassen hätten – so zitiert die Zürcher WoZ in ihrer letzten Ausgabe den Chef der Bundespolizei, Urs von Daeniken. Dieser leitete die Anfragen weiter an die SRG als Koproduzentin des Films und ans Bundesamt für Kultur als Hauptsubventionsgeber.

Die Bupo wünschte dennoch, dass ihr „Skin or Die“ vor der heutigen Fernsehausstrahlung vorgeführt werde. Die Produzentin des Films bot von Daeniken darauf schlangenfreundlich ein Interview an. Der Bupo-Chef, so lächelt die Produzentin, habe sich der französischen Zunge indessen nicht mächtig genug gefühlt und jede Frage im voraus schriftlich verlangt. Schliesslich habe Bern eine Ersatzperson in Aussicht gestellt, sei aber anscheinend nicht fündig geworden. Auf alle Fälle habe man nichts mehr gehört.

Die Premiere des Films am Mittwochnachmittag am Dokumentarfilmfestival in Nyon ergibt, dass die Alarme auf dem Plakat wie bei der Bupo ziemlich unnötig waren. „Skin or Die“ ist eine klassische Aufklärungsreportage, die betont unpolemisch und nüchtern eine vorderhand kleine, aber potentiell gefährliche Randgruppe vorstellt. In knapper Form wird erläutert, woher die Skinbewegung kommt, wie sie in einer frustrierten Arbeiterschicht Anhänger findet und durch die Nazi-Ideologie der Hammerskins radikalisiert worden ist. Der Genfer Regisseur versteht sich als Ethnologe. Er befragt eine Handvoll der welschen Eierköpfe nach ihren Motiven und begleitet sie an Treffpunkte im In- und Ausland.

Wenn es gegen dieses Verfahren prinzipielle Einwände gibt, so sind es jene, welche auch die Diskussion mit dem mehrheitlich zustimmenden Kinopublikum nach der Premiere momentweise erhitzten. Schweizer schafft ein nützliches Porträt seiner Gegenüber, stellt dieses aber nur andeutungsweise in grössere soziale und politische Zusammenhänge. Ausserdem distanziert er sich im Kommentar zwar vielfach und deutlich vom Objekt seiner Neugier, unterlässt harte Fragen in den Interviews aber völlig. Seine Gegenüber verweigerten eben jede Diskussion, sagte Schweizer nach der Premiere.

Das Westschweizer Fernsehen strahlt „Skin or Die“ heute abend um 20.10 Uhr aus. Arte zeigt den Film am 5. Mai um 20.45 Uhr.