«Wir wollen P. B. eine zweite Chance geben»

Tages-Anzeiger: Rechtsradikale Äusserungen, schikanöse Behandlung: Dübendorfs Stadtpräsident nimmt Stellung zu den Missständen im Sozialamt.

Mit Lothar Ziörjen sprach

Sozialhilfechefin P. B. verfasste rechtsextreme Facebook-Einträge, darf aber ihren Job behalten. Ist sie wirklich die Richtige für ihr Amt?

Nach langer Beratung und persönlichen Gesprächen haben wir uns auf eine schriftliche Verwarnung geeinigt. Wir sind der Meinung, die Frau habe eine zweite Chance verdient.

Die Facebook-Einträge sind mittlerweile gelöscht. Für die politische Gesinnung von P. B. dürfte dies kaum gelten.

In den persönlichen Gesprächen erhielten wir den Eindruck, dass sich P. B. ernsthaft hinterfragt, offen für Veränderungen ist. Aber wir sind nicht naiv. Ihre weitere Anstellung ist an klare Bedingungen geknüpft. Wir beobachten ihren Wirkungsbereich mit wachem Blick. Sollte sie sich wieder eine Verfehlung leisten, sprechen wir weitere Sanktionen aus. Doch schon manch einer hat aus seinen Fehlern die Konsequenzen gezogen und sich zum Besseren entwickelt. Wenn sie die Chance packt, kann sie sich zu einer wertvollen Arbeitskraft entwickeln. Herzblut hat die Frau, sie muss es nur richtig einsetzen.

P. B. publizierte während Monaten fremdenfeindliche Posts auf Facebook. Hätte dies der Stadt nicht früher auffallen sollen? Zumal Mitarbeiter mit ihr auf Facebook befreundet sind.

Eine Facebook-Freundschaft reicht nicht aus als Beweis für Mitwisserschaft. Unser Hauptaugenmerk liegt auf dem Wohl der Klienten der Sozialhilfe. Die haben nichts davon, wenn wir noch weitere Personen verdächtigen.

Als weitere Massnahme richtet Dübendorf eine Ombudsstelle ein. Weshalb?

Es gibt immer wieder Klienten, die sich von der Sozialhilfe Dübendorf ungerecht behandelt fühlten. Dies ging unter anderem aus der TA-Berichterstattung hervor. Aus persönlichen Gesprächen gewann ich einen ähnlichen Eindruck. Der Stadtrat nimmt das Problem ernst und hat deshalb eine unabhängige, zentrale Anlaufstelle geschaffen. Dort können sich die Klienten mit ihren Sorgen und Nöten melden. So werden sie zum Beispiel über ihre Rechtsmittel belehrt.

Wäre das nicht die Aufgabe des Sozialamts?

Wir gehen davon aus, dass die Rechtsmittelbelehrung bereits auf dem Sozialamt geschieht. Falls nicht – oder wenn sich der Klient aus anderen Gründen im Unklaren über seine Rechtsmittel ist –, bietet der Ombudsmann eine zusätzliche Beratung.

Wie garantieren Sie die Neutralität der Ombudsstelle?

Der Umstand, dass Ombudsmann Anton Frauenfelder nicht in Dübendorf wohnhaft ist, trägt zur Unabhängigkeit der Ombudsstelle bei. Der Rümlanger übt dieselbe Rolle in Wallisellen mit Erfolg aus. Bis zu seiner Pensionierung war Frauenfelder 32 Jahre lang als Gemeindeschreiber in Rümlang tätig, wobei er sich ein breites Fachwissen aneignen konnte.

Stichwort Hilfe zur Selbsthilfe: Auf der Website von Dübendorf sind elementare Informationen nicht zugänglich. So sucht man etwa vergeblich die Geschäftsordnung der Sozialbehörde.

Mir war dies bisher nicht bekannt. Falls dem so ist, werden wir dies unverzüglich nachholen.

2013 erklärte Dübendorf den Ausstieg aus der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). Die Richtlinien gelten jedoch als verbindlich. Hält sich die Gemeinde nun daran oder nicht?

Dübendorf muss sich an die Richtlinien der Skos halten und tut dies auch. Der symbolische Austritt hatte zur Folge, dass wir zwar keinen Mitgliederbeitrag mehr bezahlen, aber auch kein Mitbestimmungsrecht mehr besitzen.

Die Skos hat ihre Richtlinien längst entschärft. Ist der Wiedereintritt ein Thema?

Das ist ein politisch heikles Thema. Doch ich bin überzeugt: Die Diskussion wird wieder kommen. Es geht um die Frage, ob Dübendorf mitbestimmen soll oder nicht.

Auf welcher Seite stehen Sie?

Ich bin grundsätzlich ein Befürworter der Partizipation

Reaktion auf Facebook-Post

Dübendorf schafft Ombudsstelle

Monatelang verbreitete sie fremdenfeindliche Propaganda auf Facebook, gleichzeitig sollte sie hilfsbedürftige Flüchtling beraten: P. B., die Sozialhilfechefin von Dübendorf. Der Vorfall löste diverse Rücktrittsforderungen aus. Der Stadtrat Dübendorf beliess es jedoch bei einer schriftlichen Verwarnung. Zudem muss sich die Frau an Auflagen halten. Welche Auflagen das sind, machte der Stadtrat nicht publik.

In einer anderen Sache hat Dübendorf ebenfalls reagiert. Die Stadt richtet per 5. Dezember eine unabhängige Ombudsstelle ein. An sie sollen sich alle Klienten wenden können, die sich von der Stadtverwaltung schlecht behandelt fühlten. Auch Mitarbeitern der Verwaltung soll sie zur Verfügung stehen.

Auslöser für die Massnahme waren zahlreiche Sozialhilfesuchende, die sich – aufgeweckt durch die Facebook-Affäre – an die Öffentlichkeit wandten: Personen, die sich von Mitarbeitern des Sozialamts schikaniert fühlen – darunter Ausländer wie Schweizer (der TA berichtete). Parallel dazu bildete sich eine politische Opposition: Politiker verschiedener Parteien lancierten vergangene Woche zwei Vorstösse, die mehr Transparenz in die Arbeit des Sozialamts bringen sollen. Die Beantwortung dieser Vorstösse steht noch aus. (mrs)