Alle Demos abgesagt – trotzdem will niemand zu Hause bleiben

Newsnet: Trotz abgesagter Demonstrationen rechnen Polizei und Bernmobil in Bern mit Verkehrsbehinderungen.

Die Situation ist unübersichtlich. Demonstrationsgesuche wurden eingereicht, bewilligt und wieder zurückgezogen; Gegendemonstrationen geplant und wieder abgesagt. Trotzdem will heute niemand zu Hause bleiben. Rechtsextreme versuchen doch noch, ein paar Personen nach Bern zu bringen, Linksautonome wollen sich «bereithalten», und die Kantonspolizei ist heute mit einem Grossaufgebot in der Innenstadt präsent. Doch alles der Reihe nach. Hier gehts zum Bericht aus der Innenstadt.

Demoaufrufe von allen Seiten

Am 20. März hat der Gemeinderat das Demonstrationsgesuch des Vereins Stopp Kuscheljustiz bewilligt. Vereinspräsident Dominik Pfister distanzierte sich verbal von Rechtsextremismus, fand mit seinen Forderungen aber auch bei Neonazis Anklang. Dies rief auch Linke auf den Plan. Aus dem Umfeld des «Bündnisses alle gegen rechts» kamen Aufrufe, den Bundesplatz zu blockieren, und ein Bündnis aus linken Parteien und antirassistischen Gruppierungen wollte unter dem Motto «Kuscheln gegen rechts» eine Gegenkundgebung abhalten.

Absage wegen Diffamierung

Am 26. März – drei Tage vor der Demonstration – überlegte es sich Dominik Pfister anders. Er sagte die Demonstration Stopp Kuscheljustiz ab. «Zum einen stehe ich alleine in der Verantwortung und müsste am Samstag die innere Sicherheit garantieren», schreibt er auf seiner Website. Zum anderen sei er massiv «angegangen, diffamiert und denunziert» worden. Daraufhin erübrigten sich die beiden linken Gegenveranstaltungen und wurden ihrerseits abgesagt.

Trotz der Absagen: Die Polizei hält an ihrer Lagebeurteilung fest. «Nach wie vor kursieren kontroverse Aufrufe», sagt Polizeisprecherin Corinne Müller auf Anfrage. Noch gestern haben Rechtsextreme auf Facebook versucht, enttäuschte Anhänger von Stopp Kuscheljustiz nach Bern zu locken. So wurden mehrere halböffentliche Facebook-Gruppen mit entsprechenden Aufrufen eröffnet. Allerdings erscheinen diese Mobilisierungsversuche eher unkoordiniert und wenig konkret. Auch die Autonomen wollen sich nicht völlig zurückziehen. Auf der Website «Bern bleibt nazifrei» heisst es: «Halten wir uns auch an diesem Tag weiterhin bereit, antifaschistischen Widerstand zu leisten.»

«Die Polizei hat den Auftrag, keine unbewilligten Demonstrationen zu tolerieren», sagt Polizeisprecherin Müller. Die Polizei werde diesen im «Rahmen der Verhältnismässigkeit» umsetzen. Klar ist: Die Polizei ist mit einem Dispositiv in der Innenstadt präsent. Passanten müssen mit Kontrollen rechnen. Auch Bernmobil informiert die Passagiere über allfällige Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs und empfiehlt den Fahrgästen auf Plakaten, die Innenstadt grossräumig zu umfahren. Am Bollwerk haben einzelne Hausbesitzer gar ihre Fenster verbarrikadiert.

Déjà-vu nährt Verdacht

Bereits 2012 hat Pfister ein Demonstrationsgesuch eingereicht, um es kurze Zeit später wegen «Drohungen» wieder zurückzuziehen. Kommentarschreiber auf Bund.ch werfen deshalb die Frage auf, ob das Gesuch bloss ein PR-Gag war, um seine Internetplattform bekannter zu machen. Pfister selber stand für eine Stellungnahme gestern nicht zur Verfügung.