Vieles bleibt im Verborgenen

 

NZZ Online vom 20.06.2011

Mehr Arbeit für die Beratungsstelle für Rassismusopfer

In der Schweiz hat es im letzten Jahr mehr registrierte Fälle von Rassismus gegeben als im Vorjahr. Am stärksten betroffen sind Menschen aus Regionen südlich der Sahara. Die Beratungsstelle, welche die Fälle erfasst hat, weist aber darauf hin, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt.

Rassismus gegen Schwarze und Muslimfeindlichkeit haben im Jahr 2010 in der Schweiz zugenommen. Das Beratungsnetz für Rassismusopfer meldet 178 Fälle, gegenüber 162 Fällen im Berichtsjahr 2009.

Daten von sieben Beratungsstellen

Die Dunkelziffer sei deutlich höher, die meisten Vorfälle blieben im Verborgenen, heisst es in dem Bericht «Rassismusvorfälle in der Beratungspraxis 2010». Herausgeber sind die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus und «humanrights.ch». Ausgewertet wurden Daten von sieben Beratungsstellen, darunter Zürich, Bern, Schaffhausen und Biel.

Bei den im letzten Jahr registrierten Fällen kam es, sowohl gemäss Einschätzung der Betroffenen (81 Mal) als auch der Beratenden (72 Mal), sehr häufig zu rassistischen Diskriminierungen aufgrund von Ausländerfeindlichkeit. Der Diskriminierungsgrund war sehr häufig die Hautfarbe, 60 Mal laut Betroffenen, 55 Mal laut Beratenden.

Häufig (23 Mal) war auch Muslimfeindlichkeit ausschlaggebend für eine Diskriminierung. 14 Mal diagnostizierten beratende Personen einen Fall von Anti-Balkanismus.

Viele Schweizer unter den Opfern

Die regionale Herkunft der diskriminierten Menschen ist bei 134 der 178 Fällen bekannt. Rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind am häufigsten Menschen aus afrikanischen Regionen südlich der Sahara (42), aus Mitteleuropa (26) sowie aus Nordafrika (23). Ein beachtlicher Teil der Opfer ist schweizerischer Nationalität.

Dem grossen Teil dieser Menschen ist die (vermeintlich) fremde Herkunft auf den ersten Blick anzusehen. Die gemeldeten Fälle fanden weit häufiger in einem urbanen Umfeld als in ländlicheren Gebieten statt. Betroffene sowie Beschuldigte waren mehrheitlich männlich.

Am häufigsten geht es um Beleidigungen

Wie bereits im Vorjahr wurden rassistische Diskriminierungen mit Abstand am häufigsten in Form von verbalen Äusserungen (69) verübt. Beleidigungen nahmen zu. Immer noch relativ häufig, jedoch abnehmend im Vergleich zu 2009, wurde eine Verbreitung von Schriften oder Tonträgern (15) rassistischen Inhalts gemeldet.

Eine Zunahme verzeichnet wurde im Bereich der Leistungsverweigerung (17). Hier handelte es sich beispielsweise um Einlassverweigerungen in Nachtclubs. In der Kategorie Hassreden kam es zu 12 Meldungen. Keine Meldungen gab es betreffend rechtsextremen Aufmärschen oder Versammlungen.

Rassismus bei der Polizei

Es wurden Diskriminierungen aus allen Lebensbereichen ausser Kirche und Werbung gemeldet. 25 Vorfälle ereigneten sich im öffentlichen Raum, 23 in der Arbeitswelt und 23 bei Kontakten mit der Polizei. In 15 Fällen wurde die Polizei des antischwarzen Rassismus beschuldigt. Die Beratenden teilten 12-mal diese Einschätzung.

Das Fazit des Berichts: Ein beachtlicher Anteil der Vorfälle stehe in Zusammenhang mit einer unterschwelligen, latenten, nicht näher definierten Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit, der Hautfarbe oder der muslimischen Religion – also mit Themen, die in der schweizerischen Öffentlichkeit stark präsent seien.

Zunehmende Sensibilisierung

Auffallend sei, dass im Jahr 2010 wiederum zahlreiche Fälle von Zeugen, Familienangehörigen oder anderen Drittpersonen und Institutionen gemeldet wurden. Dies könne als Ausdruck einer zunehmenden Sensibilisierung gedeutet werden.