Vom Fasnachtsspuk zum Auftritt eines bewaffneten Netzwerkes – eine Chronologie

Ein Jahr nach dem Auftritt der PNOS an der Basler Fasnacht kam es in diesem Jahr an der Schwyzer Fasnacht zum Eklat; eine Gruppe trat als Mitglieder des Ku-Klux-Klan maskiert auf und führte dabei neben den traditionell weissen Kutten auch brennende Fackeln und eine Fahne mit einem Keltenkreuz mit sich. Die Geschichte ereignete sich am sogenannten Güdelmontag, welcher in diesem Jahr auf den 4. März fiel. Bevor die Gruppe in Schwyz selber auftrat, war sie schon in der Ortschaft Unteriberg zugegen. Schnell entbrannte eine Debatte darüber, was an einer Fasnacht erlaubt ist und welche Verkleidungen das Mass des guten Geschmacks dann doch sprengen würden. Klar ist, dass der Ku-Klux-Klan unwiderruflich mit rassistischen Übergriffen und fast ritischen Morden an dunkelhäutigen US-Amerikaner_innen in Verbindung steht und auch europäische Ableger des Klans stets nicht zu verhehlen versuchten, welche Gesinnung hinter den gruseligen Kutten steckt. Dass es nun gerade in der Zentralschweiz zu einem solchen Auftritt gekommen ist, sollte eigentlich niemanden verwundern. Mit der Kameradschaft Heimattreu (KHT), deren Mitglieder grösstenteils aus der Region March (SZ) stammen, hat die internationale Neonaziszene einen Ableger direkt vor Ort. Die Kameradschaft, welche vor rund zehn Jahren noch als loser Zusammenschluss einiger pubertärer Bubis schien, hat sich in der Zwischenzeit zur offiziellen Unterstützungsgruppe des internationalen Neonazinetzwerkes Blood & Honour/C18 gemausert. Die Organisationsstruktur des Netzwerkes ist sehr strikt, Sektionen und Unterstützungsgruppen müssen von ganz oben abgesegnet werden, sodass klar ist, dass die KHT durch die Bezeichnung „official Support 28“ nicht nur akzeptiert, sondern auch getragen wird.

Direkt nach dem Vorfall an der Fasnacht und der damit einhergehenden Berichterstattung riefen erste linke Gruppen zu einer Demonstration am 13. April in Schwyz auf – ein Gegenaufruf der Neonazis liess indes nicht lange auf sich warten. In rechtsextremen Kreisen wurden die Leute aufgefordert, sich der antirassistischen Demo „buntes Schwyz“ in den Weg zu stellen und die Kundgebung aktiv zu stören.

Im Vorfeld der Manifestation kam es zu einem Einbruch im Umfeld des Organisationskomitees „Schwyz ist bunt“, bei welchem einige Schilder und ein Transparent entwendet worden sind. Am 13. April schliesslich fanden sich rund 400 Menschen ein, die gegen Rassismus im Allgemeinen und den Fasnachtsvorfall im Speziellen demonstrieren wollten. Ebenfalls vor Ort: mehrere Dutzend Neonazis und ein Aufgebot der Schwyzer Kantonspolizei. Auch wenn der Gemeindepräsident von Schwyz medienwirksam zu vermitteln versuchte, die Provokationen an diesem Tag seien von den linken Demonstrant_innen ausgegangen, so zeigen mehrere Videos ein klares und ganz anderes Bild. Die Neonazis provozierten am Rand des Umzuges und proklamierten auffordernd „Antifa heisst Angriff“. Dabei agierten verschiedene rechtsextreme Strukturen an diesem Tag Hand in Hand, so waren Mitglieder der PNOS, der KHT, der Brigade 8, B&H/C18 und der Kameradschaft Morgenstern vor Ort.

Bereits bei der Besammlung wurde den Demonstrierenden ein weiteres Transparent entwendet, welches danach durch die Neonazis verbrannt wurde. Die KHT stellte am 21. April ein Video dieser Verbrennung online. Dabei sind sieben vermummte Personen in einer Kiesgrube zu sehen, den rechten Arm zum Hitlergruss gestreckt, vor ihnen am Boden das brennende Transparent. Auf den meisten Pullovern ist der Schriftzug Blood & Honour mit den Spezifikationen Zürich respektive Schweiz zu lesen, im Hintergrund ist das Lied Terrormachine der B&H-Rechtsrockband Oidoxie zu hören. Das Lied dient Combat 18 (C18), dem bewaffneten Arm des Netzwerks, seit jeher als Soundtrack ihrer öffentlichen Videos und Auftritte. Zu Beginn des Videos ist ausserdem die Parole „Alerta, alerta, antifascista!“ zu hören, eine weitverbreitete Demoparole in linken Kreisen, über diese ist eine Tonspur einer betätigten Schnellfeuerwaffe gelegt, nach dem Ausklingen der Parole verhallen auch die Schüsse, einzig eine zu Boden fallende Patronenhülse ist noch zu hören, danach startet das Video erst richtig. Es dürfte also ausser Diskussion stehen, dass die Vorfälle nicht als „Dummer-Junge-Streich“ zu verorten sind. Vielmehr tummeln sich in der familiären Innerschweiz Mitglieder mehrerer teils internationaler Neonazinetzwerke und fühlen sich offensichtlich wohl. Dabei ist zu betonen, dass die beteiligten Personen nicht von ausserhalb nach Schwyz zu kommen brauchten, vielmehr sind viele der der organisierten Neonaziszene zurechnenden Rechtsextremen seit Jahren ortsansässig oder brauchen nur den Sprung über den Zürichsee zu machen. Die Vernetzung schweizweit wie international funktioniert seit Jahren bestens und diese wird auch rege genutzt. So wurden Mitglieder der KHT beispielsweise bereits 2014 im Alter von rund 20 Jahren im deutschen Ballstädt anlässlich einer C18-Konferenz durch die Polizei kontrolliert.

Die Schweiz ist und bleibt ein Paradies für rechtsextreme Strukturen und wird durch die lasche Gesetzgebung von Organisationen aus aller Welt als Veranstaltungsort und Treffpunkt geschätzt, die funktionierenden Strukturen vor Ort durch namhafte Grössen gelobt. Ist die Organisation B&H in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten, wurde die Schweizer Sektion mittlerweile zu einem der wichtigsten Standbeine des Netzwerkes. Eine Entwicklung, die nicht nur antifaschistischen Kreisen zu denken geben sollte.

Bildlegende:
1) Nussbaumer, Mario (B&H/C18)
2) Rölli, Otto jun. (B&H/C18)
3) Inderbitzin, Josef (ehem. Waldstätterbund)
4) Betschart, Stefan (B&H/C18)
5) Steiner, Jürg (B&H/C18; Bandmitglied Amok)
6) Seiler, Marc (B&H/C18)
7) Herger, Daniel (ehem. Waldstätterbund; ehem. PNOS Schwyz)
8) Betschart, Nick („versteckt“ hinter der Scheibe)
9) Steiger, Tobias (PNOS Basel – Vorsitzender beider Basel)
10) Jud, Stefan (B&H/C18)