«Seelisberg ist Achillesferse»

NeueLuzernerZeitung

«Seelisberg ist Achillesferse»

Die Polizei will verhindern, dass Rechtsradikale aufs Rütli gelangen. Die Szene könnte sich aber auch anderswo in Uri treffen.

Von Markus Zwyssig

Josef Dittli, gegenüber unserer Zeitung haben Sie gesagt, Sie würden es hinbekommen, dass am 1. August keine Rechtsradikalen aufs Rütli gelangen. Ist das nicht eine gewagte Aussage?

Dittli: Es geht primär um jene, die in den Staatsschutzverzeichnissen aufgeführt sind. Ziel ist, dass diese Leute in den Kontrollen hängen bleiben und nicht aufs Rütli kommen. Die Sicherheit der Veranstaltung muss unbedingt gewährleistet sein.

Das wird aber schwierig sein. Die Polizei darf ihre Daten nicht an die Rütlikommission weitergeben.

Dittli: Wir mussten eine kleine Kurskorrektur vornehmen. Ursprünglich ist die Rütlikommission davon ausgegangen, dass potenzielle Störenfriede gar kein Billett erhalten. Nun darf die Polizei aus Gründen des Datenschutzes die Erkenntnisse der Überprüfungen nicht an die Rütlikommission weitergeben.

Wie kann die Polizei nun trotzdem ihr Ziel erreichen und dafür sorgen, dass keine Rechtsradikalen aufs Rütli kommen?

Dittli: Die Polizei erhält die Daten vorgängig von der Rütlikommission. Kritische Personen merken wir uns aufgrund der Billettbestellung vor. Die Polizei wird dann vor Ort kontrollieren und solche Leute in Brunnen zurückweisen.

Die Personen werden wohl nicht gerne unverrichteter Dinge wieder abziehen?

Dittli: Wir sind uns bewusst, dass dies Schwierigkeiten geben könnte. In diesem Fall müssten wir polizeilich einschreiten. Die Rechtsgrundlagen für ein Zurückweisen sind vorhanden, da sonst die Sicherheit der Veranstaltung gefährdet wäre. Eine absolute Gewähr, dass wir alle verdächtigen Personen zurückweisen können, gibt es trotzdem nicht.

Weshalb?

Dittli: Die rechtsradikale Szene hat viele Sympathisanten. Wir wissen nicht, wie viele völlig legal durch alle Kontrollen kommen und aufs Rütli gelangen. Die Sympathisanten sind nicht erfasst. Von den 600 Personen, die im vergangenen Jahr anwesend waren und der Szene zumindest nahe stehen, zählte wohl deutlich mehr als die Hälfte zu den Sympathisanten. Das sind Mitläufer, die durchaus ein Ticket fürs Rütli erhalten könnten.

Wo liegt die Achillesferse bei der Kontrolle aus Urner Sicht?

Dittli: Das ist für uns der Weg über Seelisberg. Wir müssen davon ausgehen, dass es auch Leute gibt, die nicht über Brunnen aufs Rütli wollen. Die offiziellen Kurse sind zwar eingestellt. Es gibt nur spezielle Pendelschiffe zwischen Brunnen und Rütli. Die Treib-Seelisberg-Bahn hingegen fährt normal. Für das Unternehmen ist es einer der besten Tage im Jahr. An allen neuralgischen Stellen werden wir kontrollieren. Wir rechnen auch damit, dass schon vorgängig Aktionen stattfinden könnten und Leute beispielsweise auf dem Rütli übernachten wollen. Wir sind bereit, auch an den Vortagen mit polizeilichen Massnahmen dafür zu sorgen, dass am 1. August niemand mehr auf dem Rütli ist, der nicht dort sein soll.

Die Gefahr droht aber nicht nur von Rechtsextremen?

Dittli: Bei den Linksextremen gibt es sogar ein noch grösseres Potenzial. Das geplante Fest der Begegnung in Brunnen war schon Gesprächsstoff der Gemeinde Ingenbohl und des Kantons Schwyz und wurde abgelehnt. Mittlerweile ist der Fall vor Bundesgericht. Es ist davon auszugehen, dass die linke Szene anwesend sein wird, ob die Veranstaltung nun bewilligt ist oder nicht. Die politischen Pole prallen in Brunnen aufeinander. Entsprechend gross ist der Polizeieinsatz.

Ist ein so grosser Sicherheitsaufwand für die Rütlifeier gerechtfertigt?

Dittli: Das ist eine berechtigte Frage. Irgendwo gibt es eine Grenze, ab der sich der Aufwand nicht mehr lohnt. Nach dem 1. August werden wir zusammen mit der Rütlikommission und mit den andern beteiligten Kantonen eine Auswertung machen. Im vergangenen Jahr hat Uri für die Sicherheit der 1.-August-Feier auf dem Rütli einen bedeutenden fünfstelligen Betrag aufgewendet. Der Einsatz wird dieses Jahr deutlich mehr kosten.

Wenn am 1. August so viele Polizisten auf dem Rütli sind, fehlen sie wohl anderswo?

Dittli: Ja, wir können an diesem Tag die polizeiliche Grundversorgung im Kanton nur noch reduziert wahrnehmen. Wir hoffen, dass es zu dieser Zeit nicht sonst wo ein Ereignis gibt, das einen grösseren Polizeieinsatz erfordert.

Vielleicht kommen die Rechtsradikalen dieses Jahr gar nicht aufs Rütli?

Dittli: Auch darüber haben wir uns Gedanken gemacht. Ein Teil der Szene könnte sich nach Flüelen oder Altdorf verschieben. Die 1.-August-Feier in Altdorf oder der Platz bei der Schifflände Flüelen, das sind für uns Hotspots, die wir nicht aus den Augen lassen.