Uri fürchtet Rütli-Missbrauch

Neue Luzerner Zeitung vom 07.06.2011

Soll das Verbot für Parteianlässe auf der historischen Wiese fallen? Der Urner Regierungsrat Josef Dittli warnt vor diesem Schritt. Der Ball liegt nun beim Bundesrat.

Kari Kälin

«Hier wird ein Theater inszeniert», ärgert sich der Urner Regierungsrat Josef Dittli. Der Unmut des FDP-Politikers erstaunt nicht. Dittli, heute für die Finanzen seines Kantons zuständig, amtete in jenen Jahren als Sicherheitsdirektor, in denen Rechtsradikale am 1. August aufs Rütli drängten und landesweit für Schlagzeilen sorgten. Erst dank einem Ticketingsystem und einem rigorosen Polizeiaufgebot gelang es 2006, den braunen Mob von der historischen Wiese auf Urner Territorium fernzuhalten. Noch 2005 hatten 700 Rechtsextreme den damaligen Bundespräsidenten Samuel Schmid niedergebuht.

Lange herrschte Ruhe um die «Wiese mit Kuhdreck», wie sie der heutige SVP-Bundesrat Ueli Maurer einst betitelte. Doch seit die SVP am 27. Mai einen unbewilligten Kaderrapport mit rund 70 Personen, darunter Ueli Maurer, Parteipräsident Toni Brunner und Vizepräsident Christoph Blocher, durchführte, ist abermals eine Kontroverse entbrannt.

Rütli-Regeln sorgen für Unmut

Im Zentrum stehen die Hausregeln der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), die das Rütli im Auftrag der Schweizerischen Eidgenossenschaft verwaltet. Zum einen müssen Besuchergruppen ab 50 Personen ein Gesuch um eine Bewilligung einreichen. Zum anderen gilt – unabhängig von den Wirren um die Rechtsextremen – seit Jahrzehnten ein ungeschriebenes Verbot für parteipolitische Veranstaltungen. Dieses soll nun fallen, fordern die Luzerner CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann und die SVP.

Warnruf aus Uri

Diesen neuen politischen Akt in der Rütlidebatte goutiert Dittli ebenso wenig wie die unerlaubte SVP-Aktion. «Damit werden Tür und Tor geöffnet für politische Manifestationen von Parteien mit extremistischem Gedankengut», sagt Dittli. Das Rütli sei eine ruhige Gedenkstätte, die jedermann besuchen dürfe, aber sie solle nicht als Plattform für parteipolitische Zwecke missbraucht werden. Dittli hofft, dass die SGG standhaft bleibe und den Druckversuchen für eine Lockerung der Regeln nicht nachgebe. Der Regierungsrat befürchtet, dass dadurch plötzlich wieder hohe Sicherheitskosten entstehen, «die dann der Steuerzahler berappen muss».

Weniger kategorisch äussert sich der Schwyzer Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Peter Reuteler (FDP). Der Kanton Schwyz war von früheren Aufmärschen der Rechtsextremen besonders betroffen, weil die Rechtsextremen am 1. August grölend durch Brunnen marschierten. Das Dorf wurde 2006 quasi in eine Festung verwandelt, um die Rechtsextremen vom Dorf und vom Rütli fernzuhalten. Gegen eine Diskussion über die Rütli-Hausregeln wehrt sich Reuteler zwar nicht. Wie Dittli warnt aber auch er vor möglichem Missbrauch.

Parteienregister als Bedingung

Solchem will auch Ida Glanzmann vorbeugen. Die Luzerner CVP-Nationalrätin kann sich darum vorstellen, dass nur jene Parteien Zugang aufs Rütli erhalten, die im Parteienregister des Bundes eingetragen sind. In dieses schaffen es nur Parteien, die entweder einen Vertreter im Nationalrat oder je drei Mitglieder in drei Kantonsparlamenten stellen. Mit anderen Worten: Für extremistische Gruppierungen wie die Pnos stünde die Wiese nicht bereit.

Glanzmann wird in diesen Tagen ein entsprechendes Postulat («Zutritt aufs Rütli für alle Parteien») deponieren. Darin fordert sie den Bundesrat auf, er solle zusammen mit der SGG das heutige Reglement in diesem Sinne überprüfen.

Interne Anlässe ohne Bewilligung

Auch die SVP wird heute an ihrer Fraktionssitzung höchstwahrscheinlich einen ähnlichen Vorstoss beschliessen. Das Ziel: Politische Parteien sollen «im Rahmen von parteiinternen Anlässen keine Bewilligung brauchen, nur für grössere öffentliche Anlässe soll ein Gesuch gestellt werden müssen», teilte die Partei gestern mit. Und diese Gesuche sollen generell genehmigt werden, sofern dies mit der Nutzung des Rütlis vereinbart werden könne.