den kahlgeschorenen Herren in Kampfmontur ein paar Worte – um danach zu

Der Bund

bilanzieren: «Ich kenne diese Leute nicht. Ich weiss nicht, was sie politischwollen.»
Eine Hundertschaft Skinheads war am letzten Dienstag fahnenschwingend und mitSprechchören («Hier marschiert der nationale Widerstand») auf die Rütliwiesegestampft – um den hohen Redner kurz darauf mit «Use, use»-Rufen auszubuhen.«Der Bundesrat», konstatierte darauf Villiger-Sprecher Daniel Eckmann, «hatte denEindruck, er spreche mit einer gelangweilten Jugend, nicht mit dem harten Kern derrechtsextremen Szene.»
Er hat sich arg getäuscht. An vorderster Front marschierten auf dem Rütlieinschlägig bekannte Rechtsradikale wie etwa der vorbestrafte Pascal Lobsiger.Früher warfen sie Steine und traktierten Andersdenkende – heute sind sie smartorganisiert, schöpfen den gesetzlichen Freiraum voll aus und achten peinlich darauf,die gesetzlichen Schranken nicht zu durchbrechen. Villiger-Sprecher Eckmann: «Siesind im Instrumentarium subtil, in der Erscheinung brachial.»
Und obwohl es an der Geburtsstätte der Schweiz schon in den Jahren zuvor immerwieder zu Zusammenstössen und Verzeigungen von Rechtsradikalen gekommen ist,liess die Urner Kantonspolizei dieses Jahr den braunen Mob auf dem Rütligewähren und knipste lediglich ein paar Fotos. «Ich will ihren Auftritt nichtbeschönigen», sagt Polizeisprecher Karl Egli. «Doch polizeiliches Einschreiten setzteinen Gesetzesverstoss voraus und muss im Hinblick auf eine mögliche Eskalationverhältnismässig sein. Aus polizeilicher Sicht ging der Anlass geordnet über dieBühne – ohne Sachbeschädigungen, ohne Körperverletzungen.»

Die offizielle Politik schert sich wenig um rechte Tendenzen
Ganz nach dem Drehbuch der Rechtsradikalen – doch minder gefährlich sind siedeswegen nicht. Die Bundespolizei beobachtet eine Besorgnis erregendeEntwicklung. Die 90 Schüsse auf die von Linken bewohnte Solterpolter-Unterkunftin Bern vom 10. Juli und der Brandanschlag auf das Asylbewerberheim inKüsnacht ZH vom 21. März sind jüngste Beispiele. «Wir befürchten, dass dawieder etwas auf uns zukommt», sagt Jürg S. Bühler, stellvertretender Chef derBundespolizei.
Doch die offizielle Politik kümmerts wenig. Rütli-Redner Villiger wusste nicht,dass er gewaltbereite Neonazis vor sich hatte, die zuständige Justizministerin RuthMetzler geniesst weiter die Ferien – einzig Bundespräsident Adolf Ogi, dessen SVPimmer wieder mit braunen Trittbrettfahrern konfrontiert ist, meldete sich zu Wort:Es sei an der Zeit, dass «alle Demokraten entschlossen Stellung beziehen gegensolche Kräfte».
Das wars dann schon. Anders als in Deutschland, wo die Politik jetzt erkennt, dasssie zu lange zugewartet hat, schaut die Politik in der Schweiz noch weg. Immerhin:Metzlers Partei, die CVP, will zusammen mit der FDP das Thema auf die politischeAgenda setzen. Der zunehmende Rechtsextremismus soll in den Gesprächen derBundesratsparteien am 31. August debattiert werden. Doch SVP-Präsident UeliMaurer will davon noch nichts wissen: «Der Rechtsextremismus ist für dieGespräche der Bundesratsparteien sicher kein Thema.»
Auch der Bundesrat, verlangt der Luzerner CVP-Ständerat Franz Wicki, müsse sichdeutlicher äussern. Der Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation: «Der Bundesratmuss sich an seiner nächsten Sitzung mit dem Problem beschäftigen – ich erwarteeine Stellungnahme.» SP-Nationalrat Alexander Tschäppät sekundiert: «DieRegierung muss helfen aufzuklären und nicht das Problem herunterspielen.»

Präventionsarbeit ist dringender nötig als Bestrafungen
Und vielleicht auch mehr Mittel im Kampf gegen den Rechtsextremismusbereitstellen. «Die wachsenden Mitgliederzahlen der rechtsextremen Organisationenzeigen, dass Polizei und Strafjustiz nur die Spitze brechen, die Entwicklung abernicht aufhalten können», sagt Bupo-Vizechef Bühler. Noch weiter geht FritzSchlüchter, Chef Informationsdienst der Stadtpolizei Bern: «Eine Gefängnisstrafekann für einen Skinhead Ehre bedeuten und ihn zum Märtyrer glorifizieren. DiePräventionsarbeit – zum Beispiel in der Schule – muss gefördert werden.»
Vorerst aber ist noch die Bundespolizei gefragt. Zwölf Rütli-Skinheads glaubt sieanhand von Foto- und Videoaufnahmen mittlerweile identifiziert zu haben. Davonstammen einige aus der Region Zürich (PJW, Volkssturm Unterland/Bülach);weitere reisten aus den Kantonen Basel, Bern, Schwyz und Uri an. Gemäss Bühlerrichtet sich das Augenmerk der Bundespolizei aber bereits auf andere Aufgaben: Esliegen Hinweise vor über Skinhead-Treffen rund um den 8. und den 17. August,dem Todestag von Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess: «Wir wollen der Szene zeigen,dass sie beobachtet wird», erklärt Bühler.