Unerwünschte Post von rechts

St. Galler Tagblatt vom 19.11.2009

Eine «Völkische Erneuerungsbewegung» hat in Liechtenstein anonym Flugblätter verteilt. Die Urheber werden in rechten oder sogar rechtsextremen Kreisen vermutet.

Günther Meier

vaduz. «Zukunft statt Zerstörung» fordert ein Flugblatt, das in Liechtensteiner Briefkästen landete. Art der Darstellung und Wortlaut lassen vermuten, dass rechte oder rechtsextreme Kreise dafür verantwortlich sind. Angeprangert werden die «heutigen Missstände in unserer Gesellschaft» und zwischen den Zeilen schimmert die Ablehnung von Ausländern durch: «Probleme wie Jugend- und Ausländergewalt, Vandalismus, Respektlosigkeit gegenüber Mensch und Umwelt, aber auch Bevölkerungsrückgang und Integrationsprobleme durch das gescheiterte Ideal der Multikultur sind akuter denn je.»

An dieser Entwicklung seien nicht einzelne fehlgeleitete Individuen schuld, lautet die rechte Botschaft, sondern die Entwicklung der Gesellschaft mit der Abkehr von der natürlichen Identitätskette – Familie, Sippe, Stamm, Volk. Kritisiert wird die «Auslagerung der Kindererziehung an private oder staatliche Institutionen wie Kindertagesstätten und Ganztagsschulen», dafür aber Heimatkunde und Achtung von Vater und Mutter als Grundlagen liechtensteinischer Erziehung gelobt, die Förderung der eigenen Kultur und die Wahrung der Nation gefordert.

Sprayer nie gefasst

Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten daran, die Urheber des Flugblattes dingfest machen zu können. Der Erfolg dürfte wahrscheinlich ausbleiben, denn bisher liegen keine Hinweise vor, woher das Flugblatt stammt.

Mehr Erfolg hatten die Ermittler vor einigen Jahren, als Personen aus der bekannten rechtsradikalen Szene einen Laden betrieben, der Medien aus rechtsextremen Quellen vertrieb und in ausländischen Skinhead-Magazinen Inserate schaltete. 1999 konnte ein junger Liechtensteiner ermittelt werden, der im Internet eine Homepage von «Liechtensteinischen Ariern» aufgeschaltet hatte – mit Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff, mit Nazi-Symbolen und Holocaust-Lügen. Zumeist aber tappen die Ermittler im dunkeln, weil die Flugblätter anonym erscheinen. Auch bei den verschiedenen Sprayereien der letzten Jahre konnten die Urheber nicht ausfindig gemacht werden.

Rechtsextreme «integriert»

Die anonymen Flugblätter der «Völkischen Erneuerungsbewegung Liechtenstein» und die jüngsten Schmierereien auf den Plakaten der Gleichstellungskommission, die zu Toleranz gegenüber Mitmenschen mit anderer sexueller Ausrichtung aufrief, bestätigen die Feststellung der Polizei, dass es in Liechtenstein eine rechtsextreme Szene gibt. Allerdings haben spektakuläre Auftritte von Skinheads, die wiederholt durch Schlägereien aufgefallen sind, in den letzten Jahren abgenommen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie über Rechtsextremismus in Liechtenstein kam zum Schluss, dass es nur in unregelmässigen Abständen zu Vorfällen mit manifester Gewaltanwendung komme, womit sich die rechtsextreme Szene sporadisch in der Öffentlichkeit präsentiere. Das traditionelle Bild vom rechtsextremen Skinhead stimmt laut Studie nicht mehr: Die meisten Rechtsextremen seien beruflich wie sozial gut integriert.