rassistische Aktivitäten verhandeln, so wie es die militante Rechte jetzt fordert?

SonntagsZeitung


Marcel Niggli: Nein, denn der Vorschlag ist staatsfeindlich und greift unsereGesellschaftsordnung fundamental an. Zudem wäre es aus grundsätzlichenÜberlegungen nicht opportun, mit einzelnen Interessengruppen über Gesetze undderen Auslegung zu verhandeln.
Wieso nicht?
Niggli: Die politische Auseinandersetzung über die Anti-Rassismus-Strafnormwurde in der Schweiz breit und intensiv geführt. Dann kam sie zurVolksabstimmung. Die Gesellschaft war sich mehrheitlich einig: DiskriminierendesVerhalten soll in bestimmte Schranken gewiesen werden. Wenn sich Rechtsradikalejetzt aber mit den Behörden an einen Tisch setzen und die Auslegung von Gesetzenfixieren wollen, wird diese demokratische Diskussion umgangen.
Der Verfasser des Appells beruft sich auf die links-alternative Szene. Ihr sei manbei der faktischen Legalisierung von Hasch auch entgegengekommen.
Niggli: Der Vergleich hinkt. Cannabis ist nach wie vor keine legale Droge.Allerdings hat in dieser Frage mittlerweile ein gesellschaftlicher Diskurs eingesetzt.Die Legalisierung von Hasch steht jetzt tatsächlich zur Diskussion. Das ist ein ganznormaler demokratischer Ablauf und steht auch der rechten Szene offen: Sie könntebeispielsweise eine Initiative starten.
Wäre eine Debatte über die Verwässerung des Rassismus-Artikels opportun?
Niggli: Die Rassismus-Strafnorm schützt einen Wert, der in den meistenGesellschaften der modernen Welt von zentraler Bedeutung ist: die Gleichwertigkeitder Menschen. Rechtsextreme Positionen aber gehen davon aus, dass es Menschengibt, die weniger wert sind. Gäbe man im konkreten Fall den Forderungen nach,müsste die Schweiz die Konvention gegen Rassendiskriminierung künden. Wirwürden – die internationale Ächtung wäre uns sicher – zu einem unkorrekten Staat.
Die rechte Szene schlägt eine Art Selbstkontrolle vor, die Gewalttaten verhindernsoll. Man kennt solche Modelle von der Geldwäschereibekämpfung. Könnte dasbei den Skins denn nicht auch funktionieren?
Niggli: Da habe ich meine Zweifel. Ich glaube nicht, dass es bei den militantenRechten der Schweiz eine eigentliche Kommandostruktur gibt.
Wie soll die Gesellschaft mit dem Phänomen des Rechtsextremismus umgehen?
Niggli: Eine Debatte nur über Gesetze und deren Auslegung kann das Problem nichtlösen. Auf das politisch-soziale Phänomen sollte der Staat auch mitpolitisch-sozialen Mitteln antworten. Im konkreten Fall hiesse das: DieÖffentlichkeit sollte klar Stellung beziehen und sagen, was sie vomvorgeschlagenen Deal hält.

Interview: Markus Steudler, Martin Stoll