Antisemitisch, aber nicht strafbar

WochenZeitung

Seit Jahren kämpft die SVP gegen die Rassismusstrafnorm. Sie neigt dabei dazu, den Geltungsbereich der Strafnorm popanzartig zu überzeichnen. Am Montag dieser Woche hat die juristische Realität diese Überzeichnungen nicht zum ersten Mal widerlegt: Der Langenthaler Parlamentarier Tobias Hirschi, Mitglied der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), ist vom Richteramt Solothurn-Lebern vom Vorwurf der Widerhandlung gegen die Rassismusstrafnorm freigesprochen worden.

Hirschi hatte im Frühsommer 2005 im Mitteilungsblatt der Pnos-Sektion Langenthal als Redaktor einen selbstverfassten Rechtpfertigungstext über eine unbewilligte rechtsextreme 1.-Mai-Kundgebung publiziert und diesen mit einem Bild eines an dieser Demo mitgeführten Transparents illustriert. Dieses zeigte neben der Frage «Wer regiert den Arbeiter?» einen Davidstern und eine Weltkugel und suggerierte so, dass das «Weltjudentum» den Arbeiter unterdrücke und ausnütze. Vor Gericht gestand Hirschi ein, dass ihm diese Leseart des Transparentes bewusst gewesen sei und dass andere dies so verstehen könnten. Der Staatsanwalt hatte dies als Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie eingeschätzt. Die Aussage des Bildes sei «ganz klar antisemitisch», befand Gerichtspräsident Daniel Wormser. Nicht jede antisemitische Aussage sei jedoch bereits im Sinne des Gesetzes rassendiskriminierend. Es müsse sich ganz klar – auf den ersten oder zweiten Blick – ein Bezug zum Nationalsozialismus aufdrängen. Beim Bild, so Wormser weiter, könne man diesen Bezug zwar herstellen, müsse jedoch nicht. Der Staatsanwalt will erst nach Vorliegen des begründeten Urteils entscheiden, ob er diesen Freispruch anfechten will. Ungeschoren kam Hirschi jedoch nicht davon. Wegen Teilnahme an der unbewilligten und von der Polizei aufgelösten Kundgebung am 1. Mai 2005 in Solothurn erhielt er – und vierzig weitere Rechtsextremisten – eine Busse von 500 Franken wegen Landfriedensbruch.

Hans Stutz