Soll man die Schlachtfeier so gross zelebrieren?

 

Zentralschweiz am Sonntag vom 20.6.2010

Nach Zwischenfällen mit Rechts- und Linksextremen soll die Schlachtjahrzeit Sempach 2011 neu konzipiert werden. Geplant ist eine Feier mit nationaler Ausstrahlung.

Meinung Pro: Hilmar Gernet*

Tag des Denkens und Gedenkens

Gedenktage gehören zur Schweiz und zu unserer Tradition. Es sind auch Tage der Begegnung, des friedlichen Gesprächs und des Meinungsaustausches. Diese Tage lassen wir uns nicht nehmen, weil sie wertvoll sind und zu unserem (politischen) Kulturgut gehören.

Die «alte» Sempacher Schlachtjahrzeit aber ist nicht mehr durchführbar. Sie wurde kaputt gemacht: Von den Rechten, die schwiegen, und von den Linken, die schrieen. Wir Demokraten hatten die Meinungsäusserungsfreiheit zu garantieren. Wir schickten die Polizei. Sie sorgte dafür, dass die Extremisten nicht aufeinander losgehen konnten.

Die «neue» Schlachtjahrzeit in Sempach muss ein Tag des Gedenkens und des Denkens werden. Sie soll die positiven Elemente der Vergangenheit mitnehmen (Totengedenken, Brauchtum, Rede, Schulklassen, Käseschnitte). Sie kann eine Plattform für Neues und Innovatives werden, ein Forum für zeitgerechten Patriotismus.

Die Schlacht von 1386 war eine Art Startsignal für den Territorialstaat Luzern (vorher gehörten wir fast alle zu Österreich). Heute kann Sempach für den Kanton Luzern wieder zum Ausgangspunkt für eine gemeinsame Zukunft werden: Einmal im Jahr sollten wir uns Gedanken machen, wie wir die «Idee Luzern» im 21. Jahrhundert positionieren. Selbstverständlich ist die «Idee Luzern» kontrovers zu diskutieren – und danach feiern wir! Von der kleinen Stadt am See können Impulse ausgehen für den sich permanent erneuernden Staat – einen Staat, wo niemand für seine Ideen schweigen oder schreien muss, sondern wo wir miteinander über eine gemeinsame «Idee Luzern» reden.

Meinung Contra: David Roth*

Das Fest im Städtli belassen

Aus der Not eine Tugend zu machen, aus einem von Nazis vereinnahmten Fest wieder ein Volksfest zu machen, das ist eigentlich eine gute Idee. Der jetzt angedachte Weg jedoch höchst fragwürdig.

Der «Tages-Anzeiger» schrieb vor einem Jahr: Heute ist der Anlass mit seinen Hellebarden, Lanzen und Speeren ein durch und durch martialisches Ereignis, wie aus einem schlechten Ritterfilm. Jedes Jahr wärmt ein Redner die Geschichte vom Schlachthelden Winkelried auf – nichts als eine Legende. Kein Wunder, finden die Rechtsextremen an dieser mythisch überhöhten Zeremonie besonderen Gefallen. Kein Wunder, erscheinen sonst nur wenig Leute.

Das jetzt diskutierte Konzept verzichtet jedoch auf keines dieser Elemente. Vielmehr soll die Schlachtfeier nach Meinung des Kantons noch grösser werden. Der Grundgedanke ist zudem derselbe. Anstatt das Fest endlich wieder zum «Städtlifäscht» von Sempach werden zu lassen, wird vom Kanton die nächste Überhöhung vorbereitet: Die Feier soll auf unsere «gemeinsame Herkunft» hinweisen. Als ob der Charakter des heutigen Kantons auf einer Schlacht vor 624 Jahren fussen würde. Und wer das wohl gerne so sehen würde, ist klar. All jene, welche sich nicht vorstellen können, dass sich unsere Gesellschaft seither verändert hat.

Der Kanton Luzern müsste sich gar nicht so viele Gedanken machen. Die einzige Herausforderung, die sich ihm stellt, ist folgende: Wie verhindert man die zurzeit grösste Neonazi-Demo der Schweiz? Dazu muss man das Fest im Städtli belassen und im Gegensatz zu letztem Jahr die unbewilligte Demonstration der Rechtsextremen nicht mehr tolerieren.

Hinweis: * Hilmar Gernet ist Luzerner Kantonsrat (CVP) und Direktor Raiffeisen Schweiz, Politik & Gesellschaft.

Hinweis: * David Roth ist Student Zeitgeschichte und Luzerner Grossstadtrat (Juso).