«Sie machen, was sie wollen»

St. Galler Tagblatt: Herbert Morf liegt im Dauerstreit mit Asylbewerbern der benachbarten Notunterkunft in Brunnadern. Nun behauptet er, er sei von einem Betreuer angegriffen worden – und will Anzeige erstatten.

BRUNNADERN. Herbert Morf ist sauer. «Die haben die Situation nicht im Griff», sagt er. Die Kritik des 50-Jährigen richtet sich an jene, die verantwortlich sind für die Asyl-Notunterkunft im Bunker des Mehrzweckgebäudes von Brunnadern. Morf wohnt direkt daneben. Und deckt Gemeinde und Kanton seit Wochen mit E-Mails ein. Darin beschwert er sich, dass Asylbewerber immer wieder das Grundstück betreten, auf dem er ein Haus mit Garten gemietet hat. Nun ist das Ganze eskaliert: Morf will einen Betreuer der Flüchtlinge anzeigen – er wirft ihm einen körperlichen Übergriff und Drohungen vor.

«Nichts gegen Ausländer»

Als die Unterkunft Anfang Jahr in Betrieb genommen wurde, ging zunächst alles gut. Herbert Morf sagt auch, dass er nichts gegen Ausländer habe: «Als Kind spielte ich mit Italienern. Mein bester Freund war Albaner, und bei uns gehen ausländische Kollegen unseres neunjährigen Sohnes ein und aus.» Bald nach der Eröffnung der Anlage aber fingen die Probleme an: «Die Asylbewerber betreten unser Grundstück oder fahren mit dem Velo herum.» Die Ämter beantworteten Herbert Morfs E-Mails zwar freundlich. Der Tenor: Man tue, was man könne. So installierten die Verantwortlichen einen Schlagbaum an der Grenze zwischen der Unterkunft und Morfs Zuhause. «Gebessert hat sich nichts. Die Asylbewerber machen, was sie wollen – und irgendwann wird man in der Zeitung lesen, der Betrieb sei problemlos gelaufen», so Morf.

«Er hielt mir den Mund zu»

Vergangenen Mittwoch hatte Herbert Morf genug. Als er wieder Asylbewerber sah, die auf seinem Grundstück Velo fuhren, ging er zum Büro der beiden Betreuer und teilte ihnen lautstark mit, dass sie die Lage nicht im Griff hätten. Der jüngere der beiden – Morf schätzt ihn auf etwas über 20 – sei ebenfalls laut geworden. «Er warf mir vor, rechtsextrem zu sein und hielt mir mit Gewalt den Mund zu.» Um nicht selbst tätlich zu werden, habe er einen Schritt zurück gemacht und die Unterkunft verlassen. Einige Minuten später seien die Betreuer zu ihm gekommen. «Der ältere blieb weiter ruhig, mit ihm konnte man gut reden. Der jüngere hingegen drohte, er nehme meinem Sohn den Scooter weg, wenn er damit nochmals bei der Unterkunft durchfahre. Dabei ist das dort öffentlicher Grund und Boden», sagt Morf.

Kanton sucht das Gespräch

Jürg Eberle, dem Leiter des kantonalen Migrationsamts, ist der Fall bekannt. «Wir versuchen, Probleme immer partnerschaftlich zu lösen. Im Umfeld sämtlicher Anlagen im Kanton haben wir bis anhin immer Lösungen mit Nachbarn gefunden.» Eberle sagt aber auch: «Falls Anstandsregeln nicht eingehalten worden sind oder einer unserer Mitarbeiter ein anderes Fehlverhalten an den Tag gelegt hat, könnte ich das nicht gutheissen.» Im vorliegenden Fall will das Migrationsamt das Gespräch mit dem entsprechenden Betreuer und dem Nachbarn suchen. «Wenn es zu einer Verfehlung eines Mitarbeitenden gekommen ist, wird das auch Konsequenzen haben», sagt Eberle.

Flüchtlinge im Pool?

Vreni Wild ist Gemeindepräsidentin von Neckertal, wozu Brunnadern gehört. Sie will sich zum vorliegenden Fall nicht äussern – sie hält einzig fest, dass man auf Reklamationen von Herbert Morf reagiert und den Asylbewerbern mitgeteilt habe, in welchem Bereich sie sich bewegen dürfen. Generell hält Wild fest, es gebe, abgesehen von diesem Fall, bisher keine Probleme oder sonstige negative Rückmeldungen zur Unterkunft aus der Bevölkerung. Auch die Polizei, die regelmässig präsent sei, habe bisher nichts Negatives berichtet. Herbert Morf seinerseits sagt zur Frage, ob sich die Dinge mit etwas mehr Toleranz seinerseits möglicherweise nicht anders entwickelt hätten: «Grundstücksgrenze ist Grundstücksgrenze. Ich habe keine Lust, die Asylbewerber im Sommer plötzlich in meinem Swimmingpool vorzufinden.»

Keine Fremden im Haus

Ein weiterer Vorwurf von Herbert Morf lautet, die Verantwortlichen wüssten nicht genau, wie viele Asylbewerber sich in der Unterkunft befänden. «Das hat mir ein Betreuer einmal erzählt.» Jürg Eberle, Leiter des Migrationsamtes, weist das zurück: «Wenn ein Asylbewerber nicht in der Unterkunft übernachten will, muss er sich abmelden. Und die Betreuer dulden über Nacht keine fremden Leute im Haus.»

Die Unterkunft Chrüzweg ging Anfang Jahr in Betrieb – laut Ankündigung soll sie vor den Sommerferien wieder geschlossen werden. Wie Eberle sagt, lebten Ende vergangener Woche 97 Menschen dort. (dwa)