«Wir werden alles tun, damit das nie mehr passiert»

Blick

Von Michael Fichter und Fredy Herren

SITTEN. 400 Neonazis hetzen bei Brig gegen die Juden. Unbehelligt, vor den Augen der Polizei (BLICK berichtete). Jetzt nimmt erstmals der Kommandant der Walliser Kantonspolizei Bernhard Geiger Stellung.

BLICK 400 Neonazis singen: «Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig, lasst die Messer flutschen in den Judenleib.» Und das bei Brig. Was sagen Sie dazu?

Bernhard Geiger «Das ist ungeheuerlich und schockierend. Und es ist nicht nur inakzeptabel, sondern ganz klar verboten.»

Aber die Walliser Polizei hat einfach zugeschaut.

«Das stimmt nicht. Wir haben das Mögliche gemacht.»

Fakt ist: Sie haben das Konzert nicht verhindert.

«Das stimmt. Weil wir aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage waren. Wir haben den Veranstaltern gesagt, dass der Anlass illegal ist und strafrechtliche Konsequenzen haben wird. Es gab nie eine Bewilligung für den Anlass und hätte auch nie eine gegeben.»

Die Organisatoren haben gesagt, sie hätten mit Ihnen «kooperiert».

«Das ist völlig falsch. Von kooperieren kann keine Rede sein. Wir haben ihnen klar gemacht, dass das nicht geht.»

Und trotzdem hat der Anlass stattgefunden. 400 Neonazis konnten ungestört feiern und ihre Hassparolen verbreiten.

«Es war ein Fait accompli und wir hatten zwei schlechte Möglichkeiten: Eingreifen und riskieren, dass die Situation völlig eskaliert. Es hätte Verletzte geben können, und die Gefahr bestand, dass auch Unbeteiligte in Brig zu Schaden kommen. Oder die andere Variante: Präsenz markieren, Personalien aufnehmen und die Leute jetzt zur Rechenschaft ziehen. Wir mussten uns dazu entschliessen.»

Wieso sind Sie so sicher, dass es Ausschreitungen gegeben hätte?

«Das kann niemand sagen. Aber das Risiko war sehr gross. Hätte das Konzert an einem anderen, abgelegenen Ort stattgefunden, hätten wir vielleicht anders reagiert. Dann wäre ein Einsatz möglich gewesen.»

Wieso haben Sie nicht einfach mehr Leute geschickt?

«Die Walliser Polizei hat genügend Leute für normale Einsätze. Aber eine solche Veranstaltung in so kurzer Zeit aufzulösen hat eine ganz andere Dimension. Da braucht es viel mehr Leute. Und die haben wir nicht einfach so.»

Wieso haben Sie dann nicht die Kollegen aus Ihrem Polizeikonkordat um Hilfe gerufen?

«Weil das Konkordat nicht für solche Einsätze gedacht ist. Das funktioniert nur bei planbaren Einsätzen wie Fussballspielen und Demonstrationen.»

Also braucht es eine schnelle Eingreiftruppe, wie sie Nationalrat Kurt Wasserfallen gefordert hat?

«Ja, natürlich. Etwas Ähnliches habe ich bereits vor Jahren gefordert. Wir brauchen eine Reserve, bestehend aus Polizisten aller Kantone, für solche Fälle.»

Und wie lange dauert es, bis eine solche Gruppe steht?

«Das kann ich nicht sagen.»

Also ist es möglich, dass Sie beim nächsten Mal wieder mit zu wenig Leuten dastehen?

«Wir werden alles tun, um das zu verhindern. Wir werden schon bei den geringsten Hinweisen Vorkehrungen treffen. Zudem gibt es bestimmte Daten, von denen man weiss, dass Neonazis sich versammeln könnten. Dann müssen wir bereit sein.»

Wenn Sie morgen nochmals vor der gleichen Situation stehen: Was machen Sie anders?

«Jede Situation ist anders und muss neu beurteilt werden. Klar ist: Das nächste Mal müssen auch die politisch Verantwortlichen einbezogen werden.»

Wie viele Leute kommen nun vor Gericht? Und wie viele gehen straffrei aus?

«Die Haupttäter, das heisst die Organisatoren und die Orchester, sowie eine gewisse Anzahl Teilnehmer sind identifiziert. Die Untersuchung wird weitergeführt, um die Täter dieser rassistischen Akte anzuzeigen.»